Drucksache 17/124 zu Drucksache 17/12 15. 06. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Wäschenbach (CDU) – Drucksache 17/12 – Unnötige Operationen bei Kindern und Jugendlichen Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/12 – vom 20. Mai 2016 hat folgenden Wortlaut: Der Versorgungsreport 2015 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK kommt zum Ergebnis, dass die gesundheitliche Versorgung der Kinder und Jungendlichen in Deutschland vorbildlich ist. Die Krankenkassen gehen aber davon aus, dass Kliniken auch unnötig operieren, um Investitionslücken zu schließen, für die eigentlich die Länder zuständig sind. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welchen Rückgang ergaben sich bei Mandel- und Blinddarmoperationen in Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren im Bundesvergleich ? 2. Welche konservativen Therapiemethoden werden bei Kindern und Jugendlichen der Operation vorgeschaltet? 3. Wie bewertet die Landesregierung die Annahme der Krankenkassen, dass zu viel operiert wird? 4. Welche präventiven und regulatorischen Maßnahmen können ergriffen werden, um die Anzahl unnötiger Operationen weiter zu verringern? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 14. Juni 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Zahl der Blinddarmoperationen im Zeitraum 2012 bis 2014 stellt sich in Rheinland-Pfalz wie folgt dar: Lt. OPS 5-470 (Appendektomie) 2012: 5 623 Fälle, davon 2 719 unter 20 Jahren, 2013: 5 566 Fälle, davon 1 869 unter 20 Jahren, 2014: 5 283 Fälle, davon 1 721 unter 20 Jahren. Lt. OPS 5-471 (Simultane Appendektomie) 2012: 811 Fälle, davon 49 unter 20 Jahren, 2013: 793 Fälle, davon 44 unter 20 Jahren, 2014: 881 Fälle, davon 49 unter 20 Jahren. Die Zahl der Mandeloperationen im Zeitraum 2012 bis 2014 stellt sich in Rheinland-Pfalz wie folgt dar: Lt. OPS 5-281 (Tonsillektomie ohne Adenotomie) 2012: 3 277 Fälle, davon 1 497 unter 20 Jahren, 2013: 3 031 Fälle, davon 1 332 unter 20 Jahren, 2014: 3 014 Fälle, davon 1 350 unter 20 Jahren. Lt. OPS 5-282 (Tonsillektomie mit Adenotomie) 2012: 1 732 Fälle, davon 1 457 unter 20 Jahren, 2013: 1 562 Fälle, davon 1 284 unter 20 Jahren, 2014: 1 513 Fälle, davon 1 230 unter 20 Jahren. Die voranstehenden Angaben beruhen auf Abrechnungsdaten der Krankenhäuser. Referenzdaten außerhalb des Bundeslandes Rheinland-Pfalz liegen der Landesregierung nicht vor. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 29. Juni 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/124 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Zu 2.: Nach der Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF-Leitlinie) ist der Mandeloperation (Tonsillektomie/Tonsillotomie) im Kindesalter die konservative Behandlung der Mandelentzündung (Tonsillitis) mit Schmerzmitteln und – bei bakterieller Infektion – mit Antibiotika vorangestellt. Erst nach wiederholtem Auftreten ärztlich diagnostizierter und mit Antibiotika therapierter eitriger Mandelentzündungen oder Komplikationen, wie extremer Vergrößerung der Mandeln, ist eine Indikation zur Operation gegeben. Lässt sich der Verdacht auf eine akute Blinddarmentzündung (Appendizitis) nicht mit hinreichender Sicherheit diagnostisch ausschließen , ist im Kindesalter grundsätzlich die Indikation zur Operation gegeben. Laut Deutscher Gesellschaft für Kinderchirurgie gibt es derzeit keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass im Kindesalter eine abwartende konservative Behandlung (Bettruhe, Antibiotikatherapie, Nahrungskarenz und laborchemische Kontrollen) der Operation vorzuziehen ist. Zu 3.: Nach der Berufsordnung haben Ärztinnen und Ärzte ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen bei ihrer Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Sie haben dabei ihr ärztliches Handeln am Wohl der Patientinnen und Patienten auszurichten. Insbesondere dürfen sie nicht das Interesse Dritter über das Wohl der Patientinnen und Patienten stellen. Eine gewissenhafte Ausübung des Berufs erfordert insbesondere die notwendige fachliche Qualifikation und die Beachtung des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse. Ärztinnen und Ärzte dürfen hinsichtlich ihrer ärztlichen Entscheidungen keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen. Die Landesregierung geht davon aus, dass die rheinland-pfälzischen Ärztinnen und Ärzte sich entsprechend verhalten und keine medizinisch nicht notwendigen Operationen durchführen. Zu 4.: Die Entscheidung, ob im jeweiligen Einzelfall eine konservative oder operative Therapie angezeigt ist, ist durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt zu treffen. Sie ist Teil der ärztlichen Therapiefreiheit, in die die Landesregierung nicht eingreifen kann. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sind dafür verantwortlich, dass die Patientinnen und Patienten eine auf einer korrekten Indikationsstellung basierenden und dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Behandlung erhalten. Unterschiedliche Schweregrade und Verlaufsformen sind dabei zu berücksichtigen. Fortbildungsangebote der Ärztekammern und der ärztlichen Berufsverbände sowie evidenz-basierte Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften können einen wichtigen Beitrag zur Optimierung der Behandlungsqualität leisten und so präventive Wirkung entfalten. Die Patientinnen und Patienten sollten sich nicht scheuen, ihre Ärztin oder ihren Arzt zu fragen, welche Alternativen zu einer Operation bestehen und welche Risiken der Eingriff mit sich bringt. Vielfach kann es auch sinnvoll sein, eine zweite Meinung bei einer anderen Ärztin oder einem anderen Arzt einzuholen. Der Bundesgesetzgeber hat das Recht auf eine Zweitmeinung mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz unterstützt: Nach § 27 b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erhalten gesetzlich Krankenversicherte bei bestimmten mengenanfälligen planbaren Eingriffen einen Anspruch auf die Einholung einer unabhängigen ärztlichen Zweitmeinung. Krankenkassen, die vermuten, dass einzelne Operationen nicht aus medizinischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen erfolgen, haben die Möglichkeit, diese Fälle durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung überprüfen zu lassen. Die Ärztinnen und Ärzte des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin