Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 28. November 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1365 zu Drucksache 17/1098 18. 10. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) – Drucksache 17/1098 – Entsorgungsengpässe bei Styropor Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1098 – vom 23. September 2016 hat folgenden Wortlaut: Der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V. warnt in einer Pressemitteilung vom 16. September 2016 vor einem „Entsorgungsnotstand“ bei flammschutzbehandeltem Styropor. Kapazitätsengpässe führen inzwischen offenbar bereits dazu, dass kleine und mittelständische Entsorgungsunternehmen keine oder nur noch geringe Abfallmengen bei den Müllverbrennungsanlagen anliefern dürfen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über die Situation der Entsorgung von flammschutzbehandeltem Styropor in Rheinland-Pfalz vor? 2. Welche Auswirkung hat die ab dem 30. September 2016 gültige Einstufung von Polystyrolmaterialien (Styropor), die mit dem Flammhemmschutz HBCD behandelt sind, als „gefährlicher Abfall“? 3. Welche fachliche Begründung liegt vor, flammschutzbehandeltes Styropor von ungefährlichem Abfall zu einem gefährlichen Abfall umzudefinieren? 4. Ist eine ausreichende Entsorgung des flammschutzbehandelten Styropors nach dem 30. September 2016 in Rheinland-Pfalz sicher - gestellt? 5. Gibt es Erkenntnisse darüber, dass zusätzliche Importe aus anderen europäischen Ländern zu Entsorgungsengpässen in Rheinland -Pfalz führen? 6. Gibt es eine Alternative zur Verbrennung des flammschutzbehandelten Styropors? Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 16. Oktober 2016 wie folgt beantwortet: Zu den Fragen 1 und 4: Im Mai 2013 wurde das Flammschutzmittel HexaBromCycloDodecan (HBCD) unter der internationalen Stockholm-Konvention als persistenter, also in der Umwelt schwer abbaubarer, organischer Schadstoff (POP) identifiziert. HBCD wurde im Baubereich in expandiertem Polystyrol (EPS, umgangssprachlich häufig mit dem Markenname Styropor bezeichnet) mit etwa 7 000 mg/kg und in extrudiertem Polystyrol (XPS) mit etwa 15 000 mg/kg eingesetzt. Anlässlich der EffNet-Veranstaltung „Ressourceneffiziente Kunststoffwirtschaft“ am 28. Mai 2014 beim Unternehmen Schütz in Selters wurde auf die Umstellung der Polystyrol-Dämmstoffhersteller auf das weniger schädliche Flammschutzmittel Poly-FR hingewiesen. Bei der Vorstellung des UBA-Forschungsvorhabens „Ermittlung von potenziell POP-haltigen Abfällen und Recyclingstoffen – Ableitung von Grenzwerten“ wurde am 19. August 2014 in Berlin über Verbrennungsversuche in der HMV Würzburg berichtet. Demnach ist eine Verbrennung der hochkalorischen Polystyrol-Abfälle in Hausmüllverbrennungsanlagen bei entsprechend guter Durchmischung der Abfälle bis zu 2 Prozent Masseanteil möglich. In Rheinland-Pfalz haben alle relevanten Müllverbrennungsanlagen die Genehmigung, diesen Abfall zu verbrennen: Das Müllheizkraftwerk Mainz kann seit Langem HBCD-haltiges Polystyrol (Abfallschlüssel 17 06 03*, 17 09 03* sowie 15 01 10*) annehmen. Die Mengengrenze wurde mit maximal 0,5 bis 1 Prozent angegeben und muss in der Praxis überprüft werden. Das Müllheizkraftwerk Ludwigshafen kann seit dem 10. Oktober 2016 HBCD-haltiges Polystyrol unter dem Schlüssel 17 06 03* annehmen und steht ausschließlich ihren öffentlich-rechtlichen Mitgliedern zur Gewährleistung von Entsorgungssicherheit zur Verfügung . Drucksache 17/1365 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Das Industrieheizkraftwerk Andernach hat eine Zulassung zur Annahme von HBCD-haltigem Polystyrol im Ersatzbrennstoff- Gemisch. Ein geringer Anteil von Polystyrol kann auch im Zementwerk Göllheim mitverbrannt werden. Die Entsorgung ist daher nicht eingeschränkt. Zu Frage 2: Gewerbebetriebe übergeben ihre Abfälle in der Regel privaten Entsorgern. Die Entsorger lehnen derzeit häufig die Annahme von HBCD-haltigen und teilweise auch HBCD-freien Polystyrolabfällen ab. Dieses Vorgehen der Entsorger führt zu einer misslichen Entsorgungssituation: ggf. Entsorgung kleinerer Mengen über die Restabfalltonne, unerwünschte Abfall-Zwischenlagerung, aufwändige Suche nach neuen Entsorgern für HBCD-haltiges Polystyrol. Zu Frage 3: Bei der Novelle der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) vom 4. März 2016 haben sich die Länder im Bundesrat auf die POP- Verordnung (EG) Nr. 850/2004 berufen, da gemäß dieser europäischen Vorgabe ein persistenter Schadstoff (POP) nachweislich zerstört oder unumkehrbar umgewandelt werden muss. Abfälle, die so kritisch sind, dass sie im Hinblick auf eine Zerstörung oder unumkehrbare Umwandlung der enthaltenen POP aus dem Wirtschaftskreislauf auszuschleusen sind, werden als gefährlich angesehen. Gefährliche Abfälle unterliegen u. a. dem abfallrechtlichen Nachweisverfahren. Zudem enthalten alte extrudierte Polystyrol- Abfälle zusätzlich fluorchlorkohlenwasserstoffhaltige Treibmittel, die als extrem ozon- und klimaschädlich gelten. Zu Frage 5: Derzeit sind nahezu alle Abfallverbrennungsanlagen in Deutschland – teilweise wegen der Importe aus anderen Ländern – ausgelastet. Das mindert das Interesse der Betreiber von Abfallverbrennungsanlagen ganz erheblich, die Zulassung eines (jetzt als gefährlich eingestuften) Abfalls zu beantragen sowie das Interesse, problematischere Abfallarten mit dem abfallrechtlichen Nachweisverfahren anzunehmen. Rheinland-Pfälzische Hausmüllverbrennungsanlagen nehmen allerdings kaum Abfälle aus dem Ausland an. Zu Frage 6: Sauberer Verschnitt von Polystyrolschaum (ohne HBCD) kann an den Hersteller zurückgegeben und dort direkt in der Produktion eingesetzt werden (Recycling). Verfahren zur Abtrennung von Schad- und Störstoffen in Polystyrol-Abfällen, mit dem Ziel, Verunreinigungen und Flammschutzmittel (HBCD oder Poly-FR) aus dem Material selektiv zu entfernen, sind in Erprobung. Allerdings sind diese Verfahren noch nicht marktfähig und es bleibt abzuwarten, ob diese ökonomisch und ökologisch überzeugen können. In Vertretung: Dr. Thomas Griese Staatssekretär