Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 7. November 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1234 zu Drucksache 17/951 06. 10. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Christian Baldauf (CDU) – Drucksache 17/951 – Zwangsehen und Kinderehen Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/951 – vom 13. September 2016 hat folgenden Wortlaut: Zwangsehen und darunter auch die Kinderehen in Ländern mit anderer Rechtslage bewegen die Gemüter der Menschen. Aus diesen Ländern migrieren Menschen auch nach Rheinland-Pfalz. Es können sich deshalb Paare in Rheinland-Pfalz aufhalten, die in ihren Heimatländern eine Ehe mit Minderjährigen eingegangen sind. In diesem Problemfeld werden Gerüchte in den sozialen Netzwerken verbreitet, die Anlass zur Sorge bereiten. Ich frage die Landesregierung: 1. Ist der Landesregierung bekannt, ob Paare in Rheinland-Pfalz leben, bei denen ein Ehepartner, meist ein Mädchen, zum Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht das gesetzliche Mindestalter von 16 Jahren hatte? 2. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen derartige Ehen von Behörden in Rheinland-Pfalz als rechtsgültig akzeptiert wurden? 3. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen ein Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung zwischen 16 und 18 Jahre alt war und eine Anerkennung der Ehe erfolgte? Und ob dazu ein Familiengerichtsbeschluss vorlag, wie er von deutschen Staatsangehörigen in diesem Fall verlangt wird? 4. Sind Fälle bekannt, in denen der Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung das Schutzalter von 14 Jahren noch nicht erreicht hatte, aber Verwandte in sozialen Netzwerken von einer „erfolgreichen Hochzeitsnacht“ berichten? Oder auch ohne solche Berichte der kulturelle Kontext einen Verkehr zwischen den Eheleuten vor Erreichen der Altersgrenze wahrscheinlich erscheinen lässt? 5. Werden zu diesen möglichen Fällen des Gesetzesverstoßes, von Kindesmissbrauch und von Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention Überprüfungen der Familienstandsunterlagen von Einreisenden vorgenommen, unabhängig davon ob sie als Asylbewerber, Kontingentflüchtlinge oder Touristen ins Land kommen? Werden in solchen Fällen die Staatsanwaltschaften informiert ? 6. Wurden Einrichtungen der Flüchtlingshilfe, Unterkünfte und das Beherbergungsgewerbe auf die Rechtslage hingewiesen und zur Aufmerksamkeit aufgefordert, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu sichern? Das Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 6. Oktober 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Der Landesregierung liegen keine konkreten Erkenntnisse zu der Frage vor. Lediglich nach der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) hat es im Jahr 2012 einen Fall der Zwangsverheiratung gemäß § 237 Strafgesetzbuch gegeben, bei dem ein Opfer noch nicht 16 Jahre alt war. Im Übrigen verweist die Landesregierung auf den Bericht und die Aussprache im Landtagsausschuss für Gesellschaft, Integration und Verbraucherschutz am 6. September 2016 zum Thema „Ehen mit minderjährigen Mädchen in Rheinland-Pfalz“. Dort wurde vorgetragen, dass im Juni 2016 eine einmalige Sondererhebung in den Aufnahmeeinrichtungen für Asylbegehrende zu Kinderehen durchgeführt wurde. Es wurden folgende Zahlen ermittelt: – im Jahr 2014 12, – im Jahr 2015 98, – im Jahr 2016 28 (Stand 31. Mai 2016). Drucksache 17/1234 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Zu Frage 2: Der Landesregierung liegen hierüber keine Informationen vor. Zu Frage 3: Auf die Antwort zur Frage 1 der Kleinen Anfrage zu Kinderehen nach Scharia-Recht (Drucksache 17/254) wird verwiesen. Ergänzend wird ausgeführt, dass nach der Statistik der Eheschließungen des Statistischen Landesamtes für das Jahr 2015 sieben minder - jährige Frauen eine Ehe eingingen; davon waren zwei Frauen 16 und fünf Frauen 17 Jahre alt. Ehen von minderjährigen Männern wurden nicht beurkundet. Aktuelle Entscheidungen rheinland-pfälzischer Gerichte über die Anerkennung einer im Ausland geschlossenen Ehe mit einer Minderjährigen sind nicht veröffentlicht. Die Statistik der Vormundschaftsgerichte weist derartige Verfahren nicht gesondert aus. Angaben zu Fallzahlen können deshalb nicht gemacht werden. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Umgang des deutschen Rechts mit ausländischen Minderjährigen – und Mehrfachehen einberufen . Die Arbeitsgruppe soll die vielschichtigen hiermit zusammenhängenden Fragen aufarbeiten und vor allem zur Sicherstellung des Schutzes der betroffenen Kinder bis zum Jahresende Vorschläge zu möglicherweise notwendigen Änderungen unserer Rechtsordnung erarbeiten. Damit die Arbeitsgruppe eine fundierte Entscheidungsgrundlage hat, sind die Gerichte und Jugendämter um Berichte über aktuelle statistische Daten und tatsächliche Erkenntnisse gebeten worden. Zu Frage 4: Die Landesregierung beteiligt sich grundsätzlich nicht an Spekulationen in sozialen Netzwerken. Unbegleitete und verheiratete Kinder und Jugendliche werden durch die Jugendämter in Obhut genommen und auf Antrag entscheidet ein Familiengericht über die Vormundschaft. Zu Frage 5: Strafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, Straftaten bei Bestehen eines Anfangsverdachts von Amts wegen zu verfolgen (Legali - täts prinzip). Zu Frage 6: Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist der Landesregierung ein sehr wichtiges Anliegen. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und durch Veranstaltungen sensibilisiert und informiert die Landesregierung über die enorme Wichtigkeit des Schutzes von Kindern und Jugendlichen. Im Übrigen vollziehen die Landkreise und kreisfreien Städten die Aufnahme und Unterbringung von Asylbegehrenden nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Landesaufnahmegesetz in eigener Verantwortung als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung. Insofern ist ein gesonderter Hinweis zur Behandlung dieser Problematik seitens des MFFJIV an die zuständigen kommunalen Leistungsbehörden nicht ergangen, da von der behördlichen Kenntnis des geltenden Rechtsrahmens auszugehen ist. Anne Spiegel Staatsministerin