Drucksache 16/997 06. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Bernhard Henter und Arnold Schmitt (CDU) A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Gravierende Sicherheitsmängel im Kernkraftwerk Cattenom II Die Kleine Anfrage 633 vom 8. Februar 2012 hat folgenden Wortlaut: Laut jüngsten Presseberichten (TV vom 8. Februar 2012) ist erneut ein Störfall im französischen Atomkraftwerk Cattenom aufgedeckt worden, der nach Ansicht von Experten zu einer Wasserstoffexplosion wie im japanischen Atomkraftwerk Fukushima hätte führen können. Dieser Störfall sei von der französischen Atombehörde ASN nachträglich als Störfall der Klasse zwei eingestuft worden, und damit der erste bestätigte Störfall im KKW Cattenom seit 2004. Wie den vorgenannten Presseveröffentlichungen weiterhin zu entnehmen war, sei das saarländische Umweltministerium am Montag (6. Februar 2012) von der lothringischen Regionalverwaltung, der Präfektur in Metz, über die offizielle Einstufung als Störfall informiert worden und habe daraufhin die Bevölkerung in Kenntnis gesetzt. Laut einer Sprecherin des rheinland-pfälzischen Energie - ministeriums sei auch Mainz vorab informiert worden. Trotzdem habe es erst gestern (7. Februar 2012) eine offizielle Reak tion von Energieministerin Eveline Lemke gegeben! Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung diesen erneuten und bestätigten Störfall sowie die sich immer wiederholenden, beim Betrieb des KKW Cattenom festgestellten Sicherheitsmängel und die Zahl der bisherigen Beanstandungen? 2. Welche konkreten Schritte hat die Landesregierung bisher unternommen bzw. will sie unternehmen, um eine schnellstmög liche Stilllegung des KKW Cattenom zu erreichen (bitte Darlegung der bisherigen und geplanten Schritte)? 3. Welche Schritte gedenkt die Landesregierung zu unternehmen, sollte die französische Seite der Forderung nach einer end gültigen Stilllegung des KKW Cattenom nicht nachkommen, um zumindest den gerechtfertigten Forderungen zur Verbesserung der Sicher heitsvorkehrungen im KKW Cattenom und den Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerung der Region Trier zu ent sprechen? 4. Bleibt die Landesregierung in diesem Falle und vor dem Hintergrund des jüngsten, nunmehr auch offiziell bestätigten Störfalles sowie der sich dauernd wiederholenden Störfälle bzw. Sicherheitsmängel bei der bisherigen ablehnenden Haltung der vor maligen Landesregierung hinsichtlich der Forderung des Kreistages Trier-Saarburg auf Ausdehnung der 25-km-Zone und der Einbeziehung der Katastrophenschutzplanung auf die gesamte Region Trier? Wenn ja, bitte detaillierte Darlegung und Begründung. Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 5. März 2012 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Landesregierung nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass es im AKW Cattenom immer wieder zu Zwischenfällen kommt. Auch wenn diese Ereignisse zum Glück bislang noch keine Auswirkungen auf die Umwelt oder die Sicherheit der Bevölkerung hatten, führen sie doch immer wieder zu einer berechtigten Beunruhigung der rheinland-pfälzischen Bevölkerung in der Grenzregion. Die Meldungen des Betreibers über Betriebsstörungen sowie die Befunde der Inspektoren der französischen Atomaufsichtsbehörde zeigen immer wieder, dass die Sicherheitskultur im AKW Cattenom verbesserungswürdig ist. Dieser Eindruck bestätigt sich auch in den Ergebnissen des Stresstests für das AKW Cattenom. Die Landesregierung bleibt daher bei ihrer Auffassung, dass die Nutzung der Atomenergie eine Hochrisikotechnologie darstellt, die weltweit so schnell wie möglich beendet werden sollte. Daher setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass das AKW so schnell wie möglich abgeschaltet wird. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 9. März 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/997 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu den Fragen 2 und 3: Die Länder Luxemburg, Rheinland-Pfalz und Saarland haben sich erfolgreich dafür eingesetzt, einen gemeinsamen Beobachter zum Stress-Test für das AKW Cattenom entsenden zu können. Dem Beobachter, Herrn Ministerialdirigent a. D. Dieter Majer (ehemaliger Unterabteilungsleiter Reaktorsicherheit im BMU), wurden die im Rahmen des französischen Stresstests erstellten Dokumente zur Verfügung gestellt. Er konnte an den Sitzungen der französischen Expertengruppen teilnehmen sowie die französische Atomaufsichtsbehörde bei einer Inspektion im Atomkraftwerk Cattenom begleiten. Mit Datum vom 16. Dezember 2011 legte der Beobachter einen