Drucksache 16/747 29. 12. 2011 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. Januar 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Christian Baldauf und Matthias Lammert (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Haltung der Landesregierung zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeiche rung Die Kleine Anfrage 510 vom 9. Dezember 2011 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Notwendigkeit der Wiedereinführung der Vorrats datenspeicherung? 2. Ergeben sich nach Einschätzung der Landesregierung aus den aktuell gewonnenen Er kenntnissen der rechtsextremistischen Sze- ne Ansatzpunkte, die eine Prüfung der Möglich keit der Vorratsdatenspeicherung als geboten erscheinen lassen? 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass eine Nichtregelung der Vorratsdaten speiche rung gegen europarechtliche Vorgaben verstoßen könnte? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: In Umsetzung der EU-Richtlinie 2006/24/EG vom 15. März 2006 hatte der Bundesgesetzgeber die sogenannte „Vorratsdatenspeiche - rung“ eingeführt. Dies betrifft ausschließlich die Speicherung von Verkehrsdaten; es geht dabei ausdrücklich nicht um die Inhalte von Kommunikation. Das Bundesverfassungsgericht hat am 2. März 2010 die Regelungen der „Vorratsdatenspeicherung“ für verfassungswidrig erklärt und die Löschung bereits erhobener Vorratsdaten angeordnet, ohne allerdings eine vorsorgliche anlassunabhängige Speicherung von Verkehrsdaten grundsätzlich für verfassungswidrig zu erklären. Das lässt Raum für eine bundesgesetzliche Neuregelung, die seit der Entscheidung des obersten Gerichts aussteht. Die Bundesregierung ist seitdem ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der EU-Richt - linie 2006/24/EG nicht nachgekommen. Das Bundeskriminalamt hat in Zusammenarbeit mit den Ländern festgestellt, dass gegenwärtig ca. 60 % der Ermittlungen von Inter - net-Verbindungen ins Leere gehen, weil die entdeckten kriminellen Handlungen nicht mehr konkreten Anschlüssen zugeordnet werden können. Die Landesregierung nimmt die rechtspolitischen Bedenken gegen die Speicherung von Kommunikationsverbindungsdaten aller Bürgerinnen und Bürger sehr ernst. Auch das Bundesverfassungsgericht hat hohe Anforderungen an die Speicherung dieser Daten und den Zugriff auf die Daten gestellt, die bei der Gesetzgebung zwingend zu berücksichtigen sind. Die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger sind mit dem Ziel, den Sicherheitsbehörden die für die Aufklärung von schwersten Straftaten und Verhinderung erheblicher Gefahren erforderlichen Eingriffsbefugnisse an die Hand zu geben, in Einklang zu bringen. Welche Schlüsse hieraus im Hinblick auf gesetzgeberische Vorhaben zur Regelung der Vorratsdatenspeicherung zu ziehen sind, wird innerhalb der Landesregierung im Detail abzustimmen sein. Die Landesregierung wird daran mitwirken, dass die Sicherheitsbe lange des Staates und seiner Bürgerinnen und Bürger und die Grundrechte der Bevölkerung in Ausgleich gebracht werden. Drucksache 16/747 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage wie folgt. Zu Frage 1: Die Innenminister und -senatoren der Länder und des Bundes stellten auf ihrer 193. Sitzung am 8./9. Dezember 2011 erneut fest, dass eine unverzügliche Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 dringend geboten ist. Dies ist – wie bereits wiederholt dargestellt – auch die Position der Landesregierung. Zu Frage 2: Fragen zu den aktuellen Erkenntnissen aus der rechtsextremistischen Szene im Kontext zur Thematik der Vorratsdatenspeicherung sind vor dem Hintergrund der derzeitigen Ermittlungen zur sogenannten „Zwickauer Zelle“ zu bewerten. Die Ermittlungsführung liegt beim Bundeskriminalamt. Wie aus den Presseveröffentlichungen zu entnehmen war, hat der Präsident des Bundeskriminalamtes vor dem Innenausschuss im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur „Zwickauer Zelle“ das Fehlen der Vorratsdatenspeiche - rung bemängelt. Nach seinen Ausführungen käme die Auswertung von Telefonen und Computern nur schleppend voran. Von den zu diesem Zeitpunkt angeschriebenen 54 Providern habe man von 18 sehr unterschiedliche Auskünfte bekommen. So z. B. Abrech - nungsdaten, auf denen bei den Nummern der Angerufenen jeweils die letzten drei Ziffern fehlen. In neun Fällen hätte es überhaupt keine Auskunft gegeben. Treffen diese in der Presse veröffentlichten Fakten zu, ist festzustellen, dass durch die fehlende Vorratsdatenspeicherung eine umfängliche Aufhellung der rechten Strukturen zumindest in diesem konkreten Fall erschwert, wenn nicht sogar verhindert wird. Die Innenminister und -senatoren der Länder und des Bundes vertraten auf ihrer 193. Sitzung am 8./9. Dezember 2011 die Auffassung , dass durch den Wegfall der Mindestspeicherfrist für Telefon- und Internetverkehrsdaten eine erhebliche Schutzlücke bei der Aufklärung von schweren Straftaten entstanden ist und dass diese Schutzlücke nicht zuletzt im Hinblick auf die bisherigen Erkenntnisse aus den laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zum Rechtsterrorismus geschlossen werden muss. Zu Frage 3: Ja. Eine Wiedereinführung der Speicherung von Telekommunikations- und Internetverkehrsdaten ist europarechtlich zwingend geboten . Deutschland steht nach Aussage der EU-Kommissarin Malmström am 8. Dezember 2011 vor der Innenministerkonferenz kurz davor, wegen der Nichtumsetzung der Richtlinie Strafzahlungen leisten zu müssen. Roger Lewentz Staatsminister