Drucksache 16/996 06. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Bernhard Henter und Arnold Schmitt (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Gravierende Sicherheitsmängel im Kernkraftwerk Cattenom I Die Kleine Anfrage 632 vom 8. Februar 2012 hat folgenden Wortlaut: Laut jüngsten Presseberichten (TV vom 8. Februar 2012) ist erneut ein Störfall im französischen Atomkraftwerk Cattenom aufgedeckt worden, der nach Ansicht von Experten zu einer Wasserstoffexplosion wie im japanischen Atomkraftwerk Fukushima hätte führen können. Dieser Störfall sei von der französischen Atombehörde ASN nachträglich als Störfall der Klasse zwei eingestuft worden, und damit der erste bestätigte Störfall im KKW Cattenom seit 2004. Wie den vorgenannten Presseveröffentlichungen weiterhin zu entnehmen war, sei das saarländische Umweltministerium am Montag (6. Februar 2012) von der lothringischen Regionalverwaltung, der Präfektur in Metz, über die offizielle Einstufung als Störfall informiert worden und habe daraufhin die Bevölkerung in Kenntnis gesetzt. Laut einer Sprecherin des rheinland-pfälzischen Energieministeriums sei auch Mainz vorab informiert worden. Trotzdem habe es erst gestern (7. Februar 2012) eine offizielle Reaktion von Energieministerin Eveline Lemke gegeben! Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Kenntnisse und Informationen hat die Landesregierung über die vorerwähnten, gravierenden Sicherheitsmängel und wann konkret wurde sie entsprechend informiert (bitte detaillierte Darlegung der einzelnen Sicherheitsmängel und des konkreten Zeitrahmens der erfolgten Information)? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage in vorgenannter Presseveröffentlichung, dass eine offizielle Reaktion von Energie - ministerin Eveline Lemke zu diesem Vorfall erst zeitverzögert erfolgte und trifft diese Aussage so zu? Wenn ja, warum erfolgte diese Reaktion erst zeitlich verzögert? 3. Welche konkreten Schritte hat die Landesregierung nach dem am 18. Januar 2012 entdeckten Fehler sowie nach dem jetzt offiziell als Störfall der Klasse zwei eingestuften Fehler unternommen, um diese Informationen an die entsprechenden Stellen weiterzugeben und welche Behörden (ADD Trier, Kreisverwaltung Trier-Saarburg, Stadt Trier) wurde wann von diesen Vorfällen in Kenntnis gesetzt (bitte konkrete Darlegung der einzelnen zeitlichen Schritte)? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 5. März 2012 wie folgt beantwortet: Die Landesregierung wird auf der Grundlage der „Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der französischen Republik über den Informationsaustausch bei Vorkommnissen oder Unfällen, die radiologische Auswirkungen haben können“ unverzüglich durch die Präfektur des Departements Moselle in Metz über Ereignisse, die rheinland-pfälzisches Gebiet in Mitleidenschaft ziehen könnten, informiert. Über andere signifikante Ereignisse im AKW Cattenom, die keine Auswirkungen auf rheinland-pfälzisches Gebiet haben, informieren sowohl der Betreiber des AKW Cattenom (EDF) als auch die französische Atomaufsichtsbehörde (ASN). Die EDF informiert zudem die Öffentlichkeit über diese Ereignisse auf ihrer Homepage auch in deutscher Sprache. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die vorgenannte Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Am 18. Januar 2012 meldete der Betreiber EDF, dass während Inspektionen der Brennelementlagerbecken (BELB) in den Blöcken 2 und 3 das Fehlen der Siphon-Öffnung in der jeweiligen BELB-Einspeise- und -Kühlleitung festgestellt wurde. Die Inspektion wurde Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 15. März 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/996 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode im Rahmen der Überprüfungen aufgrund des Unfalls in Fukushima durchgeführt. In den Blöcken 1 und 4 waren die Siphon-Öffnungen vorhanden. Das Kühlwasser für das BELB