Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 31. Oktober 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1416 zu Drucksache 17/1221 26. 10. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Enders und Hedi Thelen (CDU) – Drucksache 17/1221 – Einsatz von Notärzten an rheinland-pfälzischen Krankenhäusern nach der aktuellen Rechtsprechung zur Scheinselbstständigkeit von Honorar-Notärzten Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1221 – vom 6. Oktober 2016 hat folgenden Wortlaut: Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte mit Urteil vom 28. April 2015 entschieden, dass die Beschäftigung von Honorar-Notärzten als scheinselbstständige Beschäf tigung einzustufen sei. Diese Entscheidung ist nunmehr rechtskräftig, indem das Bundes sozialgericht die Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision abgewiesen hat. Nach einem Bericht des SWR vom 20. September 2016 befürchten die Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz erhebliche Probleme dadurch. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche insbesondere rechtlichen, finanziellen und praktischen Probleme entstehen rheinland-pfälzischen Krankenhäusern angesichts der aktuellen Rechtsprechung zur Schein selbständigkeit von Notärzten beim Einsatz sogenannter Honorar-Ärzte als Notärzte? 2. Welche Bedeutung haben Honorar-Notärzte in rheinland-pfälzischen Krankenhäusern für die Sicherstellung der Notfallversorgung ? 3. Welche Folgen drohen aufgrund der aktuellen Rechtsprechung zur Scheinselbstständigkeit von Notärzten für die Notarztversorgung der Menschen in Rheinland-Pfalz, wenn die Problematik ungelöst bleibt? 4. Welches ist der Stand der Bemühungen, um im Sinne der Forderung der CDU-Fraktion nach dem Vorbild Österreichs die notwendigen rechtlichen Klarstellungen und Rege lungen zu schaffen, die sicherstellen, dass die honorarärztliche Notarzttätigkeit nicht mehr als Scheinselbstständigkeit eingeordnet werden kann? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die gesetzliche Rentenversicherung geht davon aus, dass die honorarärztliche Tätigkeit als Notarzt regelmäßig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis erfolgt. Eine höchstrichterliche Klärung zu dieser Fallgruppe gibt es nicht. Die Rechtsprechung der Landessozialgerichte ist uneinheitlich. Sofern die Rentenversicherung ihre Auffassung durchsetzen könnte, wären für zurückliegende Zeiträume Nachforderungen an die Sozialversicherungen möglich, die in der Regel nahezu vollständig von den Krankenhäusern als Arbeitgeber zu tragen wären. Ferner wär davon auszugehen, dass Notärzte zukünftig als abhängig Beschäftigte anzusehen sind. Die finanziellen Konsequenzen wären für die Beteiligten überschaubar, da sich die Ärzte ohnehin von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen können. Auch in der Kranken- und Pflegeversicherung dürfte sich in der Regel keine zusätzliche Beitragsbelastung ergeben, weil Ärzte im Normalfall entweder privat oder aber freiwillig gesetzlich versichert sind. Der gegebenenfalls verbleibende Sozialversicherungsbeitrag zur Arbeitslosenversicherung ist wirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung. Für die Frage, inwiefern die betroffenen Notärzte arbeitsrechtlich als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind, bestehen bei der Statusabgrenzung im Sozialversicherungsrecht und im Arbeitsrecht zwar Parallelen. Eine zwingende Ausstrahlung vom Sozialversicherungsrecht ins Arbeitsrecht gibt es jedoch nicht. