Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 19. Dezember 2016 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1626 zu Drucksache 17/1432 18. 11. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Bildung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Frisch (AfD) – Drucksache 17/1432 – Unterricht durch fachfremde Lehrer an rheinland-pfälzischen Schulen Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1432 – vom 26. Oktober 2016 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Lehrer wurden im Schuljahr 2015/2016 an rheinland-pfälzischen Schulen fachfremd eingesetzt? 2. Wie hoch war die Anzahl der von fachfremden Lehrern erteilten Unterrichtsstunden? 3. Inwieweit waren die einzelnen Schularten davon betroffen? 4. Welche Fächer waren davon betroffen? In welchem Umfang (Stundenzahl)? Das Ministerium für Bildung hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 16. November 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Es gehört zu den Grundsätzen des Ministeriums für Bildung, in den Schulen jeweils Lehrkräfte einzusetzen, die für die dort vertretenen Bildungsgänge qualifiziert sind. Dies gilt auch für den Einsatz in den Fächern, in denen sie ausgebildet sind. Lehrkräfte werden in der Regel mit unterschiedlicher Stundenzahl in mehreren Unterrichtsfächern eingesetzt. Eine Lehrkraft kann demnach in einem Unterrichtsfach fachgerecht und gleichzeitig in einem anderen fachfremd unterrichten. Daher liefert die Anzahl der Lehrkräfte, die mit einem Teil ihres Deputats fachfremd eingesetzt sind, keine Information über den Umfang fachfremden Unterrichts. Auf Grundlage der anonymisierten Daten der amtlichen Schulstatistik lässt sich zudem die Anzahl der Lehrkräfte, die in einem Schuljahr fachfremd eingesetzt sind, nicht ermitteln. In Analogie zur Antwort des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur vom 28. Dezember 2015 (Drucksache 16/6046) auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU zum Thema „Fachfremder Unterricht“ werden deshalb im Folgenden die von Lehrkräften fachgerecht bzw. fachfremd erteilten Unterrichtsstunden dargestellt. Die Grundschulen und die Förderschulen blieben bei der Auswertung aus fachlichen Gründen unberücksichtigt: Zu den Grundschulen werden keine Angaben gemacht, da dies mit Blick auf die Konzeption und den pädagogischen Auftrag der Grundschule nicht sachgerecht wäre. Die Arbeit in der Grundschule erfordert in besonderem Maße die individuelle fachliche Förderung der Schülerinnen und Schüler und die Förderung sozialer Kompetenzen. Daraus resultiert u. a. neben dem notwendigen Fachlehrerprinzip die Betonung des Klassenleiterprinzips. Die Schülerinnen und Schüler werden über zwei – oftmals sogar über vier – Jahre hinweg im Klassenverband unterrichtet. Auch zu den Förderschulen werden keine Angaben gemacht. Grundsätzlich sollen an Förderschulen die Lehrkräfte in den Fächern eingesetzt werden, für die sie ausgebildet sind. Mit Blick auf den besonderen pädagogischen Auftrag der Förderschulen hat jedoch die Abstimmung der Unterrichtsinhalte und Unterrichtsorganisation auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler oberste Priorität. In der Primarstufe der Förderschulen gilt wie in der Grundschule das Klassenlehrerprinzip. Dieser Grundsatz ist in der für die Förderschule geltenden Schulordnung verankert (§ 1 Abs. 6 der Schulordnung für die öffentlichen Sonderschulen). Auch in der Sekundarstufe I der Förderschulen kann es aus pädagogischen Gründen erforderlich sein, die Anzahl der Bezugspersonen unter Berücksichtigung des Fachlehrerprinzips möglichst klein zu halten. Zur Einbeziehung von Fächern wird auf die ausführlichen Ausführungen in der Antwort zu Frage 4 verwiesen. Drucksache 17/1626 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode 2 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Zu Frage 2: Aus den Daten, die von den betrachteten Schulen im Rahmen der Amtlichen Schulstatistik für das Schuljahr 2015/2016 gemeldet wurden, ergibt sich ein Volumen von 486 177 Unterrichtsstunden. Davon wurden 423 903 Stunden fachgerecht und 62 274 Stunden fachfremd erteilt. Zu Frage 3: Die Angaben zum fachgerechten und fachfremden Unterricht im Schuljahr 2015/2016 für die betrachteten Schularten zeigen folgendes Bild: (Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Amtliche Schulstatistik, Berechnung Bildungsministerium.) Die Daten für die organisatorisch verbundenen Grund- und Hauptschulen sind in den Angaben für Hauptschulen enthalten. Im Schuljahr 2015/2016 existierten noch zwei Grund- und Hauptschulen, zwei Hauptschulen sowie zehn Realschulen in privater Trägerschaft. Hierbei handelt es sich meist um kleinere Schulen. In kleineren Schulen ergibt sich wegen der geringeren Gesamtzahl an Lehrkräften häufiger als an großen Schulen die Notwendigkeit von fachfremdem Unterricht. Zu Frage 4: Die Ergebnisse für die einzelnen Unterrichtsfächer können der Anlage entnommen werden. Für alle Schularten der Sekundarstufen sind Wahlfächer und Arbeitsgemeinschaften nicht berücksichtigt. Alle schuleigenen Wahlpflichtfächer in der Realschule plus und in der Integrierten Gesamtschule, die nicht gleichzeitig Pflichtfächer in der Sekundarstufe I oder Sekundarstufe II sind, wurden nicht einbezogen, da sie spezifische Profile unterstützen und im inhaltlichen Zuschnitt oft nicht mit den Fächern identisch sind, für die eine Lehrbefähigung oder Unterrichtserlaubnis vorliegen kann. Somit ist aus den statistischen Daten nicht feststellbar, ob der Unterricht fachfremd erteilt wird. Eine besondere Stellung nimmt das Fach „Informatik“ ein, das an Integrierten Gesamtschulen schuleigenes Wahlpflichtfach sein kann, aber auch als Grund- oder Leistungsfach in der gymnasialen Oberstufe angeboten wird. Im schuleigenen Wahlpflichtfach „Informatik “ sind häufig Inhalte enthalten, die der informationstechnischen Grundbildung zuzuordnen sind. Dieses Wahlpflichtfach wird daher häufig von Lehrkräften unterrichtet, die aufgrund ihrer Lehrbefähigung, z. B. für das Fach Mathematik, fachlich qualifiziert sind. Dennoch wird dieser Unterricht in der Schulstatistik als fachfremd ausgewiesen. Im Bereich der Wahlpflichtfächer sind in der Realschule plus nur die in der Stundentafel festgelegten Fächer „Technik und Naturwissenschaft “, „Hauswirtschaft und Sozialwesen“, „Wirtschaft und Verwaltung“ sowie eine zweite Fremdsprache berücksichtigt. Diese Wahlpflichtfächer wurden mit Ausnahme der zweiten Fremdsprache mit der Errichtung der ersten Realschulen plus zum Schuljahr 2009/2010 implementiert. Erst seitdem wird eine Aus- und Weiterbildung für diese Fächer angeboten. Der Bedarf an Lehrkräften für das Fach „Wirtschaft und Verwaltung“ ist im Vergleich zu dem Wahlpflichtfach „Wirtschafts- und Sozialkunde“ an den Vorgängerschulen gestiegen, da Letzteres nur in den Klassenstufen 9 und 10 unterrichtet wurde, das neue Wahlpflichtfach dagegen ab Klassenstufe 6. Daher ist der Anteil fachfremden Unterrichts im Fach „Wirtschaft und Verwaltung“ noch vergleichsweise hoch. Diejenigen Lehrkräfte, die an einem Weiterbildungskurs teilnehmen, diesen aber noch nicht abgeschlossen haben, werden als fachfremd Unterrichtende gezählt, weil sie noch keine Unterrichtserlaubnis erworben haben. Was den fachfremden Unterricht in den anderen Fächern der Sekundarstufen betrifft, sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Zum pädagogischen Konzept der Integrierten Gesamtschulen gehört als wesentliches Element das Unterrichten in Jahrgangsteams, in denen jede Lehrkraft mit möglichst vielen Stunden eingesetzt ist. Um dieses Prinzip zu stärken, unterrichten Lehrkräfte häufig das Fach Gesellschaftslehre in ihrer Klasse auch fachfremd. Die fachliche und methodische Qualität wird dadurch gewährleistet, dass die Lehrkräfte in den Teams in enger fachlicher und pädagogischer Abstimmung zusammenarbeiten. An den Realschulen plus wird angestrebt, den Unterricht in einer Klasse von möglichst wenigen Lehrkräften erteilen zu lassen. Dadurch wird die individuelle Unterstützung und Begleitung der Schülerinnen und Schüler gefördert. Um dies zu ermöglichen, wird Schulart Unterrichtsstunden gesamt Fachfremder Unterricht Fachgerechter Unterricht Hauptschule 863 392 471 Realschule 4 089 388 3 702 Realschule plus 123 356 31 152 92 204 Gymnasium 189 265 4 497 184 768 Abendgymnasium/Kolleg 1 570 34 1 536 Integrierte Gesamtschule 56 226 5 466 50 760 Berufsbildende Schule 110 808 20 346 90 463 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/1626 in den sogenannten Nebenfächern auch fachfremder Unterricht in Kauf genommen, während in den sogenannten Hauptfächern das Fachlehrerprinzip Vorrang hat. Die Qualität des fachfremd erteilten Unterrichts wird durch enge Abstimmung im Kollegium gewährleistet. Das Fach Sozialkunde wird an Realschulen plus häufig von Lehrkräften mit der Lehrbefähigung in einem anderen Fach des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeldes unterrichtet. Diese sind fachlich qualifiziert, werden aber als fachfremd Unterrichtende gezählt. Erst seit dem Wintersemester 2014/2015 bietet die Universität Koblenz-Landau den lehramtsbezogenen Zertifikatsstudiengang Darstellendes Spiel/Theater an. Bislang konnten Lehrkräfte nur durch Teilnahme an einem Weiterbildungslehrgang die Unterrichtsbefugnis und Unterrichtserlaubnis im Fach Darstellendes Spiel erhalten. Auch hier gilt, dass diejenigen Lehrkräfte, die an einem Weiterbildungskurs teilnehmen, diesen aber noch nicht abgeschlossen haben, als fachfremd Unterrichtende gezählt werden. Um dem vergleichsweise hohen Anteil fachfremden Unterrichts im Fach Ethik entgegenzuwirken, werden beim Pädagogischen Landesinstitut Weiterbildungskurse angeboten. Daneben ist auch eine grundständige Ausbildung möglich. Mit den neuen lehramtsbezogenen Bachelor- und Masterstudiengängen wurde das Studienfach Ethik neu eingerichtet. Mit diesem Abschluss ist die Ausbildung an den Studienseminaren der Lehrämter Grundschulen, Realschulen plus, berufsbildende Schulen und Förderschulen möglich. Für das Lehramt an Gymnasien wurde mit der Reform der Lehrkräfteausbildung das Studienfach Philosophie/Ethik neu eingerichtet , das auf eine Lehrbefähigung sowohl im Fach Philosophie als auch im Fach Ethik abzielt. Vonseiten der Schulaufsicht wird darauf hingewirkt, dass in den nächsten Jahren verstärkt Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für Ethik eingestellt werden. In den berufsbildenden Schulen werden teilweise Fächer unterrichtet, für die es keine Studienmöglichkeiten gibt, z. B. das Fach „Rechtslehre/Verwaltungskunde“. Andere Fächer kann man erst seit einigen Jahren und meist nur an sehr wenigen Universitäten studieren, wie z. B. „Druck- und Medientechnik“ oder „Gesundheitswissenschaften“. Wieder andere werden im Lehramtsstudium als Vertiefungsrichtung angeboten, wie z. B. „Informationstechnik“ im Fachbereich „Elektrotechnik“. In der Schulstatistik ist der Unterricht in diesen Fächern als fachfremd ausgewiesen, obwohl er von Lehrkräften mit einem Studium affiner Fächer erteilt wird. In den Fächern „Bildende Kunst“ und „Musik“ gibt es in den berufsbildenden Schulen aufgrund der Stundentafeln geringen Bedarf, sodass an der Einzelschule nur wenige Stunden anfallen. Daher werden diese Fächer häufig fachfremd unterrichtet, wobei sichergestellt wird, dass die eingesetzten Lehrkräfte über entsprechende fachliche Fähigkeiten verfügen und Fortbildungsveranstaltungen besuchen . In den Bereichen „Gesundheit“ und „Pflege“ wird sich der fachfremde Unterricht mittelfristig reduzieren, da mit der Einführung des „Vallendarer Modells“ bald grundständig ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen. An der Pflegewissenschaftlichen Fakultät der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar besteht seit dem Wintersemester 2012/2013 ein Lehramtsstudiengang „Pflege an berufsbildenden Schulen“, der in Kooperation mit der Universität Koblenz-Landau durchgeführt wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Lernfelder in der Teilzeitberufsschule nicht nach der Fachsystematik der Unterrichtsfächer strukturiert sind, sondern nach beruflichen Handlungssituationen. Da sich die Amtliche Schulstatistik an Fächern und nicht an Lernfeldern orientiert, wird dieser Unterricht häufig als fachfremd ausgewiesen, obwohl er von fachlich qualifizierten Lehrkräften erteilt wird. Die gleiche Situation findet sich in der Fachschule, deren Lernmodule ebenfalls nach beruflichen Handlungssituationen strukturiert sind. So enthalten z. B. nahezu alle Module im Bildungsgang „Erzieherin/Erzieher“ Inhalte des Faches Pädagogik. Im Schuljahr 2015/2016 besuchten von den insgesamt rund 122 000 Schülerinnen und Schülern im Bereich der berufsbildenden Schulen über 69 000 die Teilzeitberufsschule und mehr als 14 000 die Fachschule; das sind 68 Prozent der gesamten Schülerschaft der berufsbildenden Schulen. Dr. Stefanie Hubig Staatsministerin 3 Drucksache 17/1626 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Anlage 4 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/1626 5 Drucksache 17/1626 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode 6 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/1626 7