Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 22. Dezember 2016 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1689 zu Drucksache 17/1484 24. 11. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Brandl und Christine Schneider (CDU) – Drucksache 17/1484 – Fachärztemangel in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1484 – vom 2. November 2016 hat folgenden Wortlaut: In einigen ärztlichen Fachgebieten wie Rheumatologie ist es für Kassenpatienten in Rheinland-Pfalz derzeit kaum möglich, in absehbarer Zeit einen notwendigen Termin zu bekommen. Fachärzte in Baden-Württemberg nehmen oft keine Patienten aus Rheinland- Pfalz an. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie sieht die Landesregierung ihre Verantwortung bei der fachärztlichen Versorgung in Rheinland-Pfalz? 2. In welchen medizinischen Fachgebieten sieht die Landesregierung einen Mangel an Fachärzten für Kassenpatienten? 3. Wie beurteilt die Landesregierung diesen Zustand? 4. Inwiefern sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, dem Mangel an Fachärzten entgegenzuwirken und in welchen Fachgebieten ? 5. Welche Schritte wird die Landesregierung bei der Verbesserung der fachärztlichen Versorgung auf diesen Gebieten einleiten? 6. Wie will die Landesregierung die fachärztliche Versorgung im ländlichen Raum gewährleisten? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 22. November 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in Rheinland-Pfalz obliegt gemäß § 75 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz als Selbstverwaltungskörperschaft der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte . Dieser Sicherstellungsauftrag umfasst nach § 75 Abs. 1 a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch auch die angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung der fachärztlichen Versorgung. Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz hat dafür Sorge zu tragen, dass den gesetzlich krankenversicherten Patientinnen und Patienten in allen Teilen des Landes eine ausreichende Zahl von Ärztinnen und Ärzten und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Verfügung steht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Bereich der fachärztlichen Versorgung eine großräumigere Planung als im Bereich der hausärztlichen Versorgung vorgesehen ist. Dies gilt besonders für die spezialisierte und die gesonderte fachärztliche Versorgung. Hier werden gegebenenfalls auch längere Fahrzeiten als zumutbar angesehen. Im Gegensatz zur Krankenhausplanung, die Aufgabe des Landes ist, erfolgen die ambulante Bedarfsplanung und die Zulassung von Ärztinnen und Ärzten zur vertragsärztlichen Versorgung nicht durch staatliche Stellen, sondern durch die Vertreter der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung als Partner der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens. Da die Rahmenbedingungen für die vertragsärztliche Berufsausübung und für das der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz zur Verfügung stehende Sicherstellungsinstrumentarium im Wesentlichen durch den Bundesgesetzgeber bestimmt werden, hat die Landesregierung die entsprechenden Gesetzesvorhaben in den letzten Jahren stets intensiv begleitet. Zuletzt wurden mit Unterstützung der rheinland-pfälzischen Landesregierung durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz eine Reihe von Möglichkeiten geschaffen, die auch für die fachärztliche Versorgung in Rheinland-Pfalz positive Impulse setzen werden. Dazu zählen unter anderem die Förderung von Weiterbildungsstellen für grundversorgende Facharztgruppen durch die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung, Flexibilisierungen bei der Gründung von Medizinischen Versorgungszentren, der Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss, die Bedarfsplanungsrichtlinie weiterzuentwickeln oder die Möglichkeit, dass die Drucksache 17/1689 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode 2 Kassenärztliche Vereinigung auch in noch nicht unterversorgten Gebieten einen hälftig von den Krankenkassen finanzierten Strukturfonds für Fördermaßnahmen zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung bildet. Aus diesem Strukturfonds können beispielsweise die Gründung oder Übernahme von