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit zu den in Rede stehenden Fallgruppen ist der Landesregierung nicht bekannt. Drucksache 17/1416 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in einem Beschluss im Jahr 2010 bei einem Arzt, der in einer Bereitschaftsdienstzentrale auf Honorarbasis Bereitschaftsdienst leistet, das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses in der der Entscheidung zugrunde liegenden Konstellation abgelehnt. Im Fall eines im Luftrettungsdienst tätigen Rettungsarztes hat das Landesarbeitsgericht Hamm im Jahr 2007 ebenfalls entschieden, dass kein Arbeitsverhältnis vorliegt. Sollte sich zukünftig ergeben, dass honorarärztlich tätige Notärzte als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind, hätte dies verschiedene arbeitsrechtliche Konsequenzen, unter anderem die Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes. Zu Frage 2: Derzeit werden neben den angestellten Ärzten häufig Notärzte auf freiberuflicher Basis beschäftigt. In der Gruppe dieser sogenannten „Freelancer“ gibt es Personen, die ausschließlich freiberuflich arbeiten, jedoch finden sich darunter auch Ärzte, die beispielsweise bei einem anderen Arbeitgeber abhängig beschäftigt sind (Nebentätigkeit als Notarzt). Eine Studie von Fraunhofer IESE im Auftrag des rheinland-pfälzischen Innenministeriums aus dem Jahre 2013 kam zu folgendem Ergebnis zu den Beschäftigungsformen von Notärzten in Rheinland-Pfalz: An 48 Prozent der Standorte ist die notärztliche Tätigkeit „klassische“ Dienstaufgabe von Klinikärzten. Bei 19 Standorten (25,7 Prozent) ist dieses Beschäftigungsmodell das ausschließliche . 43 Standorte (58,1 Prozent) nutzen eine Kombination von Beschäftigungsmodellen. Insgesamt existieren 14 unterschiedliche Kombinationen von Beschäftigungsmodellen. 32 Standorte (43,2 Prozent) greifen in irgendeiner Form auf Honorarärzte zurück, 23,4 Prozent sogar ausschließlich. An 18,6 Prozent der Standorte wird die Notarzttätigkeit als Nebentätigkeit charakterisiert. Des Weiteren wird festgestellt, dass die höchste Rate an Standorten, bei denen die Notarzttätigkeit Dienstaufgabe ist, in Orten über 50 000 Einwohner (66,4 Prozent) gegeben ist, die niedrigste in Städten unter 5 000 Einwohner (10,6 Prozent). Die entgegengesetzte Aussage gilt für die Beschäftigung von Honorarärzten, die besonders in Städten unter 50 000 Einwohnern zum Einsatz kommen (32,7 Prozent). Diese Zahlen belegen, dass der Einsatz von Honorarärzten gerade in den ländlichen Gebieten von hoher Be deutung ist. Zu Frage 3: Die uneinheitliche Rechtsprechung zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Honorarärzten im notärztlichen Rettungsdienst wird wahrscheinlich auf absehbare Zeit dazu führen, dass die Deutsche Rentenversicherung solche Tätigkeiten auch in Rheinland- Pfalz als abhängige Beschäftigung ansehen wird. Es ist davon auszugehen, dass auch in Rheinland-Pfalz die Bereitschaft der Dienstübernahme von Notärzten mit Honorarverträgen sinken würde, wenn diese Dienstübernahme im Gegensatz zum bisherigen Verständnis der Beteiligten nicht mehr als selbstständige Tätigkeit einzustufen wäre Dies gilt insbesondere bei Notarztstandorten an Krankenhäusern. Das bisherige System hatte für große Flexibilität gesorgt. Es ist zu befürchten, dass sich die meisten Notärzte nicht nebenberuflich anstellen lassen wollen beziehungsweise können. Zu Frage 4: Die Landesregierung handelt aus eigenem Interesse und Antrieb, um der entstandenen Beunruhigung bei der Notarztversorgung entschieden entgegenzuwirken. Der Ministerrat hat am 4. Oktober 2016 beschlossen, eine Bundesratsinitiative vorzubereiten, in der die Bundesregierung zu einer bundesrechtlichen Lösung aufgefordert werden soll. Diese Lösung könnte sich am Ergebnis der Gesetzesänderungen in Österreich orientieren. Bei der Erarbeitung und Einbringung der Bundesratsinitiative wird die rheinland-pfälzische Landesregierung nach Möglichkeit mit anderen Landesregierungen zusammenarbeiten, die das gleiche Ziel verfolgen. Um die Auswirkungen auf die notärztliche Versorgung in Rheinland-Pfalz zu besprechen, haben das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie und das Ministerium des Innern und für Sport die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz und den Landkreistag als Vertreter der zuständigen Behörden für den Rettungsdienst zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin