Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. Oktober 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1077 zu Drucksache 17/841 22. 09. 2016 A n t w o r t des Ministeriums des Innern und für Sport auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Damian Lohr (AfD) – Drucksache 17/841 – Zwangsehen in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/841 – vom 31. August 2016 hat folgenden Wortlaut: In der Dezemberausgabe 2015 der Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei wird im Artikel „Zwangsheirat – Moderne Form der Sklaverei“ das Schicksal von „mehreren tausend“ Mädchen muslimischen Glaubens geschildert, die Jahr für Jahr von einer Zwangsehe bedroht sind. Im Artikel ist zu lesen, dass viele Mädchen im Sommer nicht aus ihrem „Heimaturlaub“ zurückkehren, da sie jetzt bei ihrem „Ehemann“ leben. Ich frage die Landesregierung: 1. Ist bekannt, ob es in Rheinland-Pfalz zu Zwangsehen gekommen ist? 2. Wenn ja: Um wie viele Zwangsehen handelt es sich (wir bitten um Aufgliederung für die Jahre 2010 bis heute)? 3. Wenn ja: Existieren Hilfeleistungen für die betroffenen Mädchen? Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 21. September 2016 wie folgt beantwortet: Zu den Fragen 1 und 2: Der Landesregierung liegen Erkenntnisse über Zwangsverheiratungen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) vor. Die der Polizei Rheinland-Pfalz im Zeitraum von 2010 bis 2016 bekannt gewordene Anzahl von Zwangsverheiratungen ist aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich: Anzumerken ist, dass mit Inkrafttreten des sogenannten Zwangsheirat-Bekämpfungsgesetzes zum 1. Juli 2011 § 237 StGB „Zwangsheirat “ in das StGB aufgenommen wurde. Seit 1. Januar 2012 erfolgt die statistische Erfassung dieser Straftaten bundesweit unter Drucksache 17/1077 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode einem eigenen Deliktschlüssel. Zuvor waren diese Handlungen in § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB „Nötigung zur Eingehung einer Ehe“ geregelt und entsprechnd in der PKS erfasst. Zu Frage 3: Die Beratungseinrichtung SOLWODI e. V. (Solidarity with women in distress) mit Hauptsitz in Boppard-Hirzenach bietet Hilfeleistungen für Migrantinnen in Krisensituationen, die insbesondere von Partnergewalt, ausländerrechtlichen Problemen, Sextourismus, Heiratshandel, Zwangsprostitution und auch von Zwangsverheiratung betroffen sind. In Rheinland-Pfalz gibt es neben der Zentrale in Boppard Fachberatungsstellen in Mainz und Ludwigshafen sowie ein internationales Frauenhaus mit fünf Schutzplätzen in Koblenz. SOLWODI e. V. arbeitet mit der Online-Beratung SIBEL zusammen. SIBEL ist eine Anlaufstelle für junge Migrantinnen der Berliner Kriseneinrichtung Papatya unter Trägerschaft des Türkisch-Deutschen Frauenvereins Berlin. Die SIBEL-Beraterinnen benachrichtigen die SOLWODI Fachstelle Mainz, sofern im Einzelfall eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit einem Opfer aus Rheinland-Pfalz oder eine Notaufnahme erforderlich ist. Von Zwangsverheiratung betroffene oder bedrohte Mädchen können sich in Mainz auch an den Verein zur Förderung feministischer Mädchenarbeit e. V. (Femma) wenden. Das Femma-Angebot umfasst u. a. eine sozialtherapeutische Mädchenberatung zur Krisenintervention sowie eine Mädchenzuflucht zur Inobhutnahme von Hilfe und Schutz suchenden Mädchen und jungen Frauen auch bei drohender Zwangsverheiratung oder Zwangsrückführung. Darüber hinaus bieten die Beratungsstellen der rheinlandpfälzischen Frauenhäuser Hilfestellungen für betroffene Frauen und Mädchen. Am 28. November 2013 haben das federführende Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz (MFFJIV), das Ministerium der Justiz und das Ministerium des Innern und für Sport das gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen entwickelte „Kooperationskonzept Schutz und Hilfen für Opfer von (drohender) Zwangsverheiratung und in diesem Kontext stehender Gewaltdelikte“ veröffentlicht und in Kraft gesetzt. Im Umgang mit drohender oder vollzogener Zwangsverheiratung kommt es entscheidend darauf an, dass die fachlich berührten Stellen und Einrichtungen eng und vertrauensvoll zum Wohle der Betroffenen zusammenwirken. Opfer bedürfen neben effektiven Schutzes einer intensiven Betreuung, die durch besonders qualifizierte Behörden, Fachberatungsstellen und Einrichtungen geleistet werden muss. Je nach Fallkonstellation sind nach dem Kooperationskonzept verschiedene Stellen, Einrichtungen und Berufsgruppen beim Thema Zwangsverheiratung involviert. Dabei handelt es sich um Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen. Im vorliegenden Konzept arbeiten die o. g. Ressorts und ihre nachgeordneten Behörden mit Ausländerbehörden, Trägern der Jugendhilfe und Fachberatungsstellen , wie z. B. SOLWODI, zusammen. Je nach Fallkonstellation (Erstinformation bei einer staatlichen oder bei einer nicht staatlichen Stelle) werden die Zusammenarbeitsformen im Konzept beschrieben. Dem MFFJIV steht für die Opfer von Zwangsverheiratung (und Menschenhandel) ein Sozialfond in Höhe von 98 000 Euro je Haushaltsjahr zur Verfügung. Mit den Mitteln soll in einer Übergangsphase die Versorgung und Unterbringung der Opfer gewährleistet werden, bis Leistungen durch die Sozialleistungsträger gewährt werden können. Die Inanspruchnahme des Sozialfonds ist zunächst unabhängig davon, ob im konkreten Fall auch eine Strafanzeige bei den Ermittlungsbehörden erstattet wird. In Vertretung: Günter Kern Staatssekretär