Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 21. Dezember 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1700 zu Drucksache 17/1523 25. 11. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) – Drucksache 17/1523 – Auswirkungen Urteil des Bundessozialgerichts auf Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1523 – vom 8. November 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Stadt Offenbach will EU-Bürgern die Aufenthaltserlaubnis entziehen lassen, wenn sie Sozi alhilfe beantragen. Die Stadt, die von einem Bündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern regiert wird, stützt sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts in Kassel (Akten zeichen: B 4 AS 44/15 R). Demnach müssen Kommunen EU-Ausländern „entweder nach sechs Monaten Sozi alhilfe zahlen oder deren Aufenthalt zügig beenden“. Mit dem Vorgehen will die Stadt Offenbach Fälle vermeiden, in denen EU-Bürger ausschließ - lich nach Offenbach kommen, um dort Sozial hilfe zu beziehen und nicht um zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie wird sich dieses Urteil des Bundessozialgerichts auf die Praxis auswirken? 2. Welche Anweisungen/Empfehlungen erhielten die rheinland-pfälzischen Kommunen vonseiten der Landesregierung, wie sie mit dem Urteil des Bundessozialgerichts umgehen sollen? 3. Wird in Rheinland-Pfalz ein Antrag eines EU-Bürgers auf Sozialhilfe automatisch zur Überprüfung des Aufenthaltsrechts führen? Wenn nein, warum nicht? 4. Wie vielen EU-Bürgern wurde die Aufenthaltserlaubnis entzogen, da sie in den Jahren 2014, 2015 und 2016 Sozialhilfe bezogen? 5. Wie viele Personen in Rheinland-Pfalz werden schätzungsweise nach der neuen Rechts lage zusätzlich Anspruch auf Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt haben? 6. Wie hoch betrugen die Ausgaben der Kommunen in Rheinland-Pfalz bei der Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt für die Jahre 2015 und 2016? 7. Wie ist der Sachstand des Entwurfes eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen aus ländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 25. November 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Aufgrund der Umsetzung des Urteils durch die Träger der Sozialhilfe ist mit einer Steigerung der Fallzahlen bei den Trägern der Sozialhilfe zu rechnen. Kommt es hierbei zu einer Leistungsgewährung führt dies zu zusätzlichen Belastungen für die Landkreise und kreisfreien Städte. Durch die Kostenbeteiligung über die Schlüsselzuweisungen C 1 im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs entstehen dann auch zusätzliche Ausgaben für das Land. Zu 2.: Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sind die Träger der Sozialhilfe an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes gebunden. Es wird in jedem Einzelfall geprüft, ob ein Anspruch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch besteht. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz – aber auch andere Landessozialgerichte – einen Ausschluss von erwerbsfähigen Unionsbürgern auch auf den Leistungsanspruch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erstreckt und festgestellt hat, dass Leistungen der Sozialhilfe allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Mit Beschluss vom 8. August 2016 stellte das Landessozialgericht ergänzend klar, dass sich der Leistungsausschluss auch auf das aus dem Recht zur Arbeitsuche abgeleitete Aufenthaltsrecht für Familienangehörige, etwa zum Zweck des Schulbesuchs durch Kinder des Arbeitsuchenden, erstreckt. Drucksache 17/1700 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Aus ausländerrechtlicher Sicht hat sich die freizügigkeitsrechtliche Situation durch das Urteil nicht geändert, sodass kein Anlass für eine Weisung an die Ausländerbehörden bestand. Zu 3.: Nach Nr. 4.1.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 3. Februar 2016 (gleichlautend mit der bereits vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2015 gültigen Nr. 4.1.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 26. Oktober 2009) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger über die notwendigen Existenzmittel verfügen. Wenn ein freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger jedoch Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch beantragt, liegt ein besonderer Anlass für eine Prüfung des Fortbestands des Freizügigkeitsrechts vor. Die Ausländerbehörden können entsprechende Prüfungen nach Mitteilung der Sozialbehörden vornehmen. Zu 4.: Es wird statistisch nicht erfasst, in wie vielen Fällen die Voraussetzungen der Freizügigkeitsberechtigung wegen Fehlens der Existenzmittel nachträglich entfallen. Zu 5.: Eine Schätzung, wie viele EU-Ausländer in Rheinland-Pfalz aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zusätzlich Hilfe zum Lebensunterhalt in Anspruch nehmen werden, ist nicht möglich. Zu 6.: Laut den Statistischen Berichten „Ausgaben und Einnahmen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch“ des Statistischen Landesamtes beliefen sich die Ausgaben der örtlichen Träger der Sozialhilfe für die „laufenden Leistungen“ der Hilfe zum Lebensunterhalt im Jahr 2014 auf 27,04 Mio. Euro und im Jahr 2015 auf 28,51 Mio. Euro. Für das Jahr 2016 liegen noch keine Daten vor. Zu 7.: Der Bundesrat hat in seiner 950. Sitzung am 4. November 2016 gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes beschlossen, gegen den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Bundesratsdrucksache 587/16, Bundestagsdrucksache 18/10211) keine Einwendungen zu erheben. Eine Verabschiedung noch im Jahr 2016 ist zu erwarten. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin