Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 3. November 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1200 zu Drucksache 17/921 04. 10. 2016 A n t w o r t des Ministeriums der Justiz auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) – Drucksache 17/921 – Einreise einer syrischen Großfamilie Teil 1 Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/921 – vom 9. September 2016 hat folgenden Wortlaut: In dem Artikel „Syrer reist mit vier Ehefrauen und 23 Kindern ein“, veröffentlicht in der Rhein-Zeitung vom 2. September 2016, wird u. a. berichtet, dass eine Integration einer islamischen Großfamilie in der Verbandsgemeinde Montabaur Probleme bereitet. Der Familienvater reiste im vergangenen Jahr mit vier Ehefrauen und 23 Kindern aus der Türkei nach Deutschland ein. Der vermögende Geschäftsmann konnte sich in Syrien ein Haus für jede Ehefrau und sogar Bedienstete leisten. Die Rhein-Zeitung berichtet, dass die männlichen Jugendlichen Einrichtungsgegenstände zerstört hätten und versucht haben, den Schulbesuch der Mädchen zu verhindern. Vor allem bei einem 16-jährigen Sohn kam es dabei immer wieder zu Problemen. Bürger aus Welschneudorf fühlten sich von ihm bedroht. Der junge Mann soll in der Wohnung sogar Mitarbeiter der Verwaltung angegriffen haben, auch berichteten Zeugen, dass die Frauen im Keller eingesperrt gewesen sind. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie hoch betragen die Sozialleistungen, die die Familie monatlich erhält? 2. Wurde geprüft, ob der Familienvater überhaupt hilfsbedürftig ist, da er in Syrien ein vermögender Geschäftsmann war und sich ein Haus für jede Ehefrau und sogar Bedienstete leisten konnte? Wenn nein, warum nicht? 3. Auf wie hoch wird die Anzahl der Mehrehen in Deutschland und in Rheinland-Pfalz geschätzt? 4. Ist die Mehrehe des Familienvaters nach § 1306 BGB zulässig? Wenn nein, warum nicht? 5. Wurde gegen den Familienvater ein Strafverfahren nach § 172 StGB wegen Doppelehe bzw. wegen Vierfachehe eingeleitet? Wenn nein, warum nicht? 6. Wurde ein Strafverfahren nach § 239 StGB wegen Freiheitsberaubung eingeleitet, da die Frauen im Keller eingesperrt worden waren? Wenn nein, warum nicht? 7. Ist es zutreffend, dass der 16-jährige Sohn in der Wohnung sogar Mitarbeiter der Verwaltung angegriffen hat? Wenn ja, wurden entsprechende Strafanträge gestellt? Wenn nein, warum nicht? Das Ministerium der Justiz hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und für Sport, dem Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz sowie dem Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie mit Schreiben vom 30. September 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Der Landesregierung liegen zu der syrischen Großfamilie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie den jeweils zuständigen Ausländerbehörden bestätigte Informationen zu dem Familienvater, drei Ehefrauen und insgesamt 13 Kindern vor. Zu einer mutmaßlich vierten Ehefrau und weiteren Kindern bestehen keine Erkenntnisse. Zu den Fragen 1 und 2: Der Beantwortung dieser Fragen steht das Sozialgeheimnis entgegen. Die Bekanntgabe der konkreten Höhe der Sozialleistungen und deren Berechnungsgrundlagen stellt eine Weitergabe von Sozialdaten dar, da es sich um „Einzelangaben“ handelt, die sich auf die betroffene Familie bzw. deren einzelne Mitglieder beziehen oder zumindest bezogen werden können. Sozialdaten dürfen jedoch nur dann übermittelt werden, wenn hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Befugnis oder eine Einwilligung der Betroffenen vorliegt. Eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis von Sozialdaten an Abgeordnete des rheinland-pfälzischen Landtags enthält § 67 d Abs. 1 1. Alternative des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Eine Übermittlungsbefugnis nach einer anderen Rechtsvorschrift des Sozialgesetzbuches (§ 67 d Abs. 1 2. Alternative SGB X) ist ebenfalls nicht gegeben. Drucksache 17/1200 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Ergänzend ist zu Frage 2 darauf hinzuweisen, dass die Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit voraussetzt. Zu deren Ermittlung werden grundsätzlich Einkommen und Vermögen aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt, auch Vermögen im Ausland. Dieses muss verwertbar, also für den Lebensunterhalt direkt verwendbar sein. Eine Verwertbarkeit liegt auch dann vor, wenn es durch Verbrauch, Verkauf, Beleihung, Vermietung oder Verpachtung für den Lebensunterhalt genutzt werden kann. Von einer Verwertung kann nur dann abgesehen werden, wenn glaubhaft dargelegt wird, dass eine solche offensichtlich unwirtschaftlich wäre oder eine besondere Härte bedeuten würde. Zu Frage 3: Ehegattennachzug ist jeweils nur für einen Ehegatten zulässig. In besonders gelagerten Einzelfällen ist es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte nach Rechtsauffassung des Bundesministeriums des Innern denkbar, dass weitere Ehegatten als sonstige Familienangehörige ein Aufenthaltsrecht in Deutschland erhalten. Zudem können weitere Ehegatten ein eigenständiges Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen, etwa aufgrund der Familienbeziehung zu minderjährigen Kindern oder aufgrund eigenen Asylrechts , erhalten. Wegen der Vielzahl der möglichen Konstellationen ist keine verlässliche Auskunft oder Schätzung zur Zahl der Mehrehen möglich. Zu Frage 4: § 1306 BGB enthält als Konsequenz des unser Eherecht tragenden Grundsatzes der Einehe das Verbot der Doppelehe. Ob dieses Ehehindernis zum Tragen kommt, richtet sich nach Artikel 13 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Danach unterliegen die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Sofern es sich in dem geschilderten Fall um in Syrien zwischen syrischen Staatsangehörigen geschlossene Mehrehen handeln sollte, wäre deren Wirksamkeit nach dieser Bestimmung zu beurteilen. Eine im Ausland geschlossene Ehe ist in Deutschland grundsätzlich als wirksam anzusehen, wenn im Zeitpunkt der Eheschließung die materiell-rechtlichen Eheschließungsvoraussetzungen für beide Partner nach dem jeweiligen Heimatrecht vorlagen, bezüglich der Form das Heimatrecht beider Verlobter oder die Ortsform eingehalten wurde (Artikel 11 EGBGB) und die Anwendung des fremden Rechts nicht zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (Artikel 6 EGBGB: „Öffentliche Ordnung (ordre public)“). Der ordre public erfasst elementare Grundlagen der Rechtsordnung beziehungsweise eklatante Verstöße gegen die materielle Gerechtigkeit, wobei nicht jeder Widerspruch selbst zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts genügt. Ob ein solcher Verstoß vorliegt, kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände beurteilt werden. Zu den Fragen 5 und 6: Informationen über Ermittlungsverfahren sind mit Blick auf die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen grundsätzlich vertraulich zu behandeln. Parlamentarische Anfragen auf Grundlage von Artikel 89 a der Verfassung für Rheinland-Pfalz in Verbindung mit §§ 80 Abs. 2, 100 der Vorläufigen Geschäftsordnung des Landtags können daher nur im Rahmen einer vertraulichen Sitzung des Rechtsausschusses beantwortet werden. Zu Frage 5 ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass nur das Eingehen einer Doppelehe nach § 172 StGB strafbar ist, nicht jedoch die Fortsetzung einer im Ausland nach dortigem Recht geschlossenen Mehrehe in Deutschland. Zu Frage 7: Der schriftlichen Beantwortung dieser Frage stehen schutzwürdige Interessen des betroffenen Jugendlichen entgegen. Die Stellung eines Strafantrags besagt nichts darüber, ob dieser Anlass zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegeben hat oder geben wird, ob im Fall der Aufnahme von Ermittlungen die Ergebnisse zur Annahme eines hinreichenden Tatverdachts geführt haben oder führen werden und ob es in der Folge zu einer rechtskräftigen Feststellung der Schuld durch ein Gericht gekommen ist oder kommen wird. Bei einer Veröffentlichung der Antwort auf diese Frage oder bei Beantwortung dieser Frage in öffentlicher Sitzung des Landtags wäre eine Stigmatisierung des betroffenen Jugendlichen zu besorgen. Herbert Mertin Staatsminister