Drucksache 16/704 19. 12. 2011 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 4. Januar 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Ingeborg Sahler-Fesel und Petra Elsner (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Antidiskriminierungsstelle Die Kleine Anfrage 504 vom 9. Dezember 2011 hat folgenden Wortlaut: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine unabhängige Anlaufstelle für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Sie wurde 2006 eingerichtet, nachdem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Kraft getreten ist. Aktuellen Meldungen zufolge plant die Bun des regie rung massive Kürzungen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Bedeutung misst die Landesregierung der Antidiskriminierungsstelle bei? 2. Wie beurteilt die Landesregierung vor diesem Hintergrund die geplanten Kürzungen? 3. Welche Folgen sind damit für Rheinland-Pfalz verbunden? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 wie folgt beantwortet: Für die Landesregierung ist die Verankerung einer gelebten Kultur der Antidiskriminierung, eingerahmt von einem gesellschaft - lichen Bild der Vielfalt, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität unverzichtbarer Bestandteil einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft. Um in Rheinland-Pfalz stärker als bisher den Zielen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und einem Gesellschaftbild von Vielfalt gerecht zu werden, wird zum 1. Januar 2012 die neu eingerichtete Antidiskriminierungsstelle im Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen ihre Arbeit aufnehmen. Zum Aufgabenbereich der Landes-Antidiskriminierungsstelle wird dabei unter anderem die Kooperation mit der auf nationaler Ebene eingerichteten Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS-Bund) gehören. Die ADS des Bundes wurde in Umsetzung der EU-Richtlinien 2000/43 EG (Antirassismus-Richtlinie), 2002/73 EG (Gender-Richtlinie ) und 2004/113 EG (Richtlinie zur Gleichstellung der Geschlechter) in Verbindung mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG, Abschnitt 6, §§ 25 bis 30) am 18. August 2006 eingerichtet. Sie vertritt dabei den sogenannten horizontalen Ansatz der Antidiskriminierung, der auch in § 1 des AGG festgelegt ist: Er bezieht sich auf die Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung , einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Zu Frage 1: Die Landesregierung misst der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine hohe Bedeutung bei, weil sie insbesondere a) unabhängig ist, b) die von Diskriminierung betroffenen Personen direkt über Ansprüche und Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens im Rah- men der gesetzlichen Regelungen zum Schutz vor Benachteiligung berät, c) eine Beratung durch andere Stellen vermittelt und d) Studien und Expertisen zur Untersuchung von Diskriminierung in Auftrag gibt. Drucksache 16/704 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Diskriminierungsopfer haben damit in Deutschland erstmals eine Anlaufstelle, an die sie sich persönlich, vertraulich und kostenlos wenden können. Die Antidiskriminierungsstelle hat in den fünf Jahren ihrer Arbeit mehreren tausend Diskriminierungsopfern mit Rat geholfen, hat Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit betrieben, erste wissenschaftliche Analysen vorgelegt und auf der Basis der daraus entstandenen Ergebnisse Pilotprojekte entwickelt. Sie kooperiert mit Landeseinrichtungen und mit Nichtregierungsorganisationen, sie pflegt den sozialen Dialog und sie unterstützt Projekte in den Ländern. Dies und die aktive Öffentlichkeitsarbeit sind unverzichtbare Aktivitäten, um eine diskriminierungsfreie Kultur in Deutschland zu verankern und zu sichern. Zu Frage 2: Die beschlossenen Kürzungen betreffen vor allem den Projektfördertitel zur Unterstützung von Netzwerkprojekten in den Bundesländern . Er wurde von ehemals 500 000 Euro pro Haushaltsjahr auf 130 000 Euro pro Haushaltsjahr zurückgefahren. Ursprünglich war geplant, mit den Finanzmitteln insgesamt zehn Netzwerkprojekte in den Bundesländern zu fördern. Die Landesregierung bedauert die Kürzungen im Fördertitel der Antidiskriminierungsstelle außerordentlich. Die Staatssekretärin im Ministerium für Inte - gration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen, Frau Gottstein, hat sich mit einem dringenden Appell an die Vorsitzenden der Bundes - tagsfraktionen gewandt und sich für den Verzicht auf die Kürzungen eingesetzt, leider ohne Erfolg. Zu Frage 3: Das „Zentrum für selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen“ in Mainz hat in Kooperation mit anderen zukünftigen Partnern Fördermittel in Höhe von 100 000 Euro für die Laufzeit von zwei Jahren beantragt. Bislang liegt keine Bewilligung vor. Insofern sind die Folgen für Rheinland-Pfalz noch nicht abschließend zu beurteilen, weil die endgültige Entscheidung über den Förde rantrag noch nicht vorliegt. Der Netzwerkprozess der Antidiskriminierungsverbände und Selbsthilfegruppen in RheinlandPfalz – der in den vergangenen Jahren vor allem durch das ehrenamtliche Engagement der Beteiligten getragen wurde – würde aller - dings beträchtlich erschwert werden, wenn die Gelder nicht zur Verfügung stehen. Das Land kann die ausfallenden Haushaltsmittel der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nicht ersetzen. Irene Alt Staatsministerin