Drucksache 16/782 11. 01. 2012 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Christian Baldauf (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Aufhebung der Arbeitspflicht in den JVAs Die Kleine Anfrage 537 vom 20. Dezember 2011 hat folgenden Wortlaut: Presseberichten zufolge beabsichtigt die Landesregierung, die Arbeitspflicht in den JVAs aufzuheben. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach Arbeit in einer JVA als ein effektives Resozialisierungsmittel angesehen wird? 2. Teilt die Landesregierung die Meinung, dass Arbeit ein Wert ist, der vielen Häftlingen erst vermittelt werden muss, um diesen einen Arbeitsanreiz nach der Haftzeit näherzubringen? 3. Falls nein, wie begründet die Landesregierung ihre Ansicht? 4. Wie hoch sind die Einnahmen bei den rheinland-pfälzischen JVAs, die durch die Arbeit der Inhaftierten erzielt wurden und werden (aufgeschlüsselt jeweils nach JVA für die letzten fünf Jahre, aufgeschlüsselt pro Jahr)? 5. Welche anderen Bundesländer verzichten nach Kenntnis der Landesregierung auf die Arbeitspflicht der Inhaftierten? 6. Wie will die Landesregierung den Ausfall von Einnahmen aus der Arbeitspflicht kompensieren? Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 11. Januar 2012 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Nach Auffassung der Landesregierung ist Arbeit im Strafvollzug ein Mittel zur Förderung der Wiedereingliederung der Gefangenen in die Gesellschaft, aber nicht das einzige. Der Musterentwurf eines Landesstrafvollzugsgesetzes vom 23. August 2011, der in einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der zehn Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen erarbeitet wurde, sieht neben der Arbeit verschiedene Maßnahmen (Arbeitstherapie, Arbeitstraining, schulische und berufliche Qualifizierung ) vor, die der (Wieder-)Erlangung der Beschäftigungsfähigkeit dienen. Sie sind auf den individuellen Bedarf der Gefangenen auszurichten . Die Arbeitspflicht wird ihres bisherigen Charakters als Teil des durch die Freiheitsentziehung auferlegten Strafübels entkleidet . Im Vordergrund steht jetzt der gezielte Einsatz individueller Arbeitsmaßnahmen, der der Resozialisierung der Gefangenen noch stärker Rechnung trägt. Nach der Konzeption des Musterentwurfs bemisst sich der Wert vollzuglicher Maßnahmen nach ihrer Bedeutung für die Erreichung des Vollzugsziels. Zugleich löst sich der Entwurf von dem Gedanken, dass der Arbeit als solcher, unabhängig von den konkreten Bedürfnissen der Gefangenen, ein eigenständiger behandlerischer Wert zukomme. Von der Aufnahme einer allgemeinen Arbeitspflicht wurde im Entwurf deshalb abgesehen. Dies entspricht den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen , die empfehlen, Gefangenenarbeit als einen positiven Bestandteil des Strafvollzugs zu betrachten und nie zur Bestrafung einzusetzen (Nummer 26.3 EPR). Zu Frage 2: Ja. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 30. Januar 2012 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/782 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 3: Entfällt. Zu Frage 4: Gefangene leisten innerhalb der Justizvollzugseinrichtungen in unterschiedlichen Bereichen entgeltliche Arbeit. Die bisher be - stehende Arbeitspflicht für Gefangene erstreckt sich auf alle Bereiche. In Erfüllung der Aufgabe, den Gefangenen Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, werden den Gefangenen