Drucksache 17/123 zu Drucksache 17/18 15. 06. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hedi Thelen und Dr. Peter Enders (CDU) – Drucksache 17/18 – Erstklässler mit Übergewicht Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/18 – vom 23. Mai 2016 hat folgenden Wortlaut: Laut des Berichtes der Rhein-Zeitung „Jeder zehnte Erstklässler hat Übergewicht“ vom 20. Mai 2016 hat im Kreis Mayen-Koblenz rund jeder zehnte Erstklässler bei der diesjährigen Schuleingangsuntersuchung Übergewicht. Seit 2005 ist nur ein sehr leichter Rückgang (um 0,7 Prozent) festzustellen. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie ist landesweit die Entwicklung bei der Zahl der übergewichtigen Erstklässler (bitte aufgeteilt nach Landkreisen und kreisfreien Städten) in den letzten zehn Jahren? 2. Wo liegen nach Ansicht der Landesregierung die Gründe für diese Entwicklung? 3. Wie hoch sind die jährlichen Ausgaben des Landes für Kindergesundheit jeweils in den letzten zehn Jahren? 4. Welche Maßnahmen zur Kindergesundheit werden seither durch das Land finanziert oder finanziell unterstützt? 5. Findet eine regelmäßige Überprüfung des Erfolgs der Maßnahmen statt und wie stellt sich diese dar? 6. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aufgrund der offensichtlich unzureichenden Wirkung der bisherigen Maßnahmen ? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 14. Juni 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: (Quelle: Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen des jeweiligen Einschulungsjahrganges.) Die Schuleingangsuntersuchung findet kurz vor der Einschulung im Alter zwischen circa 5½ und 6 Jahren statt. Die Gewichtsdaten der Kinder werden seit dem Schuljahr 2009/2010 standardisiert elektronisch erfasst. Seitdem hat sich der Anteil von insgesamt circa zehn Prozent übergewichtigen (einschließlich adipöser) Kindern bei geringen Schwankungen nicht geändert. Die in Deutschland aktuell gebräuchlichen Gewichtsperzentile für Kinder und Jugendliche wurden von Kromeyer-Hauschild et al. 2001 publiziert. Sie basieren auf gepoolten Daten aus 17 Studien, die zwischen den Jahren 1985 und 1999 in unterschiedlichen Regionen Deutschlands durchgeführt wurden. Dabei wurde festgelegt, dass der Wertebereich der 10 Prozent höchsten Werte (90. Perzentile) als Übergewicht gilt. Ein erhöhter Anteil an Übergewichtigen zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchung ist in Rheinland-Pfalz seit dem Jahr 2009 nicht erkennbar. Das Land hat nur die Möglichkeit, die kommunalen Gesundheitsdaten der Schuleingangsuntersuchung als aggregierten landesweiten Datensatz auszuwerten und darzustellen. Aufgrund der Kommunalisierung der Gesundheitsämter obliegt die Veröffentlichung landkreisbezogener Daten den jeweiligen Landkreisen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 29. Juni 2016 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Gewicht (BMI-Klasse) Einschulungsjahrgang 2009/2010 2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 Anteil in % Übergewicht 5,6 5,4 5,1 5,4 5,0 5,5 Adipositas 4,2 4,4 3,9 4,2 3,9 4,4 Drucksache 17/123 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode 2 Zu 2.: Eine Zunahme übergewichtiger Kinder ist in den letzten fünf Jahren landesweit zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchung nicht erkennbar. Zu 3.: Seit dem Jahr 2009 stehen alljährlich mindestens 3,1 Mio. Euro für Kindergesundheit zur Verfügung. In der Aufstellung zu den jährlichen Ausgaben des Landes für Kindergesundheit sind die Projekte erfasst, die sich mit ihrer Gesamtmaßnahme diesem Anliegen gewidmet haben. Nicht erfassbar waren Maßnahmen, die als Modul Gesundheitsförderung zum Thema hatten, wie zum Beispiel der Kita-Qualitätskongress, der im Jahr 2015 unter anderem auch das Thema „Bildung, Entwicklungsförderung, Gesundheit “ aufgegriffen hat. Nicht bezifferbar und isoliert darstellbar ist auch die Landesförderung für Fortbildungen zur Förderung der Kindergesundheit unterschiedlicher Maßnahmenträger im Zuge des Landesfortbildungsprogramms für Kitas. Zu 4.: Im Bereich der Ernährungsprävention werden vonseiten des Landes im Rahmen der Kampagne „Rheinland-Pfalz isst besser“ verschiedene Maßnahmen unterstützt, die sich gezielt an Kinder in Kitas und Schulen richten: Projekt „Kita isst besser“ Im Jahr 2013 wurde die Initiative „Kita isst besser“ gestartet, die Strukturen und Bewusstsein für die Verwendung frischer, gesunder, regionaler und ökologischer Produkte in Kindertagesstätten fördert. Die Themen rund um gesunde und nachhaltige Ernährung sollen ganzheitlich im Konzept aller Kitas fest und dauerhaft verankert und im Kitaalltag aktiv gestaltet werden. Im Zeitraum 2013 bis 2015 wurden 44 Kitas landesweit gecoacht. Mit dem Projekt konnten insgesamt 3 383 Kinder erreicht werden. EU-Schulobst- und -gemüseprogramm Das EU-Schulobst- und -gemüseprogramm startete in Rheinland-Pfalz im Schuljahr 2010/2011 und wurde im Jahr 2013 auf Kitas ausgeweitet. Seitdem erhalten die Kinder einmal pro Woche kostenlos frisches Obst oder Gemüse. Maßnahmen der Ernährungsbildung sind verpflichtender Bestandteil des Programms. Im Schuljahr 2014/2015 beteiligten sich über 1 000 Schulen und rund 1 800 Kitas mit zusammen rund 260 000 Kindern am Programm. Vernetzungsstelle Schul- und Kitaverpflegung Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung besteht seit dem Jahr 2009. Sie wurde im Jahr 2012 auf Kitas ausgeweitet. Ihr Ziel ist die Verbesserung der Verpflegung in Schulen und Kitas gemäß den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Hierzu führt sie unter anderem regionale Arbeitskreise, Workshops, Fachtage, Speiseplanchecks und Wettbewerbe durch. Die Vernetzungsstelle arbeitet mit den Ernährungsberaterinnen der sechs Dienstleistungszentren ländlicher Raum (DLR) zusammen und kann daher flächendeckend beraten. Unterrichtsreihe „ABC der Lebensmittel“ Für die Klassen 1 bis 4 der Grundschule hat die Ernährungsberatung der Dienstleistungszentren ländlicher Raum die Unterrichtsreihe „ABC der Lebensmittel“ entwickelt. Geschulte Honorarkräfte führen die Unterrichtsreihe jährlich in 75 Schulklassen im Land durch. Schulprojekt „Ernährung nachhaltig gestalten – Was ist unser Essen wert?“ Mit diesem Projekt wird seit dem Schuljahr 2014/2015 jährlich 50 Schulklassen landesweit eine zehnstündige Unterrichtseinheit zur Verfügung gestellt, die von den Lehrkräften im Wahlpflichtunterricht oder im Rahmen einer Projektwoche durchgeführt wird. Darüber hinaus wird ein Tag mit einem professionellen Partnerkoch eingeplant. Das Projekt wurde gemeinsam mit der Verbraucherzentrale und dem DEHOGA Rheinland-Pfalz entwickelt. Weitere Maßnahmen – Qualitätssiegel Bewegungskita Rheinland-Pfalz, Sportjugend Rheinland-Pfalz, – Bewegungsorientierte Gesundheitsförderung durch die Kooperation Kita-Sportverein, Sportjugend Rheinland-Pfalz, – Netzwerk „Regionaler Knoten: Kindergesundheit in sozial benachteiligten Lebenslagen“ (heute: Koordinierungsstelle „Gesundheitliche Chancengleichheit“, Landeszentrale für Gesundheitsförderung, – Sport mit muslimischen Mädchen und jungen Frauen, Sportjugend Rheinland-Pfalz, – Elterntraining, unter anderem zur Gesundheitsförderung, Landeszentrale für Gesundheitsförderung Rheinland-Pfalz, – Broschüre „Clever essen in der Kita – Tipps rund um die gesunde Ernährung“, Landeszentrale für Gesundheitsförderung, – Qualifizierungsoffensive der Sportjugend Rheinland-Pfalz (Psychomotorik in der Kita und Gesundheitstraining für Kinder), – Sport- und Bewegungsangebot zur Förderung einer gesundheitlichen Entwicklung in Spiel- und