Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 29. November 2016 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1417 zu Drucksache 17/1186 26. 10. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) – Drucksache 17/1186 – Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende Diez Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1186 – vom 4. Oktober 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen einen Asylbewerber aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Diez. Der 18 Jahre alte Afghane soll am 21. September 2016 einen Mitbewohner mit einem Messer schwer verletzt haben. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Hintergrundinformationen liegen der Landesregierung zu dem Vorfall vom 21. September 2016 in der Erstaufnahmeeinrichtung in Diez vor? Wie ist der Aufenthaltsstatus des 18-jährigen Afghanen? 2. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass jemand, der einen anderen Menschen mit einem Messer schwer verletzt, sein Recht auf Asyl verwirkt hat? Wenn nein, warum nicht? 3. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, damit solche Vorfälle zukünftig verhindert werden können (z. B. Sicherung durch Kräfte der Bereitschaftspolizei)? 4. Wie viele Polizeieinsätze fanden in der AfA Diez in den Jahren 2015 und 2016 statt und was waren die Gründe für die Polizeieinsätze ? 5. Welche Maßnahmen werden zum Schutz der Bediensteten in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Diez ergriffen? 6. Erhalten die Bediensteten der Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbegehrende eine Gefahrenzulage für ihre Tätigkeiten? Wenn nein, warum nicht? 7. Wie viele Flüchtlinge sind aktuell in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Diez untergebracht (bitte aufgegliedert nach Staatsangehörigkeiten)? Das Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 25. Oktober 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: In der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende Diez gab es zwischen Opfer und Täter zuvor keine besonderen Vorkommnisse. Die Personen haben seit ihrer Aufnahme im Mai 2016 in Diez gemeinsam ein Zimmer bewohnt und sind in keiner Weise auffällig in Erscheinung getreten. Auch Streitigkeiten zwischen den Personen, die zur Eskalation geführt haben könnten, waren weder dem Sozialdienst noch dem Sicherheitsdienst im Vorfeld bekannt. Aufgrund der noch laufenden polizeilichen Ermittlungen durch die Kriminaldirektion Koblenz, kann zu diesem Zeitpunkt noch keine abschließende Aussage zu einem konkreten Tatmotiv getroffen werden. Der Aufenthaltsstatus des Beschuldigten ist noch nicht geklärt. Zu Frage 2: Das Grundgesetz gewährt in Artikel 16 a Abs. 1 GG allen politisch Verfolgten ein subjektives verfassungsmäßiges Recht auf Asyl. Die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung von Straftätern schließt diese nicht automatisch von dem verfassungsmäßigen Recht auf Asyl aus. Ein bestehendes Aufenthaltsrecht wird hierdurch ebenfalls nicht ohne Weiteres verwirkt. Vielmehr sind hierbei gemäß § 53 Aufenthaltsgesetz die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Gemäß § 73 i. V. m. § 3 Abs. 4 Asylgesetz kann die Asylberechtigung und die Flüchtlingseigenschaft durch das BAMF widerrufen werden, wenn u. a. die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Aufenthaltsgesetz vorliegen. § 60 Abs. 8 Aufenthaltsgesetz ist anwendbar, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens Drucksache 17/1417 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode 2 oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von dem Abschiebungsverbot kann ferner abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist. Die Prüfung dieser Rechtsnormen sowie die anschließende Entscheidung über den jeweiligen Einzelfall unterliegen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Landesregierung hat auf die Entscheidung über den Asylantrag oder die Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes gegen das Ausländerrecht keinen Einfluss. Bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der