wird über die BELB-Einspeise- und -Kühlleitung unterhalb der Lagergestelle der Brennelemente eingespeist . Die Einspeiseleitungen sind über die gesamte Höhe des BELB bis in Bodennähe geführt. Um z. B. im Falle von fehlgestellten Armaturen ein Leersaugen des BELB durch den Siphon-Effekt zu verhindern, ist ca. 30 cm unterhalb des Normalfüllstandes des BELB-Wassers eine Öffnung (Bohrloch) von 20 mm Durchmesser in der Rohrleitung vorgesehen. Der Füllstand im BELB wird kontinuierlich überwacht und ein Füllstandsabfall automatisch gemeldet. Weitere Möglichkeiten zur Detektion eines Füllstandsabfalls sind die Beobachtung durch das Personal, die kontinuierliche Überwachung der Temperatur im Lagerbecken sowie – bei einem starken Füllstandsabfall – auch die kontinuierliche Überwachung der Ortsdosisleistung über dem Lagerbecken. Die sicherheitstechnische Bedeutung des Ereignisses liegt darin, dass bei einer Fehlschaltung oder einem Leck in der Einspeiseleitung ein Füllstandsabfall im BELB durch den Siphon-Effekt nicht ausgeschlossen werden kann. Ohne Gegenmaßnahmen könnte es zur Freilegung der Brennelemente führen. Die Brennelemente würden sich in diesem Fall aufheizen und es könnte zu Brenn - element schäden kommen. Nach Angaben des Betreibers hatte dieser Befund keine Auswirkungen auf die Sicherheit der Anlage. Da es sich jedoch um eine Abweichung von der Konstruktionsbeschreibung handelt, hatte der Betreiber den Befund gegenüber der französischen Atomaufsichtsbehörde am 18. Januar 2012 mit der INES-Stufe 1 (Störung) der 7-stufigen INES-Skala deklariert. Am 24. Januar 2012 forderte die französische Atomaufsichtsbehörde den Betreiber auf, innerhalb von zehn Tagen Abhilfemaßnahmen zu treffen. Sowohl die EDF als auch die ASN meldeten am 6. Februar 2012, dass das Ereignis von der ASN wegen des begrenzten Ausfalls der gestaffelten Sicherheitsvorkehrungen in die INES-Stufe 2 höher gestuft wurde. Bis zum 3. Februar 2012 wurden die Siphon-Öffnungen von Tauchern in die Rohrleitung eingebracht. Die ASN hat vor Ort die Umsetzung der Maßnahme überprüft. Auch wenn dieses Ereignis keine direkten Auswirkungen auf die Umwelt oder die Sicherheit der Bevölkerung gehabt hatte, belegt es doch erneut, dass diese Hochrisikotechnologie nicht beherrschbar ist. Zu einem endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft kann es daher keine Alternative geben. Zu den Fragen 2 und 3: Über Ereignisse mit radiologischen Auswirkungen, die einen Schutz der rheinland-pfälzischen Bevölkerung im Rahmen von Katas - trophenschutzmaßnahmen notwendig machen könnten, werden die Bevölkerung sowie die zuständigen Behörden von der hierfür zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier informiert. Für Ereignisse mit radiologischen Auswirkungen unterhalb der Schwelle des Katastrophenschutzes gibt das hierfür zuständige Bundes umweltministerium im Rahmen des Strahlenschutzvorsorgegesetzes die entsprechenden Empfehlungen an die Bevölkerung. Darüber hinaus bestehen für deutsche Stellen keine Verpflichtungen zu offiziellen Reaktionen auf Ereignisse im AKW Cattenom, die keine radiologische Auswirkung auf die Umwelt haben. Bei dem oben geschilderten technischen Befund an den Einrichtungen der BELB handelte es sich nach Aussage der französischen Atomaufsichtsbehörde um eine Abweichung von den Planungsunterlagen, die keine Auswirkungen auf die dort Beschäftigten oder die Umwelt hatte. Eine Warnung der Bevölkerung war demnach nicht angezeigt. Es erfolgte daher keine Information der ADD Trier, der Kreisverwaltung Trier-Saarburg oder der Stadt Trier. Im Sinne einer größtmöglichen Transparenz hat das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung dennoch die Öffentlichkeit über die jüngsten Ereignisse im AKW Cattenom kurzfristig, meist noch am gleichen Tag, durch Informationen auf der Homepage des Ministeriums in Kenntnis gesetzt. In Vertretung: Ernst-Christoph Stolper Staatssekretär