Zwischenbericht vor, der wesentliche Mängel am Verfahren des Stresstests sowie am AKW Cattenom aufführt. Dieser Zwischenbericht wurde dem Bundesumweltministerium mit der Bitte zugeleitet , die dort aufgeführten Mängel am AKW Cattenom im Rahmen der auf europäischer Ebene stattfindenden Peer-Reviews zum Stresstest anzusprechen und sich für ihre Beseitigung einzusetzen. Eine vorläufige Analyse des Abschlussberichts der französischen Atomaufsichts behörde (ASN) zeigt, dass wichtige Hinweise, die der Beobachter Dieter Majer der ASN über Mängel am Stresstest zugeleitet hatte, von dieser aufgegriffen wurden. Hierzu gehören ein verbesserter Schutz der Steuerwarten gegen Radioaktivität, ein verstärkter Überflutungsschutz der Anlage, eine Erhöhung der Erdbebensicherheit wichtiger Sicherheitskomponenten wie des Druckentlastungs filters sowie der Nachweis über die Auswirkungen extremen Schneefalls. Durch diese konstruktive Beteiligung am Stresstest hat die Landesregierung einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Sicherheitslage leisten können. Zu bedauern ist, dass – trotz ausdrücklichen Hinweises des Länderbeobachters – die Folgen bei einer Beschädigung der Reaktorhülle , wie er z. B. bei einem Flugzeugabsturz erfolgen kann, in dem Stresstest nicht berücksichtigt wurden. Die Landesregierung setzt sich auch im Rahmen der grenzüber schreitenden Zusammenarbeit für eine stetige Verbesserung der Sicher heitslage der Bevölkerung ein. So finden auf Initiative der Großregion (Rheinland-Pfalz, Saarland, Luxemburg, die franzö - sischen Region Lothringen, die belgische Wallonie sowie die französische und deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens) in den nächsten zwei Jahren drei mehrtägige Katastrophenschutzübungen für die Umgebung des AKW Cattenom statt. An diesen Übungen werden alle Beteiligten der Großregion teilnehmen. Zudem tagt seit dem letzten Jahr vierteljährlich eine grenzüberschreitende Arbeits gruppe (AG Frontaliers), an der Vertreter aus Frankreich, Luxemburg, dem Saarland und Rheinland-Pfalz teilnehmen. Derzeit werden in diesem Gremium Verbesserungen beim Informationsaustausch sowie der Austausch von Verbindungspersonen bei Übungen und katastrophenschutzrelevanten Ereignissen festgelegt. Die Landesregierung hat sich stets für einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Kernenergie ausgesprochen. Sie hat – insbesondere in Zusammenhang mit den zahlreichen sicherheitsrelevanten Vorfällen im AKW Cattenom – wiederholt die Abschaltung der Anlage gefordert. Auch durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit wurde politischer Druck hinsichtlich einer Beendigung der Nutzung von Kernenergie in Frankreich ausgeübt. Auch zukünftig wird die Landesregierung alles in ihrer Macht Stehende tun, um dem Ziel einer schnellstmöglichen Stilllegung des AKW Cattenom näherzukommen. Darüber hinaus hat die Landesregierung in der Deutsch-Französischen Kommission für die Fragen der Sicherheit Kerntechnischer Anlagen (DFK) die Situation im AKW Cattenom stets kritisch hinterfragt und auf eine Verbesserung der Technik und der Betriebsweisen hingewirkt. Mit den hier geschilderten Maßnahmen hat sich die Landesregierung in der Vergangenheit erfolgreich für eine Verbesserung der Sicherheit der rheinland-pfälzischen Bevölkerung eingesetzt, auch wenn das AKW Cattenom im Ergebnis nach wie vor ein nicht akzeptables Sicherheitsrisiko darstellt. Zu Frage 4: Die Katastrophenschutzmaßnahmen für die Umgebung kerntechnischer Anlagen beruhen auf den bundeseinheitlichen Rahmen - empfehlungen für den Katastrophen schutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen, die unter der Verantwortung des Bundes - ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) von der Strahlenschutzkommission erarbeitet, mit den Ländern abgestimmt und sodann verabschiedet wurden. Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Fukushima werden derzeit diese Rahmenempfehlungen und alle anderen einschlägigen Regel werke, auf die sich die Katastrophenschutzplanungen für die Umgebung kerntechnischer Anlagen stützen, sowohl auf euro - päischer als auch auf Bundes- und Landesebene überprüft. Eine erste Abschätzung, welche Änderungen für erforderlich gehalten werden, liegt vor. Danach sind insbesondere die Bereiche Evakuierung, Alarmierung und Information der Bevölkerung sowie die vorzubereitenden Maßnahmen in den Planungszonen zu überarbeiten und es ist zu prüfen, ob aufgrund der Ergebnisse die Überarbeitung auch der Ausweitung der Planungszonen erforderlich ist. In Vertretung: Ernst-Christoph Stolper Staatssekretär