Drucksache 16/6341 11. 05. 2016 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Polizeidichte in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 4161 vom 19. April 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Rhein-Zeitung hat am 16. April 2016 einen Artikel mit der Überschrift „Nachts gibt es nur 720 Polizisten fürs ganze Land“ veröffentlicht . Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Ist es zutreffend, dass nachts nur etwa 720 Polizisten dem Wechselschichtdienst zur Verfügung stehen? Wenn ja, wie kann dieser Missstand umgehend abgestellt werden? 2. Ist es zutreffend, dass Streifenwagen in die Altstadt und in Problemvierteln von Koblenz nicht mehr alleine hinfahren dürfen? Wenn ja, um welche Problemviertel handelt es sich und was wird unternommen, damit dieser Missstand umgehend abgestellt wird? 3. Ist es zutreffend, dass Experten des rheinland-pfälzischen Innenministeriums bereits 2014 errechnet haben, dass landesweit mindes tens 1 200 Polizeibeamte fehlen? Wenn ja, warum wurde nicht darauf reagiert? 4. Ist es zutreffend, dass aufgrund der Neugründung der Ermittlungsgruppe „AG Bande“, andere Ermittlungsgruppen Mitarbeiter abgeben mussten, mit der Folge, dass diese nur noch bedingt bis gar nicht mehr einsatzbereit sind? Wenn ja, wie kann dieser Miss - stand umgehend abgestellt werden? 5. Ist es zutreffend, dass der Mordkommission etwa 40 Prozent des Personals fehlt? Wenn ja, wie kann dieser Missstand umgehend abgestellt werden? 6. Ist es zu treffend, dass Ermittlungsverfahren gegen Flüchtlinge laufen, die weder erfasst noch zum Zeitpunkt des polizeilichen Eingreifens identifiziert waren? Wenn ja, wie kann dieser Missstand umgehend abgestellt werden? 7. Hat Rheinland-Pfalz bundesweit die geringste Polizeidichte? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 11. Mai 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Anzahl der mindestens zur Verfügung stehenden Polizisten orientiert sich an der lokalen Belastungssituation bei den Dienststellen und kann variieren. Auf der Grundlage werden u. a. auch Mindeststärken bei den Dienststellen festgelegt. Die jeweiligen Einsatzstärken legen die Polizeibehörden und -einrichtungen in eigener Zuständigkeit fest. Ein flexibler Personaleinsatz – orientiert an dem Ereignisaufkommen – wird dabei angestrebt. Insofern variieren die Einsatzstärken orientiert an dieser Belastungssituation. Es ist nicht zutreffend, dass nachts nur etwa 720 Polizisten dem Wechselschichtdienst zur Verfügung stehen. Zu Frage 2: Nein, die Aussage ist nicht zutreffend. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 1. Juni 2016 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/6341 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 3: Eine sogenannte „Berechnung von Experten des rheinland-pfälzischen Innenministeriums“ aus dem Jahr 2014 ist nicht bekannt. Im Rahmen von Überprüfungen zur Optimierung der Polizeiorganisation 2011 untersuchte eine Arbeitsgruppe die Aufgabenstruktur der Polizei. Die AG befasste sich mit der Identifizierung neuer Aufgaben, der Erweiterung bestehender Aufgaben oder der Wahrnehmung von Aufgaben für andere Hoheitsträger und nicht mit der Berechnung eines Personalfehlbestands. Auf dieser Grundlage wurde durch die AG im Betrachtungszeitraum 2001 bis 2011 eine Personalbindung im Umfang von 1 250 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) konstatiert. Gleichzeitig wurden Entlastungen im Umfang von 113 VZÄ festgestellt. Die im Ergebnis hieraus resultierenden zusätzlichen Aufwände in der Aufgabenerledigung wurden zum einen durch Arbeitsverdichtung, veränderte Priorisierungen bei der Aufgabenwahrnehmung und Mehrarbeitsleistung aufgefangen. Zum anderen hat die Landesregierung den zusätzlichen oder neuen Herausforderungen für die Polizei durch zusätzliches Personal Rechnung getragen. So wurden zusätzliche Stellen im Rahmen von Tarifbeschäftigten- und Spezialistenprogrammen zur Verfügung gestellt und die Einstellungszahlen sukzessive auf den zwischenzeitlich höchsten Stand von 500 pro Jahr angehoben. Zu Frage 4: Die Landesregierung hat die Arbeitsgruppen „Bandenkriminalität (Reisende Täter Eigentum, kurz RTE)“ am Sitz der fünf Polizeipräsidien zum 3. August 2015 eingerichtet. Die Polizeipräsidien wählten ihr Personal für die Besetzung der Arbeitsgruppen eigenständig aus. Es kommt aus verschiedenen Dienststellen der Schutz- und Kriminalpolizei der jeweiligen Präsidialbereiche. Ziel bei der Personalauswahl war eine Bündelung unterschiedlichster fachlicher Kompetenzen ausgerichtet auf die Bekämpfung der überregionalen und bandenmäßigen Eigentumskriminalität. Das Polizeipräsidium Westpfalz hat die Leitung der Arbeitsgruppe „Bandenkriminalität (RTE)“ im Rahmen der Bestenauslese dem Leiter einer anderen Ermittlungsgruppe übertragen. In der Folge übernahm sein bisheriger Vertreter in der Ermittlungsgruppe seine Führungsfunktion und hat diese ohne Einschränkungen weitergeführt. Im Polizeipräsidium Koblenz setzt sich die Arbeitsgruppe „Bandenkriminalität (RTE)“ auch aus Mitarbeitern der bis 2012 aktiven Ermittlungsgruppe „Intensiv“ zusammen. Deren