Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 22. Dezember 2016 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1699 zu Drucksache 17/1499 25. 11. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Tanja Machalet und Fredi Winter (SPD) – Drucksache 17/1499 – Gemeindeschwesterplus in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1499 – vom 4. November 2016 hat folgenden Wortlaut: Nach Presseveröffentlichungen haben die Gemeindeschwesternplus im Landkreis Neuwied im ersten Halbjahr 2016 insgesamt 75 Hausbesuche durchgeführt. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Aufgaben hat die Gemeindeschwesterplus? 2. Wie werden diese Aufgaben von den Gemeindeschwesternplus im Landkreis Neuwied erfüllt? 3. Arbeitet die Gemeindeschwesterplus alleine oder in welchen Beratungsnetzwerken ist sie eingebunden? 4. Welchen Einfluss hat die Arbeit der Gemeindeschwesterplus auf die kommunale Pflegestrukturplanung allgemein und insbesondere auf die des Landkreises Neuwied? 5. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um die Rolle der Kommunen in der Pflege zu stärken? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 25. November 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Das Projekt Gemeindeschwesterplus ist ein neues präventives und gesundheitsförderndes Angebot für Menschen, die 80 Jahre und älter sind, selbstständig leben und wohnen und keine Pflege brauchen. Die Gemeindeschwesterplus nimmt dabei mehrere Aufgaben war: Sie macht über eine gute Öffentlichkeitsarbeit in der Region ihr Angebot bekannt und besucht auf deren Wunsch hin hochbetagte Menschen in ihrer eigenen Häuslichkeit. Sie stärkt die regionale Vernetzungsarbeit, denn gute regionale Angebote, die hochbetagten Menschen auch zur Verfügung stehen und ihre Selbständigkeit stärken, sind die Grundlage für eine wirkungsvolle präventive Beratung durch die Gemeindeschwesterplus. Bei den Hausbesuchen erleben die Gemeindeschwesternplus eine große Offenheit der Seniorinnen und Senioren und berichten, dass die Menschen den Besuch schätzen und sich wertgeschätzt fühlen. In den Gesprächen klären die Gemeindeschwesternplus die Erwartungen und Bedürfnisse der besuchten Person, sie gehen aber auch auf die soziale Situation, das gesundheitliche Wohlbefinden und auf mögliche Risiken ein. Gemeinsam mit der besuchten Person werden Strategien zur Stärkung von gesundheitsförderlichen Maßnahmen und zur Minimierung von gesundheitlichen Risiken entwickelt. Dazu gehören Maßnahmen wie die Beseitigung von Stolperfallen genauso wie die Anknüpfung und Stärkung sozialer Stützsysteme, zum Beispiel der Nachbarschaft, Vereinen und informeller Gruppen. Dabei berichten die Gemeindeschwesternplus, dass sie aufgrund ihrer pflegefachlichen Kenntnisse auch Krankheitsbilder erkennen und bei Bedarf Ratschläge zur Inanspruchnahme von Behandlungsmöglichkeiten geben können. Die Gemeindeschwesternplus erhalten durch die Besuche Kenntnis vom individuellen Gesundheitszustand einer besuchten Person und über mögliche Risiken. Sie erhalten aber auch durch die Summierung der Erkenntnisse aus den Besuchen Informationen über die gesundheitliche und soziale Lage von älteren Menschen in einem Stadtviertel, einem Quartier oder einem Dorf. Damit können sie mögliche Pflege- und Betreuungsbedarfe frühzeitig erkennen und diese Informationen der Kommune für eine gute Pflegestrukturplanung zur Verfügung stellen. Das ist neben den Hausbesuchen die weitere wichtige Aufgabe der Gemeindeschwesterplus. Sie muss überprüfen, ob und welche regionalen Angebote es gibt und vor allem im engen Austausch mit den Pflegestützpunkten und den regionalen Pflegestrukturplanern , die auch als regionale Projektverantwortliche im Modellprojekt Gemeindeschwesterplus agieren, den Anstoß dazu geben, dass fehlende Angebote initiiert werden. Drucksache 17/1699 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode 2 Dies zeigt, dass über die Beobachtungen und Einschätzungen der Gemeindeschwesterplus die Kommunen – aber auch die Anbieter von Diensten, Unterstützungsangeboten oder Leistungen – tatsächlich wichtige Hinweise und Impulse für die Gestaltung und Weiterentwicklung der sozialen Räume für ein gutes und selbstbestimmtes Leben auch im hohen Alter erhalten können. Durch den Austausch und das Zusammenwirken entstehen wichtige Vernetzungen vor Ort, die die Strukturen im Vorfeld der regionalen Pflegestrukturplanungen stärken. Damit ist das Projekt auch eine sehr wirkungsvolle Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. Denn mit diesem Projekt schafft Rheinland -Pfalz unter dem Aspekt des Kümmerns eine zentrale Voraussetzung, um die Lebensqualität dieser Frauen und Männer zu verbessern und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder hinauszuzögern. Gleichzeitig werden die Menschen frühzeitig über das umfassende Beratungs- und Versorgungssystem in Rheinland-Pfalz informiert - und zwar bevor ein Pflegebedarf eintritt. Bis Dezember 2016 ist das Projekt noch in der Implementierungsphase. Diese war geprägt vom Einstellungsverfahren, vom Finden guter regionaler Projekt- und Kommunikationsstrukturen, von einem hohen Zeitaufwand um sich als Gemeindeschwesterplus bekannt zu machen, für Schulungen, zur Entwicklung von Dokumentationsverfahren etc. In den Jahren 2017/2018 werden die Gemeindeschwesternplus intensiv arbeiten und die Landesregierung wird diesen Prozess wissenschaftlich evaluieren lassen. Zu 2.: Wie in allen am Projekt teilnehmenden Kommunen war auch im Landkreis Neuwied die Implementierungsphase unter anderem vom Einstellungsverfahren, dem Finden passgenauer regionaler Kommunikations- und Projektstrukturen, der regionalen inhaltlichen Konzeptentwicklung und vor allem auch von der Öffentlichkeitsarbeit für und durch die Gemeindeschwesternplus geprägt. Die Netzwerkarbeit stellt gerade zu Beginn des Projektes einen zentralen Aspekt der Arbeit der Gemeindeschwesternplus im Kreis Neuwied dar. Durch die Zusammenarbeit wird der Bekanntheitsgrad der Gemeindeschwesternplus gesteigert und die Gemeindeschwesternplus profitieren von den Erfahrungen der Netzwerkpartner und umgekehrt. Hier geht es vor allem auch um den regelhaften Austausch von Neuigkeiten, die im Bereich der Seniorenarbeit stattfinden. Außerdem erfahren die Gemeindeschwesternplus natürlich auch, wann und wo interessante Veranstaltungen für die hochbetagten Menschen stattfinden. Diese Informationen können sie dann an die Klienten weitergeben. Ein wichtiges Netzwerk ist beispielsweise das Netzwerk Demenz, an dem die Gemeindeschwesternplus regelmäßig teilnehmen. Aber auch die positive Zusammenarbeit mit den Pflegestützpunkten im Landkreis ist hervorzuheben. Es konnten bereits einige Beratungen gegenseitig vermittelt werden. Die Gemeindeschwesternplus am Pflegestützpunkt Linz nehmen zudem regelmäßig an Treffen der Seniorenbeiräte in Unkel und Linz teil. Zu betonen ist auch die gute Zusammenarbeit mit der Stadt Neuwied sowie den Verbandsgemeinden Bad Hönningen, Linz, Unkel und Waldbreitbach. Diese Akteure tragen maßgeblich dazu bei, das Projekt bekannter zu machen. Durch die Unterstützung der Stadtverwaltung und der Verbandsgemeindeverwaltungen ist es möglich, Anschreiben an die hochbetagten Menschen zu versenden. Dies ist in Neuwied in der südöstlichen Innenstadt, dem Stadtteil Block und der Verbandsgemeinde Unkel bereits geschehen. Die Neuwieder Gemeindeschwesterplus nimmt einmal im Monat am Frühstück für Frauen aller Nationen und Kulturen teil und steht mit der Quartiersmanagerin der sozialen Stadt im Kontakt. Seit März 2016 bietet die für die Stadt Neuwied zuständige Gemeindeschwesterplus am letzten Mittwoch im Monat im Café Auszeit (an der Marktkirche) eine Sprechstunde an. Hierbei steht vor allem das zwanglose Kennenlernen in einer angenehmen Atmosphäre im Mittelpunkt. Zu 3.: So wie das Modellprojekt Gemeindeschwesterplus als eine Maßnahme gegen den Fachkräftemangel bewertet werden kann, so ist eine weitere zentrale Perspektive die Vernetzung mit allen regionalen Beratungsstrukturen und allen Initiatoren und Anbietern, zum