Facharztpraxen oder die Anstellung von Ärzten in bestimmten Regionen finanziell unterstützt werden. Daneben wurde durch die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen, Terminservicestellen einzurichten, ein schneller Zugang zur fachärztlichen Versorgung geschaffen. Zu 2., 3. und 4.: Nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz zeichnet sich die Versorgungslage der rheinland-pfälzischen Bevölkerung durch ambulant tätige Fachärztinnen und Fachärzte durch ein im internationalen Vergleich sehr hohes Versorgungsniveau aus. Die durchschnittliche Erreichbarkeit der nächstgelegenen Praxen der fachärztlichen Grundversorgung liege durchgehend unter zehn Kilometern und damit zum Teil deutlich unter der Wegstrecke für die Erreichbarkeit anderer Versorgungseinrichtungen . Für 78 Prozent der rheinland-pfälzischen Bevölkerung seien im Umkreis von zehn Kilometern mehr als zehn Fachärztinnen und Fachärzte zu erreichen, für 21 Prozent sogar mehr als 100. Die Anzahl der fachärztlichen Versorgungsaufträge sei zwischen den Jahren 2005 und 2015 um 12,8 Prozent angestiegen. Der rheinland-pfälzischen Bevölkerung stehen laut Aussage der Kassenärztlichen Vereinigung derzeit rund 3 080 fachärztliche Versorgungsaufträge zur Verfügung, dies sei ein Plus von 350 gegenüber dem Jahr 2005. Die Landesregierung teilt die Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigung, dass Rheinland-Pfalz eine gute fachärztliche Versorgung besitzt. Die überwiegende Zahl der fachärztlichen Planungsbereiche weisen derzeit Versorgungsgrade von mehr als 110 Prozent auf. Handlungsbedarf besteht nach Auffassung der Landesregierung für die Fachgruppe der Kinder- und Jugendpsychiater in den Raumordnungsregionen Trier, Mittelrhein-Westerwald und Westpfalz. In diesen Regionen könnte die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz gezielte Maßnahmen zur Niederlassungsförderung ergreifen. Darüber hinaus könnte die Kassenärztliche Vereinigung die dermatologische Versorgung und die Versorgung mit HNO-Ärzten stärker in den Fokus nehmen, da hier die Versorgungsgrade in einigen Planungsbereichen abgesunken sind. Aus Sicht der Landesregierung würde außerdem die Zulassung weiterer Rheumatologinnen und Rheumatologen zur Verbesserung der vertragsärztlichen Versorgung beitragen. Als Rheumatologen werden Fachärzte für Innere Medizin, Fachärzte für Orthopädie oder Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie bezeichnet, die durch eine zusätzliche Weiterbildung die Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie erworben haben. Rheumatologen werden bei der Bedarfsplanung derzeit nicht als eigene Fachgruppe betrachtet, sondern als fachärztlich niedergelassene Internisten beziehungsweise als Orthopäden. Aufgrund der Zulassungssperren können sich junge Ärztinnen und Ärzte in diesen Fachgebieten jedoch nur niederlassen, wenn sie einen bestehenden Arztsitz übernehmen . Zu 5.: Auch bei bestehenden Zulassungssperren können im Rahmen von sogenannten Sonderbedarfszulassungen weitere Ärztinnen und Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden, sofern ein zusätzlicher Versorgungsbedarf nachgewiesen wird. Die Entscheidung hierüber trifft jedoch nicht die Landesregierung, sondern der mit Vertretern der Krankenkassen und der Vertragsärzteschaft besetzte Zulassungsausschuss. Dessen Mitglieder sind gemäß § 96 Abs. 2 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bei ihren Entscheidungen weisungsfrei. Die Landesregierung hat hier keine Einflussmöglichkeiten. Die stärkere Nutzung der Möglichkeiten der Sonderbedarfszulassung ist vor allem im Bereich der Rheumatologie von Bedeutung. Kassenärztliche Vereinigung und Kassen können durch Sonderbedarfszulassungen weiteren Ärztinnen und Ärzten die Behandlung GKV-Versicherter ermöglichen und so die Wartezeiten verkürzen. In Rheinland-Pfalz hat die Kassenärztliche Vereinigung die gesetzliche Möglichkeit zur Einrichtung eines Strukturfonds genutzt. In ausgewiesenen Fördergebieten werden die Niederlassung und die Anstellung von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten finanziell unterstützt. Die Fördergebiete werden vom Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz jährlich anhand der aktuellen und zukünftig zu erwartenden Versorgungslage neu