neben Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten arbeitstherapeutische Beschäftigungen und verschiedene Arbeitsmöglichkeiten angeboten. Die Arbeitsmöglichkeiten setzen sich zusammen aus Hilfstätigkeiten (z. B. Hausarbeiterfunktion), Tätigkeiten in den Wirtschaftsbetrieben der JVAs (z. B. Küche, Wäscherei) und den Arbeitsbetrieben. Die Arbeitsbetriebe gliedern sich in Unternehmer- und Eigen betriebe. In den Unternehmerbetrieben werden die Gefangenen für Unternehmen der freien Wirtschaft tätig (z. B. Verpacken von Verkaufsartikeln, Zusammenfügen vorgefertigter Teile). Dabei schließen die Anstalt und der Unternehmer einen Vertrag, welche Leistung zu welchem Preis zu erbringen ist. Der Verkauf der Waren ist ausschließlich Sache des Unternehmers. Darüber hinaus werden in vier Justizvollzugsanstalten Eigenbetriebe geführt, die ihre Dienstleistungen oder Waren verkaufen. Arbeitstherapeutische und bildungsorientierte Arbeitsmöglichkeiten für Gefangene werden überwiegend für die Behandlung der Gefangenen bereitgestellt. Die Hilfstätigkeiten und die Tätigkeiten in den Wirtschaftsbetrieben dienen primär der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Justizvollzugseinrichtungen. Daher sind diese Bereiche nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Gleichwohl fallen Kosten für die Entlohnung der Gefangenen, deren Arbeitslosenversicherung und für die Bediensteten, die die Gefangenen anleiten und beaufsichtigen, an. Die genauen Kosten für die Arbeitsmöglichkeiten der Gefangenen können zurzeit nicht ermittelt werden, weil sie haushaltsrechtlich und -technisch nicht gesondert ermittelt werden. So werden z. B. Mieten, Strom- und Heizungskosten überwiegend nur pauschal , nicht aber für einzelne Gebäudeteile, z. B. einzelne Betriebe, entrichtet und abgerechnet. Diese Kosten sind daher in den unten aufgeführten Tabellen nur teilweise enthalten. Die allgemeinen Ausgaben, z. B. für Gefangenenentgelte, Verbrauchsmaterial und Maschinen, werden für die Arbeitsverwaltung gesondert erfasst und werden daher als „Ausgaben (ohne ALV)“ in den untenstehenden Tabellen geführt. Weiterhin können die für die Gefangenen zu entrichtenden Zahlungen für die Arbeitslosenversicherung genau beziffert werden und sind daher in der Tabelle als „Ausgaben ALV“ ausgewiesen. Die Kosten für die Bediensteten wurden ermittelt aufgrund der im Jahresdurchschnitt in den Bereichen mit Gefangenenarbeit eingesetzten Anzahl von Bediensteten, multipliziert mit dem Mittelwert der Personalkostenverrechnungssätze für den mittleren Dienst. Bedienstete, die die Gefangenen bei Hilfstätigkeiten beaufsichtigen und anleiten, können zurzeit nicht gesondert erfasst werden und sind daher bei der Kostenermittlung nicht berücksichtigt. Die Einnahmen der Arbeitsverwaltung einschließlich der arbeitstherapeutischen Betriebe sind in der Tabelle als Einnahmen aufgeführt . Erläuterungen zu den Tabellen: (*) Alle Bereiche der Jugendstrafanstalt Wittlich wurden bis zum Jahr 2009 von der Justizvollzugsanstalt Wittlich mit abgerechnet. Die Zahlen hierfür sind also bis zum Jahr 2009 einschließlich in den für die Justizvollzugsanstalt Wittlich angegebenen Zahlen mit enthalten. Seit Einführung der neuen Software BASIS-WEB im Jahr 2010 werden die Entgelte für Gefangenenarbeit von der Jugend - strafanstalt Wittlich selbst abgerechnet. Daher können diese und die insoweit anfallenden Kosten für die Arbeitslosenversicherung gesondert ausgewiesen