vollständigen Aufhebung des Abschiebungshindernisses hat die Landesregierung jedoch erhebliche Bedenken, da mit der Aufhebung des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 8 Aufenthaltsgesetz, der nach der gängigen Rechtsprechung das Asylgrundrecht des Artikel 16 a Abs. 1 GG beinhaltet, das Ziel des primären humanitären Verfolgungsschutzes vollständig beseitigt wird. Zu Frage 3: Die Zusammenarbeit zwischen dem Wachunternehmen und der EG Migration vor Ort sowie der Polizeiinspektion Diez verläuft seit Eröffnung der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Diez sehr gut. In den Wohngebäuden ist rund um die Uhr jeweils ein Mitarbeiter des Wachdienstes eingesetzt. Zusätzlich wird durch die regelmäßige Bestreifung des Geländes und der Unterkunftsgebäude bereits präventiv eine deeskalierende Wirkung erzeugt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialen Dienstes legen großen Wert auf regelmäßige Gespräche mit allen Bewohnerinnen und Bewohnern, um frühzeitig auf entstehende Probleme aufmerksam zu werden und mögliche Lösungswege aufzuzeigen, damit durch die schnelle Reaktion des Sozialen Dienstes in Kooperation mit dem Wachdienst und dem Einrichtungsleiter eine Eskalation vermieden werden kann. Zu Frage 4: In den Jahren 2015 und 2016 kam es bislang zu insgesamt 202 polizeilichen Einsätzen in der AfA Diez. Die Einsatzanlässe waren sowohl repressiver als auch präventiver Art. Bei den festgestellten Straftaten handelte es sich überwiegend um Rohheits- und Eigentumsdelikte. Zu Frage 5: In allen Gebäuden der Aufnahmeeinrichtung in Diez sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes präsent. Auch die EG-Migration ist vor Ort für alle Bediensteten in der Aufnahmeeinrichtung ansprechbar. Weiterhin hat die Landesregierung ein spezielles Gewaltschutzkonzept erarbeitet, welches auch in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Diez umgesetzt wird. Das Gewaltschutzkonzept beinhaltet Maßnahmen zum Schutz vulnerabler Gruppen; gleichzeitig ist es auf alle Personen, die in der Aufnahmeeinrichtung untergebracht sind sowie auf den Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen ausgerichtet. Zu Frage 6: Die Zahlung von Zuschlägen ist für Beschäftigte in § 19 TV-L umfassend und abschließend geregelt worden. § 19 Abs. 1 Satz 1 TV-L verdeutlicht den Grundsatz, dass nur für Arbeiten, die außergewöhnliche Erschwernisse beinhalten ein Zuschlag gezahlt wird. Hiervon sind Arbeiten mit regelmäßiger besonderer Gefährdung, mit extremer nicht klimabedingter Hitzeeinwirkung, mit besonders starker Schmutz- und Staubbelastung, mit besonders starker Strahlenexposition oder sonstigen vergleichbar erschwerenden Umständen erfasst. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Eingrenzung auf außergewöhnliche Erschwernisse zum Ausdruck gebracht, dass nicht jeder widrige Umstand, der bei der Ausführung der Arbeiten anfällt, mit einem Erschwerniszuschlag bedacht werden kann. Für Beamte und Beamtinnen hat auch die Erschwerniszulagenverordnung (LEZulV) keine Anknüpfungspunkte, da hier lediglich Regelungen für den Dienst zu ungünstigen Zeiten, der Tauchtätigkeit, der Sprengstoffentschärfung, der Wechselschichttätigkeit, für fliegendes Personal oder für besondere Einsätze des Polizeidienstes erfasst sind. Es bleibt festzuhalten, dass Erschwernisse, die mit dem Berufs- und Tätigkeitbild verbunden sind und bereits der Eingruppierung zugrunde liegen, nicht zuschlagsfähig sind. Zu Frage 7: In der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Diez sind aktuell 600 Asylbegehrende untergebracht. Differenzierungen nach Herkunftsländern können der Anlage entnommen werden. Anne Spiegel Staatsministerin Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/1417 Anlage zu Frage 7 (Stand: 10. Oktober 2016.) 3 Herkunftsland Anzahl Afghanistan 75 Ägypten 21 Albanien 33 Algerien 29 Äquatorialguinea 1 Armenien 31 Aserbaidschan 51 Bosnien Herzegowina 19 Eritrea 85 Georgien 6 Ghana 1 Irak 5 Iran 30 Kosovo 2 Libyen 1 Marokko 47 Mazedonien 7 Pakistan 50 Russland 24 Serbien 7 Somalia 30 Syrien 44 Ukraine 1 Gesamt 600