festgelegt Auch wenn der Fokus des Masterplans der Landesregierung zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung bisher auf dem hausärztlichen Bereich liegt, beabsichtigt das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie bei den Beratungen zur Weiterentwicklung des Masterplans auch den Handlungsbedarf im fachärztlichen Bereich mit den Partnern zu erörtern. Bei der eventuellen Entwicklung und Umsetzung entsprechender Maßnahmen wären allerdings die Zuständigkeiten der jeweiligen Akteure – so der Kassenärztlichen Vereinigung für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung – zu respektieren. Zu 6.: Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 erläutert, hat der Bundesgesetzgeber die Sicherstellungsverpflichtung für die ambulante fachärztliche Versorgung im ländlichen Raum nicht den Ländern, sondern den Kassenärztlichen Vereinigungen übertragen. Die Landesregierung geht davon aus, dass die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz ihren gesetzlichen Pflichten derzeit im notwendigen Umfang nachkommt. Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/1689 Die Kassenärztliche Vereinigung hat nach eigenen Angaben in den letzten Jahren verschiedene Programme ins Leben gerufen, um die vertragsärztliche Versorgung in Rheinland-Pfalz zu fördern. Durch die Veranstaltungsreihe „Info mit Biss“ versucht die Kassenärztliche Vereinigung, mit jungen Ärztinnen und Ärzten und Studentinnen und Studenten in lockerer Atmosphäre ins Gespräch zu kommen und diese für die Niederlassung zu gewinnen. Zudem hat die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz ein Seminarprogramm zu Themen des Praxisalltags erstellt und ist auf externen Veranstaltungen präsent. Mit der Niederlassungskampagne „arzt.nah.dran – Willkommen in Rheinland-Pfalz!“ würden laut der Kassenärztlichen Vereinigung Hilfestellungen und Tipps zur Tätigkeit in der vertragsärztlichen Praxis gegeben. Ergänzend hierzu biete der Newsletter „Arzt in Rheinland-Pfalz“ ebenfalls Informationen zum Thema Niederlassung. Neben diesen Kampagnen stehe für niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte und für Praxen, die eine Nachfolge suchen, ein kostenloses und umfassendes Beratungsangebot zu allen Fragen der Zulassung und Kooperation zur Verfügung. Dabei werde die Betreuung der Ärztin beziehungsweise des Arztes durch einen persönlichen Berater übernommen, der sein Konzept individuell auf die Bedürfnisse des Hilfesuchenden zuschneide und ihn in jeder Phase seiner Existenzgründung berate. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung vermittelten nicht nur Praxen und Kooperationen, es bestehe auch die Möglichkeit, eine betriebswirtschaftliche Beratung bei Neugründung und Übernahme einer Praxis in Anspruch zu nehmen. Auf Wunsch fertigten die Berater zudem Wirtschaftlichkeitsanalysen zu Investitionen und ähnlichen Vorhaben an. Neu zugelassene Ärztinnen und Ärzte könnten außerdem den kostenfreien Praxislotsen-Service in Anspruch nehmen, der in allen beruflichen Fragen und im Praxisalltag zur Seite stehe. Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz hat entsprechend der Vorgaben des Bundesgesetzgebers eine Terminservicestelle eingerichtet. Diese garantiert allen Versicherten, bei denen die Hausärztin beziehungsweise der Hausarzt auf der Überweisung die Dringlichkeit eines Termins beim Facharzt bestätigt hat, dass sie innerhalb von vier Wochen einen Termin bei einer rheinlandpfälzischen Fachärztin beziehungsweise einem rheinland-pfälzischen Facharzt wahrnehmen können. Gelingt dies der Terminservicestelle nicht, ist sie verpflichtet, stattdessen einen ambulanten Behandlungstermin in einem Krankenhaus zu vermitteln. Damit haben Versicherte mit einer dringlichen Überweisung zum Facharzt einen Anspruch auf einen Behandlungstermin innerhalb von vier Wochen. Dies stärkt die Rechte der Patientinnen und Patienten und vermeidet eine Benachteiligung gesetzlich Krankenversicherter gegenüber Privatpatienten. Die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz ist montags, dienstags, donnerstags und freitags von 9.30 Uhr bis 14.00 Uhr sowie mittwochs von 9.30 Uhr bis 16.00 Uhr unter der Telefonnummer 06131/88 54 45 5 erreichbar. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin 3