Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 31. Oktober 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1123 zu Drucksache 17/868 27. 09. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Timo Böhme (AfD) – Drucksache 17/868 – Bekämpfung der Kirschessigfliege II Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/868 – vom 6. September 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Kirschessigfliege ist seit 2011 auf dem Vormarsch und hat in 2014 und 2016 bereits für massive Schäden und Ernteausfälle in verschiedenen Obstbaukulturen gesorgt. Auch in den noch folgenden Obstbaukulturen wie Zwetschgen, Herbsthimbeeren und Brombeeren sowie im Weinbau ist mit massiven Einbußen durch das Auftreten der Kirschessigfliege zu rechnen. Die zurzeit zugelassenen Mittel (Mospilan SG, SpinTor, Piretro Verde, Karate Zeon, Exirel) stehen lediglich in diesem Jahr über eine Notfallzulassung nach Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zur Verfügung. Lediglich Mospilan SG hat darüber hinaus eine Zulassung über Artikel 51 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Hier kann die Nebenwirkung auf die Kirschessigfliege ausgenutzt werden. Es bestehen darüber hinaus bei den o. g. Mitteln in einigen Kulturen Probleme mit ausreichender Wirksamkeit (aufgrund von Wartezeiten, begrenzter Anzahl erlaubter Anwendungen). Ich frage die Landesregierung. 1. Wie kann aus Sicht der Landesregierung die Bekämpfung der Kirschessigfliege durch Pflanzenschutzmittel vor dem Hintergrund der problematischen Zulassungssituation langfristig sichergestellt werden? 2. Welche zusätzlichen Maßnahmen kommen nach Kenntnis der Landesregierung neben dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Netzen und Rodung von Brachflächen zur Bekämpfung der Kirschessigfliege infrage? 3. Wie beurteilt die Landesregierung den Einsatz von Netzen und diesbezügliche Einschränkungen durch naturschutzrechtliche Belange? 4. Wie beurteilt die Landesregierung Rodungsmaßnahmen von Brachflächen zur Bekämpfung der Kirschessigfliege und diesbezügliche Einschränkungen durch eigentumsrechtliche und/oder naturschutzrechtliche Belange? 5. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, naturschutzrechtliche Vorgaben im Hinblick auf die Existenzsicherung der Landwirte zu verändern? Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 23. September 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Zur Bekämpfung der Kirschessigfliege sind mehrere Insektizide zugelassen, davon allerdings die meisten lediglich per Notfallzulassung. Diese Zulassungen sind auf maximal 120 Tage beschränkt. Es müssen mittel- bis längerfristige Zulassungen für die Indikationen in den anfälligen Obstarten bzw. im Weinbau angestrebt werden. Aus Sicht der Landesregierung ist eine solche Zulassung nach Artikel 51 der VO (EG) 1107/2009 im Rahmen der Lückenindikation am schnellsten zu realisieren, da die infrage kommenden Insektizide bereits in anderen Indikationen zugelassen und somit bereits umfassend geprüft sind. Die Unterarbeitsgruppe „Weinbau“ der Bund- Länder-Arbeitsgruppe Lückenindikation (BLAG-LÜCK) hat unter der Leitung von Rheinland-Pfalz für das Mittel „SpinTor“ im Weinbau eine solche Zulassung bereits durchgesetzt. Hinsichtlich des Obstbaus arbeitet der rheinland-pfälzische Pflanzenschutzdienst in der Unterarbeitsgruppe „Obstbau“ der BLAG-LÜCK eng mit dem federführenden Bundesland Baden-Württemberg zusammen. Für neue Insektizide sollten die Pflanzenschutzmittel herstellenden Firmen bei den Erstzulassungen nach Artikel 29 bzw. bei der Beantragung der gegenseitigen Anerkennungen von Zulassungen nach Artikel 40 der VO (EG) 1107/2009 die Kirschessigfliegen- Indikationen im Obst- und Weinbau mit beantragen. Drucksache 17/1123 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Zu Frage 2: Momentan befinden sich biologische und biotechnische Bekämpfungsverfahren