Drucksache 16/735 23. 12. 2011 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Thorsten Wehner und Marcel Hürter (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Geplante Aufhebung des Verkaufsverbots von Lebensmitteln unter Einstands preis durch die Bundesregierung Die Kleine Anfrage 509 vom 9. Dezember 2011 hat folgenden Wortlaut: Die Bundesregierung beabsichtigt, das Verbot, Lebensmittel unter Einstandspreis zu verkaufen, zu lockern. Dies geht auch aus den Eckpunkten für eine Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen der Bundesregierung hervor. Die Landwirtschaft fürchtet ruinöse Preiskämpfe um ihre Produkte. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung aus landwirtschaftspolitischer Sicht die von der Bun des regierung geplante Aufhebung bzw. Lockerung des Verkaufsverbots von Lebens mitteln unter Einstandspreis? 2. Welche Folgen sind bei einem Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis für die Landwirtschaft im Land und für regionale Produkte zu befürchten? 3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung aus Ländersicht, eine Aufhebung des Verbots, Lebensmittel unter Einstands- preis zu verkaufen, zu verhindern? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 wie folgt beantwortet: Der Verkauf von Waren und gewerblichen Leistungen unter dem Einstandspreis ist „Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht“ durch die 6. Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) § 20 Abs. 4, seit Anfang 1999 ausdrücklich verboten, wenn er nicht nur gelegentlich erfolgt oder „sachlich gerechtfertigt“ ist. Derzeit liegt der von Bundeswirtschaftsminister Rösler, FDP, initiierte Referentenentwurf zur 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vor. Der konkrete Inhalt des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ist noch nicht bekannt. Die Regelung des § 20 Abs. 4 GWB hat sowohl wettbewerbs-, wirtschafts-, landwirtschafts- und verbraucherschutzpolitische Bezüge. Vor diesem Hintergund beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen Referentenentwurf für eine 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgelegt, über den das Bundeskabinett noch nicht entschieden hat. Das Inkrafttreten des Gesetzes ist für Anfang 2013 geplant. § 20 Abs. 4 Satz 2 Nr.1 GWB untersagt es Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht , Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetz buches unter Einstandspreis anzubieten. Ein solches Verhalten ist sachlich nur gerechtfertigt, wenn durch den Verkauf der Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler verhindert werden. Dasselbe gilt in vergleichbar schwerwiegenden Fällen oder wenn Lebensmittel an ge - meinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben werden. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. Januar 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/735 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Sonderregelung für Lebensmittel wurde 2007 in das GWB aufgenommen und ist bis zum 31. Dezember 2012 befristet. Der Referenten entwurf sieht vor, dass diese Bestimmung zum 31. Dezember 2012 ausläuft und für den Verkauf von Lebensmitteln dann wie bislang das grundsätzliche Verbot des Anbietens unter Einstandspreis gilt. Das heißt, ein dauerhaftes Anbieten von Waren oder gewerblichen Leistungen unter Einstandspreis ist grundsätzlich verboten, kurzzeitige Werbeaktionen mit Sonderangeboten wären aber zulässig. Die Landesregierung lehnt aus landwirtschaftspolitischer Sicht die Novellierung des GWB mit dem Ziel der Aufhebung bzw. Lockerung des Verkaufsverbotes von Lebensmitteln unter Einstandspreis ab Ende 2012 entschieden ab. Sie fordert die Bundesregierung dagegen auf, die Befristung aufzuheben. Sie fordert ferner die zuständigen Behörden auf, entschlossen gegen Verstöße vorzugehen. Denn die Erfahrung zeigt, dass insbesondere Discounter und Supermärkte mit großer Verkaufsfläche die Kunden mit Sonderangeboten bei Fleisch- und Wurstwaren sowie Milch und Molkereiprodukten locken. Damit werden kleinere und mittlere Unternehmen wie Nachbarschaftsläden, Naturkostläden, Direktvermarkter, aber auch Unternehmen des Lebensmittelfachhandels und des Ernährungshandwerks (Metzger) im Wettbewerb behindert, denn sie können mit diesen Preisen aufgrund ihrer Einkaufsmacht, aber auch aufgrund ihres reduzierten Angebotes nicht mithalten. Zu Frage 2: Auf die Landwirtschaft und die Regionalvermarktung wirkt sich das „Verramschen“ wertvoller Lebensmittel in zweifacher Hinsicht negativ aus. Zum einen führen dauerhaft niedrige Verkaufspreise im Handel insgesamt zu erheblichem Preisdruck für die Erzeuger, wenn kleinere, auch mittelständische Wettbewerber aus bestimmten Produktsegmenten verdrängt werden und große Marktteilnehmer im Lebensmitteleinzelhandel aufgrund ihrer Markt- und Einkaufsmacht die Preise diktieren können. Viele bäuerliche Betriebe können die Produktionskosten nicht weitergeben. In der Konsequenz sind Qualität, Umwelt- und Tierschutzstandards sowie die mittelständischen Strukturen bedroht. Zum anderen führen dauerhaft Verkaufspreise auf Dumping-Niveau zu einer Wettbewerbsverzerrung bei Lebensmitteln. Dies führt tendenziell zu einer sinkenden Bereitschaft bei Verbrauchern und Verbraucherinnen, für wertvolle Lebensmittel, die in Deutschland auf einem hohen Qualitäts- und Sicherheitsniveau produziert werden, angemessene Preise zu bezahlen. Zahlreiche Lebensmittel - und Futtermittelskandale belegen die geschilderte Negativ-Spirale im Agrarmarkt. Zu Frage 3: Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 11. November 2011 einen Referentenentwurf zur Änderung des GWB eingebracht. In der dazu vorgesehenen Länderanhörung und im späteren Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat wird sich das Land Rheinland-Pfalz dafür einsetzen, dass auch künftig im Lebensmittelbereich kein Preis-Dumping erfolgen kann. Ulrike Höfken Staatsministerin