Drucksache 16/873 09. 02. 2012 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 2. März 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Bettina Brück und Ulla Brede-Hoffmann (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Konsequenzen aus dem OLG-Urteil nach Freispruch eines Lehrers vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen Die Kleine Anfrage 566 vom 19. Januar 2012 hat folgenden Wortlaut: Das Oberlandesgericht Koblenz hat in einem unlängst ergangenen Urteil einen Lehrer vom Vorwurf des Missbrauchs von Schutzbefohlenen freigesprochen. Wesentlicher Grund hierfür war, dass nach Auffassung des Gerichts Schülerinnen und Schüler nur dann einer Lehr kraft zur Bildung und Erziehung anvertraut sind, wenn zwischen Lehrkraft und Schü lerin oder Schüler ein sogenanntes Obhutsverhältnis besteht. Ein solches könne im vorliegen den Falle nicht angenommen werden, weil der betreffende Lehrer die Schülerin nur insgesamt dreimal vertretungsweise unterrichtet hat. Diese Entscheidung ist rechtskräftig. Wir fragen die Landesregierung: 1. Hat die Landesregierung mit dieser Entscheidung gerechnet? 2. Welche Rolle spielt rheinland-pfälzisches Landesrecht, insbesondere das Schulgesetz, für die Entscheidung des Oberlandesge- richts? 3. Bestehen nach dem Freispruch noch weitere Handlungsoptionen für das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, den Lehrer zur Verant wortung zu ziehen? Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 7. Februar 2012 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Im Hinblick auf die Entscheidungen der beiden Vorinstanzen – die Lehrkraft war vom Amtsgericht und vom Landgericht jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden – hat das Bildungsministerium mit dieser Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht gerechnet. Zu Frage 2: Die Entscheidung des Oberlandesgerichts beruht ausschließlich auf § 174 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs, also auf Bundesrecht. Landesrecht , insbesondere Schulrecht, hat bei der Urteilsbegründung keine Rolle gespielt. Dennoch prüft die Landesregierung derzeit neben der Frage, ob das Strafrecht als solches einer Änderung bedarf, auch, ob Änderungen schulrechtlicher Regelungen dazu beitragen können, den Anforderungen der schulischen Situation besser gerecht zu werden. Aus der Sicht der an Schule Beteiligten kann die vorgenommene Differenzierung zwischen Klassen- und Fachlehrern einerseits und Lehrkräften, die eine Schülerin oder einen Schüler nur kurzzeitig und unregelmäßig unterrichtet haben, im Ergebnis nicht überzeugen . Sie wird der Situation einer Schülerin oder eines Schülers in dem staatlich begründeten Schulverhältnis nicht gerecht, die in jeder Lehrkraft einer Schule eine Person sehen müssen, die den Schülerinnen und Schülern gegenüber mit einem erhöhten Auto - ritäts- und Respektanspruch auftritt. Schülerinnen und Schüler befinden sich entweder objektiv, zumindest aber subjektiv gegenüber allen Lehrkräften einer Schule in einem besonderen Näheverhältnis, das immer auch Aspekte von Abhängigkeit enthält und deswegen möglicherweise die Entscheidungsfreiheit und -fähigkeit beeinträchtigt. Drucksache 16/873 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Alle Lehrkräfte einer Schule sind in ihrer Gesamtheit dem Wohl der Schülerinnen und Schüler verpflichtet, unabhängig davon, wie intensiv der jeweilige unterrichtliche Beitrag ist. Zu Frage 3: Gegen den betroffenen Lehrer läuft derzeit ein Disziplinarverfahren, das während der Laufzeit des Strafverfahrens aus rechtlichen Gründen zwingend geruht hat. Dieses Verfahren wird nun wieder aufgenommen werden; der Freispruch durch das Oberlandesgericht bedeutet nicht zugleich auch das Ende oder das vorweggenommene Ergebnis des Disziplinarverfahrens, zumal auch das Gericht in seiner Entscheidung den Lehrer für „wohl“ nicht für den Lehrerberuf geeignet angesehen hat. Diese Einschätzung des Gerichts hatte jedoch im Rahmen der strafrechtlichen Prüfung keine Rolle zu spielen und wurde vom Gericht nur beiläufig erwähnt. Die zuständige Schulbehörde, die ADD, hat nun zunächst anhand der vom Oberlandesgericht angeforderten Akten zu prüfen, welche disziplinarischen Folgen der vom Gericht festgestellte Sachverhalt haben muss. Doris Ahnen Staatsministerin