Lernstuben sowie Horten, Sportjugend Rheinland-Pfalz, Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/123 – Regionale Maßnahmen, wie – „Frühstücksbox Vitaminchen“ (Projekt zur Förderung gesunder Ernährung), Diakonisches Werk Idar-Oberstein, – Förderung der Gesundheitskompetenzen sozial benachteiligter Kinder, Armut und Gesundheit in Deutschland e. V., – Fortbildung zur musik- und bewegungspädagogischen Praxis, Landeszentrale für Gesundheitsförderung Rheinland-Pfalz, – Mittagsbetreuung im sozialen Brennpunkt, Ev. Kirchengemeinde Baumholder, – Projekt „Nordend Dancers“, Caritasverband Worms e. V., – Veranstaltung zur Gesundheitsförderung von und mit Kindern, Landeszentrale für Gesundheitsförderung Rheinland-Pfalz. Grundsätzlich gilt für den Kita-Bereich: Gesunde Ernährung, Bewegung und Entspannung sind wichtige Säulen der Gesundheitsförderung in der Kindertagesstätte. Für die konkrete träger- und einrichtungsspezifische Ausgestaltung ist im Sinne der Trägerautonomie der Träger der jeweiligen Kindertagesstätte verantwortlich. Grundlegend für die landesweite Qualitätsentwicklung sind die gemeinsam entwickelten Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz, die als wichtige Bildungs- und Erziehungsbereiche „Bewegung“ wie auch „Körper – Gesundheit – Sexualität“ ausweisen und Basis für die jeweiligen Maßnahmen, unter anderem in den Bereichen Ernährung, Bewegung und Entspannung, sind. Zu 5.: Die Maßnahmen werden regelmäßig evaluiert. Das Projekt „Kita isst besser“ wurde im Jahr 2015 umfassend extern evaluiert. Als zentrales Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Erwartungen der Erzieherinnen an das Projekt zu 85 Prozent absolut oder weitgehend erfüllt wurden. Rund die Hälfte der Erzieherinnen nahmen durch das Projekt deutliche Verhaltensänderungen bei den Kindern wahr. Verbesserungspotenzial wurde vor allem in der Elternarbeit gesehen. Die Umsetzung des EU-Schulobst- und -gemüseprogramms in Rheinland-Pfalz wird seit dem Start im Schuljahr 2010/2011 durch ein unabhängiges Institut evaluiert. Zentrales Element der bisherigen Evaluierung ist die wiederholte Befragung von Schülerinnen und Schülern an 13 Grundschulen. Auf Grundlage der bisherigen Evaluierungsergebnisse lässt sich als wichtigstes Ergebnis festhalten , dass die Schülerinnen und Schüler mit dem Programm insgesamt mehr Obst und Gemüse kennengelernt haben. Die Schülerinnen und Schüler essen häufiger Obst und Gemüse. Dies gilt insbesondere für Kinder in sozialen Brennpunkten. Die Arbeit der Vernetzungsstelle Schulverpflegung wurde im Jahr 2012 und wird erneut im Jahr 2016 extern evaluiert. Wichtigste Ergebnisse: 60 Prozent der befragten Schulträger haben das Angebot der Vernetzungsstelle noch nicht genutzt. Drei Viertel der Nichtnutzer gaben an, dass es bisher noch keinen Anlass dazu gab, einem Viertel fehlten ausreichende Informationen. Die Arbeit der Vernetzungsstelle wird von den Nutzern des Angebots durchschnittlich zwischen sehr gut und gut (Note 1,85) bewertet. Die Unterrichtsreihe „ABC der Lebensmittel“ wird seit Beginn kontinuierlich intern evaluiert. Die Zahlen zeigen eine steigende Zufriedenheit der Lehrkräfte: Bewerteten in den Jahren 2010 bis 2014 87 Prozent der Lehrkräfte die Unterrichtsreihe mit „gut“ oder „sehr gut“, so waren es im Schuljahr 2014/2015 92 Prozent und im Schuljahr 2015/2016 96 Prozent der Lehrkräfte. Das Schulprojekt „Was ist unser Essen wert?“ wird erstmals im Jahr 2016 evaluiert. Zu 6.: Auf der Basis der Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung lässt sich die Wirkung der bisherigen Maßnahmen nicht beurteilen, da zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchung landesweit bisher keine erhöhter Anteil an übergewichtigen Kindern zu finden ist. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin 3