Beispiel von Unterstützungsangeboten durch Nachbarschaften oder Kirchengemeinden. Eine Voraussetzung zur Teilnahme an dem Modellprojekt war daher die Anbindung der Gemeindeschwesterplus an einen Pflegestützpunkt und die damit verbundenen Kooperationsmöglichkeiten, selbstverständlich unter Beachtung des entsprechenden Datenschutzes . Und es ist tatsächlich bemerkenswert, dass viele Seniorinnen und Senioren durch die Gemeindeschwesterplus an die Pflegestützpunkte vermittelt werden, da der Hilfebedarf der Beratungssuchenden oftmals doch schon weit fortgeschritten ist. Zu 4.: Die Gemeindeschwesternplus erhalten durch die Summierung der Erkenntnisse aus den Besuchen Informationen über die gesundheitliche und soziale Lage von älteren Menschen in einem Stadtviertel, einem Quartier oder einem Dorf. Sie schaffen den unmittelbaren Kontakt zu den hochbetagten Menschen und können so mögliche Pflege- und Betreuungsbedarfe frühzeitig erkennen und diese Informationen der Kommune für eine gute Pflegestrukturplanung zur Verfügung stellen. Dies zeigt, dass über die Beobachtungen und Einschätzungen der Gemeindeschwesternplus die Kommunen – aber auch die Anbieter von Diensten, Unterstützungsangeboten oder Leistungen – tatsächlich wichtige Hinweise und Impulse für die Gestaltung und Weiterentwicklung der sozialen Räume für ein gutes und selbstbestimmtes Leben auch im hohen Alter erhalten können. Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/1699 Im Landkreis Neuwied spielt die Mobilität der älteren Menschen eine große Rolle. Von einigen hochbetagten Bürgern wurde der Wunsch eines Bürgerfahrdienstes angesprochen. Entsprechende Wünsche geben die Gemeindeschwesternplus dann an den zuständigen Orts- , Verbandsgemeinde- oder Stadtbürgermeister weiter und dokumentieren diese auch für die Pflegestrukturplanerin im Landkreis Neuwied, sodass der Bedarf erfasst, ausgewertet und direkt vor Ort oder im Rahmen der Pflegestrukturplanung nach Lösungsmöglichkeiten gesucht werden kann. Zu 5.: Die Kommunen spielen eine wichtige Rolle in der Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen sowie in der Koordination der örtlichen Hilfs- und Betreuungsangebote. Dazu braucht es eine gute Abstimmung aller Beteiligten vor Ort: Einrichtungen für ältere, pflegebedürftige Menschen, Pflegekassen, Selbsthilfeeinrichtungen, aber auch Stellen, die Altenhilfe organisieren oder Hilfe zur Pflege gewähren, müssen zielorientiert zusammenarbeiten. Im September 2014 startete die Bund-Länder Arbeitsgruppe „Stärkung der Rolle der Kommune in der Pflege“ mit ihrer Arbeit. Der inhaltliche Schwerpunkt der Arbeitsgruppe wurde auf folgende Themenkomplexe gelegt: 1. Die kommunalen Möglichkeiten zur Steuerung und Planung der Strukturen vor Ort. 2. Die verantwortlichere Einbindung der Kommunen in die Beratung pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen. 3. Entwicklung von Sozialräumen, damit Menschen so lange wie möglich im gewohnten Umfeld leben können. Die Abschlussempfehlungen der Arbeitsgemeinschaft liegen seit Mai 2015 vor und sollen im Rahmen des Dritten Pflegestärkungsgesetzes in das Elfte Buch Sozialgesetzbuch aufgenommen werden. Aus den Erfahrungen in Rheinland-Pfalz konnte die Arbeitsgruppe verschiedene Ansätze zur Weiterentwicklung der Pflegestruktur übernehmen. Als Beispiel sind die regionalen Pflegekonferenzen zu nennen. Die Arbeitsgruppe griff auf das Fachwissen der Landesregierung für die kommunalen Möglichkeiten zur Steuerung der Strukturen vor Ort zurück. Bereits seit dem Jahr 2006 werden, bedingt durch das Landesgesetz zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur, in Rheinland-Pfalz sowohl regionale Pflegekonferenzen als auch Pflegestrukturplanungen erfolgreich durchgeführt. Die Ergebnisse der Bund-Länder-AG sind ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung, im Ergebnis zeigen sie auf, dass Rheinland- Pfalz bereits heute eine Vorreiterrolle im Bereich der Beteiligung von Kommunen in der Pflege hat. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin 3