Drucksache 17/1419 zu Drucksache 17/1227 26. 10. 2016 A n t w o r t der Bevollmächtigten des Landes beim Bund und für Europa, für Medien und Digitales auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Heiko Sippel und Marc Ruland (SPD) – Drucksache 17/1227 – Entscheidung des EuGH zur Störerhaftung für WLAN-Zugänge Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1227 – vom 6. Oktober 2016 hat folgenden Wortlaut: Am 15. September 2016 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein auch für Rheinland-Pfalz wichtiges Urteil zu Fragen der WLAN-Störerhaftung verkündet. Im Ausgangsverfahren vor dem Landgericht München I ist die Frage zu entscheiden, ob die Betreiber frei zugänglicher WLAN-Netze für Rechtsverstöße ihrer Nutzerinnen und Nutzer zu haften haben. Das Landgericht hat im Verlauf dieses Verfahrens jedoch die Auslegung von EU-Recht für entscheidungserheblich gehalten und seine diesbezüglichen Fragen deshalb dem EuGH zur Klärung vorgelegt. Hierzu fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Konsequenzen ergeben sich aus den im EuGH-Urteil konkretisierten europarechtlichen Vorgaben auf die Rechtslage in Deutschland? 2. Aus welchen Gründen könnte sich die Rechtslage hinsichtlich privater, öffentlicher oder gewerblicher Anbieter von WLAN- Zugängen nun unterschiedlich darstellen? 3. Wie bewertet die Landesregierung diese Rechtslage mit Blick auf das politische Ziel, die Ausweitung von WLAN-Netzen frei von Zugangshemmnissen zu fördern? 4. Sieht die Landesregierung aufgrund der Entscheidung des EuGH einen nationalen Rege lungsbedarf? Die Bevollmächtigte des Landes beim Bund und für Europa, für Medien und Digitales hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Entscheidung des EuGH vom 15. September 2016 (Rs. C-484/14) betrifft den Bereich der sogenannten mittelbaren Haftung („Störerhaftung“) eines WLAN-Anbieters, also die Fälle, in denen Dritte das Kommunikationsnetz zur Rechtsverletzung benutzt haben. Nur insofern kann die Entscheidung Auswirkungen auf die nationale Rechtslage in Deutschland haben. Hinsichtlich der Konsequenzen auf die Störerhaftung in Deutschland ist zu differenzieren: a) Mit Blick auf Schadensersatzhaftung hat der EuGH festgehalten, dass ein WLAN-Anbieter nicht haftet, wenn die in Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis c der Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-RL) genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Das ist dann der Fall, wenn der Diensteanbieter die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht auswählt und die übermittelten Informationen nicht auswählt oder verändert. Der EuGH entschied in diesem Zusammenhang auch, dass ein Ersatz von Rechtsverfolgungskosten nicht verlangt werden kann, wenn ein Schadensersatzanspruch wegen der Haftungsfreistellung ausscheidet. Da die Voraussetzungen des Artikel 12 Absatz 1 der E-Commerce-Richtlinie mit denen des § 8 Absatz 1 Telemediengesetz (TMG) weitgehend übereinstimmen, ergeben sich aus der Entscheidung des EuGH insofern keine Konsequenzen auf die nationale Rechtslage in Deutschland. Die Tatsache, dass die in einem Rechtsstreit unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, ist ein allgemeiner prozessualer Grundsatz (vgl. z. B. § 91 Absatz 1 der Zivilprozessordnung), sodass die EuGH-Entscheidung auch hier keine Änderung der nationalen Rechtslage mit sich bringt. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 29. November 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1419 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode b) Im Übrigen hat der EuGH klargestellt, dass eine Haftung auf Unterlassung im Einklang mit Artikel 12 Absatz 1 der E-Commerce -RL möglich ist. Dieses Ergebnis entspricht angesichts des Artikel 12 Absatz 3 der E-Commerce-Richtlinie sowie der Vorgaben des Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie 2001/29/EG und des Artikel 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG nach Auffassung der Landesregierung bereits jetzt der aktuellen Rechtslage in Deutschland. Die Entscheidung, welche Maßnahme dem WLAN-Anbieter im Einzelfall auferlegt werden kann, hat der Gesetzgeber weder in § 8 Absatz 1, 2 TMG selbst noch in der Gesetzesbegründung festgelegt. Der EuGH sieht in der Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort eine zum Schutz des geistigen Eigentums erforderliche Maßnahme, die einem gewerblichen WLAN-Anbieter auferlegt werden kann. Zu Frage 2: Die Entscheidung des EuGH betrifft einen Fall der Haftung eines gewerblichen WLAN-Anbieters. Die Entscheidung, ob ein Pass - wortschutz einem Anbieter verhältnismäßigerweise auferlegt werden kann, ist eine Abwägungsentscheidung, die vom Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls getroffen wird. Nach Auffassung der Landesregierung gehört die Frage, welche Ziele ein WLAN-Anbieter mit seiner Tätigkeit verfolgt, ob er z. B. gewerblich handelt oder mit seinem WLAN-Angebot öffentliche Aufgaben wahrnimmt, zu den Umständen des Einzelfalls, die eine unterschiedliche Entscheidung rechtfertigen können. Zu Frage 3: Die mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes vorgenommene weitgehende Abschaffung der Störerhaftung für WLAN-Anbieter ist als erster Schritt geeignet, zur Rechtssicherheit beizutragen und das politische Ziel der Ausweitung von WLAN-Netzen zu fördern. Der Umstand, dass eine Unterlassungshaftung weiterhin möglich ist, ist europarechtlich determiniert und verfassungsrechtlich geboten. Es obliegt nun dem Gesetzgeber, die weitere Entwicklung zu beobachten. Zu Frage 4: Die Landesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit für ein gesetzgeberisches Tätigwerden, da kein Verstoß gegen das EU-Recht vorliegt. Ein Verstoß gegen das EU-Recht wäre anzunehmen, wenn der Erlass gerichtlicher Anordnungen gegen WLAN-Anbieter zum Schutz geistigen Eigentums nicht möglich wäre. § 8 TMG steht dem Erlass gerichtlicher Anordnungen jedoch – insbesondere bei seiner richtlinienkonformen Auslegung – nicht entgegen. Der EuGH stellte fest, dass einem WLAN-Anbieter die Sicherung seines Netzwerks durch ein Passwort im Wege einer gerichtlichen Anordnung auferlegt werden kann. Ob die konkreten Modalitäten einer richterlichen Anordnung darüber hinaus gesetzlich verankert werden sollen, steht im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, den hier zuvörderst eine Evaluierungs- und Beobachtungspflicht trifft. Heike Raab Staatssekretärin