werden. Alle Einnahmen und die übrigen Ausgaben der Arbeitsverwaltung werden aber weiterhin bei der Justizvollzugsanstalt Wittlich gebucht, da diese in diesem Bereich für beide Anstalten zuständig ist. Die Einnahmen und Ausgaben können nicht gesondert ausgewiesen werden, weil die Gefangenen teilweise gemeinsam in den Arbeitsbetrieben arbeiten. An Personalkosten für die Jugendstrafanstalt Wittlich können nur die Kosten für die Bediensteten ausgewiesen werden, die in reinen Ausund Weiterbildungsmaßnahmen tätig sind. Abkürzungen: JVA Justizvollzugsanstalt JSA Jugendstrafanstalt ALV für die Gefangenen zu entrichtende Beiträge zur Arbeitslosenversicherung o. ALV ohne für die Gefangenen zu entrichtende Beiträge zur Arbeitslosenversicherung 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/782 2006 Anstalt Einnahmen Ausgaben Ausgaben Überschuss Kosten Gesamt- (o. ALV) ALV Bedienstete ergebnis JVA Diez 2 517 852,82 € 1 726 466,37 € 558 052,51 € 233 333,94 € 2 653 927,00 € – 2 420 593,06 € JVA Frankenthal 1 134 329,04 € 879 583,10 € 397 310,66 € – 142 564,72 € 1 870 801,00 € – 2 013 365,72 € JVA Koblenz 368 436,73 € 546 488,08 € 124 562,04 € – 302 613,39 € 478 577,00 € – 781 190,39 € JVA Ludwigshafen 82 515,15 € 112 527,63 € 87 721,78 € – 117 734,26 € 332 828,55 € – 450 562,81 € JVA Rohrbach 922 816,71 € 429 687,13 € 295 389,39 € 197 740,19 € 1 181 215,05 € – 983 474,86 € JVA Trier 485 252,97 € 209 161,59 € 125 999,87 € 150 091,51 € 739 619,00 € – 589 527,49 € JVA Wittlich 2 762 396,96 € 3 024 675,78 € 679 202,27 € – 941 481,09 € 2 349 378,00 € – 3 290 859,09 € JVA Zweibrücken 1 437 747,59 € 1 294 189,19 € 612 834,77 € – 469 276,37 € 3 611 081,00 € – 4 080 357,37 € JSA Schifferstadt 138 174,33 € 125 499,45 € 180 142,33 € – 167 467,45 € 1 065 921,50 € – 1 233 388,95 € JSA Wittlich 913 647,00 € – 913 647,00 € 2007 Anstalt Einnahmen Ausgaben Ausgaben Überschuss Kosten Gesamt- (o. ALV) ALV Bedienstete ergebnis JVA Diez 2 603 650,66 € 1 800 371,11 € 367 255,70 € 436 023,85 € 2 623 740,00 € – 2 187 716,15 € JVA Frankenthal 1 252 707,46 € 928 786,80 € 261 804,77 € 62 115,89 € 1 924 076,00 € – 1 861 960,11 € JVA Koblenz 324 208,63 € 176 123,65 € 74 911,86 € 73 173,12 € 459 154,50 € – 385 981,38 € JVA Ludwigshafen 89 844,08 € 115 301,15 € 58 237,61 € – 83 694,68 € 334 526,85 € – 418 221,53 € JVA Rohrbach 791 084,77 € 421 549,69 € 206 429,91 € 163 105,17 € 1 106 780,99 € – 943 675,82 € JVA Trier 409 215,52 € 194 001,45 € 81 584,22 € 133 629,85 € 830 851,00 € – 697 221,15 € JVA Wittlich *) 3 071 043,79 € 3 943 093,07 € 465 127,43 € – 1 337 176,71 € 2 361 366,00 € – 3 698 542,71 € JVA Zweibrücken 1 254 819,39 € 1 325 778,20 € 393 656,22 € – 464 615,03 € 3 848 152,00 € – 4 312 767,03 € JSA Schifferstadt 144 701,67 € 120 242,69 € 119 369,10 € – 94 910,12 € 1 155 320,18 € – 1 250 230,30 € JSA Wittlich *) 918 309,00 € – 918 309,00 € 2008 Anstalt Einnahmen Ausgaben Ausgaben Überschuss Kosten Gesamt- (o. ALV) ALV Bedienstete ergebnis JVA Diez 2 426 282,27 € 2 340 530,44 € 286 119,38 € – 200 367,55 € 2 704 008,00 € – 2 904 375,55 € JVA Frankenthal 950 826,78 € 863 369,81 € 187 485,87 € – 100 028,90 € 1 773 120,00 € – 1 873 148,90 € JVA Koblenz 303 119,12 € 170 761,03 € 58 701,15 € 73 656,94 € 842 232,00 € – 768 575,06 € JVA Ludwigshafen 93 758,15 € 120 405,65 € 42 663,72 € – 69 311,22 € 407 817,60 € – 477 128,82 € JVA Rohrbach 845 885,44 € 465 183,29 € 165 627,93 € 215 074,22 € 1 203 505,20 € – 988 430,98 € JVA Trier 516 058,20 € 203 062,99 € 65 683,64 € 247 311,57 € 886 560,00 € – 639 248,43 € JVA Wittlich *) 2 802 396,88 € 3 540 560,87 € 361 800,29 € – 1 099 964,28 € 3 058 632,00 € – 4 158 596,28 € JVA Zweibrücken 1 396 831,81 € 1 250 588,01 € 316 493,77 € – 170 249,97 € 4 033 848,00 € – 4 204 097,97 € JSA Schifferstadt 133 518,60 € 111 855,66 € 99 405,80 € – 77 742,86 € 1 333 829,52 € – 1 411 572,38 € JSA Wittlich *) 930 888,00 € – 930 888,00 € 2009 Anstalt Einnahmen Ausgaben Ausgaben Überschuss Kosten Gesamt- (o. ALV) ALV Bedienstete ergebnis JVA Diez 2 490 831,18 € 2 162 637,62 € 25 075,95 € 303 117,61 € 2 830 905,00 € – 2 527 787,39 € JVA Frankenthal 740 506,17 € 808 536,90 € 14 921,51 € – 82 952,24 € 1 887 270,00 € – 1 970 222,24 € JVA Koblenz 275 188,18 € 170 229,53 € 5 022,20 € 99 936,45 € 449 350,00 € – 349 413,55 € JVA Ludwigshafen 83 270,75 € 100 265,80 € 3 243,89 € – 20 238,94 € 413 402,00 € – 433 640,94 € JVA Rohrbach 692 799,39 € 692 799,39 € 13 187,39 € – 13 187,39 € 1 137 304,85 € – 1 150 492,24 € JVA Trier 298 708,99 € 158 435,52 € 4 502,79 € 135 770,68 € 943 635,00 € – 807 864,32 € JVA Wittlich *) 2 966 697,21 € 3 434 537,95 € 26 874,08 € – 494 714,82 € 3 549 865,00 € – 4 044 579,82 € JVA Zweibrücken 138 721,12 € 1 344 177,13 € 25 671,26 € – 1 231 127,27 € 3 639 735,00 € – 4 870 862,27 € JSA Schifferstadt 135 538,47 € 99 488,54 € 8 670,89 € 27 379,04 € 1 404 218,75 € – 1 376 839,71 € JSA Wittlich *) 943 635,00 € – 943 635,00 € 3 Zu Frage 5: Wie in Rheinland-Pfalz liegen auch in den anderen neun Ländern der Arbeitsgruppe noch nicht einmal Referentenentwürfe vor. Die Frage kann deshalb nicht beantwortet werden. Zu Frage 6: Bei der Diskussion um den Weiterbestand der Arbeitspflicht ist zu berücksichtigen, dass aufgrund von Arbeitsmangel trotz derzeit sinkender Gefangenenzahlen nicht allen arbeitswilligen Gefangenen Arbeit zugewiesen werden kann. Der Durchsetzung der Arbeits pflicht kommt deshalb schon seit Jahren ohnehin nur in wenigen Fällen praktische Bedeutung zu. Es ist deshalb davon auszugehen , dass – wie bisher – auch nach Wegfall der Arbeitspflicht die meisten Gefangenen bereit sein werden, eine Arbeit aufzunehmen . Einnahmeverluste sind deshalb nicht zu befürchten. Jochen Hartloff Staatsminister Drucksache 16/782 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 2010 Anstalt Einnahmen Ausgaben Ausgaben Überschuss Kosten Gesamt- (o. ALV) ALV Bedienstete ergebnis JVA Diez 2 812 153,78 € 2 582 919,93 € 253 182,23 € – 23 948,38 € 2 937 002,00 € – 2 960 950,38 € JVA Frankenthal 957 588,21 € 815 408,68 € 158 442,10 € – 16 262,57 € 1 800 098,00 € – 1 816 360,57 € JVA Koblenz 252 362,00 € 166 160,70 € 52 443,17 € 33 758,13 € 521 081,00 € – 487 322,87 € JVA Ludwigshafen 106 081,15 € 112 186,42 € 36 545,49 € – 42 650,76 € 435 813,20 € – 478 463,96 € JVA Rohrbach 884 760,48 € 454 504,61 € 144 859,23 € 285 396,64 € 1 248 225,85 € – 962 829,21 € JVA Trier 325 034,17 € 159 844,31 € 42 429,86 € 122 760,00 € 1 089 533,00 € – 966 773,00 € JVA Wittlich *) 4 173 340,80 € 2 908 187,96 € 263 084,29 € 1 002 068,55 € 3 884 422,00 € – 2 882 353,45 € JVA Zweibrücken 1 626 009,67 € 1 270 697,23 € 251 593,70 € 103 718,74 € 4 310 761,00 € – 4 207 042,26 € JSA Schifferstadt 154 548,85 € 100 413,00 € 88 296,38 € – 34 160,53 € 1 504 029,25 € – 1 538 189,78 € JSA Wittlich *) 0,00 € 175 937,33 € 85 808,51 € – 261 745,84 € 1 184 275,00 € – 1 446 020,84 € 4