Drucksache 16/734 23. 12. 2011 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Kathrin Anklam-Trapp, Benedikt Oster und Dr. Tanja Machalet (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Mindestlohn Die Kleine Anfrage 497 vom 9. Dezember 2011 hat folgenden Wortlaut: Die CDU Deutschlands hat auf ihrem Parteitag in Leipzig Mitte November 2011 eine sogenannte Lohnuntergrenze für Branchen, die nicht tarifvertraglich geregelt sind, beschlossen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Auswirkungen hätte diese Lohnuntergrenze für die Arbeitnehmerinnen und Ar beit nehmer im Land? 2. Wie beurteilt die Landesregierung vor diesem Hintergrund die Pläne zu einer Lohn unter grenze insgesamt? 3. Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Landesregierung zielführend, um gerechte Löhne für Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer zu garantieren sowie die Wettbewerbs fähig keit der Betriebe zu sichern? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der Ansatz, den die CDU auf ihrem Bundesparteitag im November 2011 beschlossen hat, sieht die Einführung branchenspezi - fischer und gegebenenfalls regional differenzierter Lohnuntergrenzen in „tarifvertragsfreien Zonen“ vor. Wie dies konkret umgesetzt werden soll, ist noch unklar, denn die Tarifvertragsparteien sollen Regelungen finden, die sie im normalen Tarifgeschehen nicht gefunden haben. Zudem gibt es bereits heute in tarifvertraglich geregelten Branchen Vereinbarungen, die keinen auskömmlichen Lohn sichern. Für den tariflich geregelten Bereich würde dies bedeuten, dass – beispielsweise Beschäftigte im Friseurhandwerk in Thüringen nach der untersten Tarifgruppe auch künftig mit einem Stunden- lohn von 3,18 Euro auskommen müssten; – eine Arbeiterin oder ein Arbeiter im Fleischerhandwerk in Sachsen-Anhalt in der untersten Tarifgruppe 4,99 Euro pro Stunde verdient. Die Auswirkungen auf die Absicherung im Alter und die absehbar unzureichenden Rentenansprüche sind offensichtlich. Selbst wenn man nicht die untersten Tarifgruppen im Osten heranzieht, sondern auf tarifvertragliche Regelungen für Westdeutschland zurückgreift, zeigt sich, dass – beispielsweise Friseure nach dem Tarifvertrag der Handwerkskammerbezirke Rheinhessen, Koblenz, Trier 4,99 Euro pro Stunde verdienen. Das theoretisch niedrigste denkbare Jahresbruttogehalt ohne Sonderzahlungen oder Zuschläge liegt danach bei 9 636 Euro. Bei einem solchen Einkommen steht den Betroffenen (nach dem heute aktuellen Rentenwert) nach 40 Jahren Arbeit eine monatliche Rente von 349,81 Euro und nach 45 Arbeitsjahren eine Rente von 393,54 Euro zu; – Floristen erhalten nach dem Tarifvertrag West 7,73 Euro pro Stunde, das entspricht einem Monatslohn von 1 307 Euro. Das niedrigste denkbare Jahresbruttogehalt ohne Sonderzahlungen oder Zuschläge beläuft sich danach auf 15 684 Euro. Bei einem sol- Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. Januar 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/734 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode chen Einkommen steht den Betroffenen (nach dem heute aktuellen Rentenwert) nach 40 Jahren Arbeit eine monatliche Rente von 569,37 Euro und nach 45 Arbeitsjahren von 640,54 Euro zu. Darüber hinaus befürchtet die Landesregierung, dass in Branchen, in denen derzeit keine Tarifverträge greifen und ein sehr niedriges Lohnniveau herrscht, auch die beantragte branchenspezifische Lohnuntergrenze deutlich unter dem von der Landesregierung geforderten allgemeinen Mindestlohn liegen würde. Zu 2.: Das, was die CDU in den vergangenen Wochen mal als Mindestlohn, mal als gesetzliche Lohnuntergrenze bezeichnet hat, verdient weder den einen noch den anderen Namen. Die Einführung von Lohnuntergrenzen im Sinne der CDU führt maximal zu einem „Flickenteppich“ an weiteren Lohnfestsetzungen im Land, ist aber weit von einer Lösung entfernt, dass Menschen von ihrer Vollzeitarbeit auch leben können. Zu 3.: Starke Tarifpartner, die faire Löhne in Tarifverträgen aushandeln, ist sicher der beste Weg. Vor dem Hintergrund der Entwicklung am Arbeitsmarkt in den letzten Jahren muss allerdings durch einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn sichergestellt werden, dass kein Mensch – ob er in einer tarifgebundenen Branche arbeitet oder nicht – unter 8,50 Euro verdient. Rheinland-Pfalz hat daher in einer gemeinsamen Bundesratsinitiative mit Baden-Württemberg und Hamburg am 16. Dezember 2011 hierauf einen Entschließungsantrag – „Faire und sichere Arbeitsbedingungen durch Implementierung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns“ – in den Bundesrat eingebracht. Ziel ist, durch die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindest lohns den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein existenzsicherndes Einkommen zu gewährleisten und eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Malu Dreyer Staatsministerin