Aufgaben sind im Rahmen der Organisationsfortschreibung der Kriminalpolizei zum 1. Oktober 2012 in die Fachkommissariate 6 – Gemeinsame operative Täterorientierung – der Kriminalinspektionen übergegangen und werden seitdem dort bearbeitet. In den Arbeitsgruppen „Bandenkriminalität (RTE)“ der anderen Polizeipräsidien sind keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus weiteren Ermittlungsgruppen beschäftigt. Zu Frage 5: Die Bearbeitung von „Tötungsdelikten“ obliegt nach der Aufgabenzuweisung den Fachkommissariaten 11 der Zentralen Kriminal - inspektionen am Sitz der Polizeipräsidien. Hinsichtlich der personellen Ausstattung der Kommissariate bestehen grundsätzlich keine Richtwerte oder Vorgaben. Vielmehr richtet sich die Besetzung nach Aufgabenanfall der einzelnen Fachkommissariate und kann im Bedarfsfall, beispielsweise zur Bearbeitung herausragender Straftaten wie Tötungsdelikte, temporär angepasst oder durch die Einrichtung von Sonderkommissionen oder Ermittlungsgruppen ergänzt werden. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachkommissariate in diesen Organisationsformen ist aufgrund der Vielschichtigkeit mancher Kriminalitätsphänomene, bei Sofortlagen und bei Tötungsdelikten alltäglich in der Arbeit der Kriminal - polizei, sodass die personelle Ausstattung der Fachkommissariate ständig variieren kann. Zu Frage 6: Regelmäßig werden Asylbegehrende bereits bei ihrer Einreise erkennungsdienstlich behandelt. Sofern diese Maßnahme noch nicht durchgeführt wurde, erfolgt die erkennungsdienstliche Behandlung im Rahmen des Asylverfahrens bei der Erstaufnahmeeinrichtung bzw. bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Der Polizei obliegt ebenfalls eine Zuständigkeit für die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung eines Asylbegehrenden, sofern dieser unmittelbar bei der Polizei um Asyl nachsucht. Mit der Umsetzung des zum 2. Februar 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustauschs zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (Datenaustauschverbesserungsgesetzes) mit Ergänzungen und Änderungen im Asylgesetz und dem Gesetz über das Ausländerzentralregister und seiner Durchführungsverordnung, ist die Grundlage geschaffen, die umfängliche Erfassung und Registrierung der Flüchtlinge sicherzustellen. Zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens der Polizei gehört die Erfassung im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem . Dabei werden auch die Personaldaten des Tatverdächtigen registriert, die zweifelsfrei feststehen müssen. Deshalb bedarf es ihrer Identifizierung. Dies erfolgt im Regelfall anhand mitgeführter Personaldokumente und auf der Grundlage bereits vorhandener erkennungsdienstlicher Unterlagen. Sofern Tatverdächtige keine Personaldokumente vorweisen können und kein er- 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/6341 kennungsdienstliches Material zu den Personen vorliegt, nimmt die Polizei eine erkennungsdienstliche Behandlung vor, um die Identität zu klären. Dieses Verfahren gilt grundsätzlich auch für tatverdächtige Asylbegehrende. Die polizeiliche Praxis berichtet hierzu , dass dies im zurückliegenden Jahr lediglich in Einzelfällen erforderlich war. Zu Frage 7: Die noch aus dem Jahre 1974 stammende Kennzahl der Polizeidichte stellte die seinerzeitige Personalbedarfsplanung von Polizeibeamten zu Einwohnern dar und hat sich mittlerweile längst überholt, weil sich die allgemeine Sicherheitssituation, aber auch die technische Entwicklung im Bereich der Inneren Sicherheit nachhaltig verändert hat. Bereits eine von der Innenministerkonferenz eingerichtete Arbeitsgruppe hatte 1990 festgestellt, dass die Polizeidichte allein kein probates Mittel zur Personalberechnung ist. Sie kann neben anderen Faktoren, wie beispielsweise der Anzahl der Verkehrsunfälle oder der Straftaten sowie dem Umfang von Präventionsmaßnahmen allenfalls ein Hilfsmittel zur Berechnung einer angemessenen Personalstärke sein. Dies wird auch im Programm Innere Sicherheit der Länder und des Bundes, Fortschreibung 2008/2009 in Kapitel XV, S. 65 ff., ausführlich begründet. Danach kann der Personalbedarf für die Polizei nicht auf der Grundlage der sogenannten Polizeidichte berechnet werden. Maßgeblich sind tatsächliche Belastungsfaktoren. Diese beinhalten die Einsatz- und Kriminalitätsbelastung, das Verkehrsunfallgeschehen sowie unter Umständen regionale Besonderheiten, zum Beispiel Außengrenzen, Transitstrecken, Flächenkriterien , Bevölkerungsdichte. Aufgrund der strukturellen Unterschiede beurteilt jedes Bundesland für sich, wie hoch der Personalbedarf der jeweiligen Landespolizei ist. Angesichts der Inhomogenität der bei der Personalplanung zu berücksichtigenden Faktoren oder auch durch die unterschiedliche Aufgabenverteilung zwischen Polizei und den Ordnungsbehörden in den Bundesländern ist ein Vergleich der einzelnen Bundesländer nur tendenziell möglich. Da die Polizeidichte somit kein maßgebliches Kriterium darstellt, liegen hierzu auch keine Vergleichsberechnungen des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur vor. Roger Lewentz Staatsminister 3