in einer sehr intensiven Forschungsphase und sind noch weit von einem Praxiseinsatz entfernt. Im Weinbau haben die Untersuchungen des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinpfalz in Neustadt gezeigt, dass vorbeugende Maßnahmen wie das „Freistellen von Trauben“ (Entblätterung in der Traubenzone) und das Kurzhalten (Mulchen) des Unterwuchses in den Weinbergen sehr effektiv sind. In solcherart gepflegten Anlagen setzt der Kirschessigfliegenbefall später ein und es werden auch geringere Populationsdichten erreicht. Außerdem tragen alle Maßnahmen, die Beschädigungen der Beerenhaut vermeiden bzw. die Stabilität der Beerenhäute stärken, wie eine ausgewogene Nährstoffversorgung und eine effektive Bekämpfung von Pilzkrankheiten und ggf. anderen Schadinsekten, zur Reduktion des Befalls bei. Ferner hat es sich im Weinbau als sinnvoll erwiesen, bei stärkerem Befall eine vorgezogene Ernte oder eine selektive Lese (Herausschneiden befallener Trauben) durchzuführen. Ernterückstände bei der Lese (Trester) sollten keinesfalls in oder in die Nachbarschaft von noch nicht beernteten Weinbergen mit anfälligen Rebsorten verbracht werden, um die Kirschessigfliege nicht anzulocken. Zu Frage 3: Erfahrungen aus Versuchen und anderen Anbaugebieten – wie beispielsweise in Südtirol – zeigen, dass Einnetzungen sehr effektiv bei der Bekämpfung der Kirschessigfliege sein können. Andererseits sind Einnetzungen nur mit sehr hohem finanziellen Aufwand zu realisieren, wenn ganze Anlagen eingenetzt werden sollen, und lohnen sich nur in sehr hochpreisigen Kulturen. Werden in den Kulturen lediglich die Pflanzen in den Reihen eingenetzt, so sind die Kosten zwar geringer, dafür ist aber mit einem erhöhten Arbeitsaufwand zu rechnen, wenn für die Erntearbeiten (z. B. beim Strauchbeerenobst) oder evtl. für Pflanzenschutzarbeiten (z. B. im Weinbau) die Netze abgenommen und wieder aufgelegt werden müssen. Beim Einnetzen ganzer Anlagen zum Schutz gegen die Kirschessigfliege kann es zu erheblichen negativen Auswirkungen auf die Flora, vor allem jedoch die Fauna kommen. Die für die Kirschessigfliege benötigte Feinmaschigkeit der Netze schränkt die Aktivitäten von Insekten oder Vögeln stark ein, verhindert das Verlassen der Anlagen und führt oft zu deren Tod. Die Auswirkungen sind beim Einnetzen von Reihen der Kulturpflanzen (Weinbau, Strauchbeerenobst) deutlich geringer bis vernachlässigbar. Eine Raumfunktion wie die Vernetzung bzw. der Verbund von Lebensräumen kann erheblich gestört werden, Gleiches gilt für die Lebensstätten. Die Beachtung gebiets- und artenschutzrechtlicher Regelungen (u. a. EU-Vogelschutzgebiete, FFH-Richtlinie, besonderer Artenschutz nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz) ist bei der Planung der Errichtung von Schutznetzen vorgeschrieben. Zu Frage 4: Brachen und Hecken sind wertvolle Lebensräume und Entwicklungsziele im Rahmen der Bewirtschaftungspläne zu Natura 2000. Eine Rodung derselben sollte nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen und muss einzelfallweise einer genauen naturschutzfachlichen Prüfung unterzogen werden. Brachen und Hecken können Habitate für die Kirschessigfliege sein. Je nach Zusammensetzung der Vegetation können dort Pflanzen wachsen, auf denen sich die Kirschessigfliege gut vermehren kann. Einerseits kann von den Habitaten ein Befallsdruck für benachbarte Kulturpflanzenbestände ausgehen. Andererseits können die Brachen und Hecken aber auch alternative Habitate sein, die einen Befall von den Kulturpflanzen in anfälligen Phasen fernhalten. Die Auswirkungen der Rodung solcher Strukturen im Rahmen einer gesamträumlichen Bewertung sind noch nicht erforscht. Zu Frage 5: Im Einzelfall kann geprüft werden, ob Ausnahmen zu naturschutzrechtlichen Vorgaben zu erteilen sind, wenn beispielsweise keine vertretbaren Alternativen zur Bekämpfung bestehen. Dr. Volker Wissing Staatsminister