Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 3. Januar 2017 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1732 zu Drucksache 17/1528 30. 11. 2016 A n t w o r t des Ministeriums des Innern und für Sport auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Billen, Matthias Lammert und Christine Schneider (CDU) – Drucksache 17/1528 – Änderung der Schichtdienstmodelle für Wechselschichtdienst der Polizei II Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1528 – vom 9. November 2016 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Warum hat es zwölf Jahre gedauert, bis diese EU-Richtlinie von der Polizei für die Polizisten im Wechselschichtdienst umgesetzt wird und wieso muss diese Richtlinie jetzt schnellstmöglich umgesetzt werden? 2. Warum können nicht auch an Samstagen und Feiertagen die 12-Stundendienste beibehalten werden (die EU-Richtlinie lässt doch Ausnahmen zu)? 3. Können weitere Ausnahmeregelungen zu den Schichtmodellen bei der EU beantragt werden? 4. Wurden in den vergangenen zwölf Jahren seit dem Beschluss der Richtlinie Aus nahmegenehmigungen für die Polizei Rheinland- Pfalz bei der EU beantragt? Wenn nein, warum nicht? 5. Warum müssen die alten Schichtmodelle, die sich seit Jahrzehnten bei der Polizei und auf den Dienststellen bewährt haben, nun plötzlich alle umgestellt werden? Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 30. November 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeit (EU-Richtlinie) enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung und verfolgt den Zweck, die Arbeitssicherheit sowie die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten und zu schützen. Die Richtlinie ist als Nachfolgeregelung zur Richtlinie 93/104/EG am 2. August 2004 in Kraft getreten und ergänzt die Richtlinie 89/391/EWG. Die EU-Richtlinie wurde zwischenzeitlich in Teilen durch die Arbeitszeitverordnung (ArbZVO), die für die rheinland-pfälzischen Landesbeamtinnen und Landesbeamten Anwendung findet, in nationales Recht umgesetzt. Die noch nicht in Landesrecht umgesetzten Regelungen der Richtlinie finden unmittelbare Anwendung. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie und die ArbZVO gelten grundsätzlich auch für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Wechselschichtdienst (WSD). Gleichwohl entsprechen einige Wechselschichtdienstmodelle (WSD-Modelle) der Polizei in unterschiedlichen Bereichen nicht allen Regelungen der Arbeitszeitverordnung bzw. der EU-Richtlinie (z. B. elf Stunden Ruhezeit im 24-Stunden Zeitraum, Dauer der Nachtarbeit von durchschnittlich acht Stunden im 24-Stunden Zeitraum). Die Beamtinnen und Beamten im WSD haben sich und ihre Lebensgewohnheiten an die von ihnen seit Jahren praktizierten WSD- Modelle angepasst und möchten diese in der Regel auch in der für sie bewährten Form beibehalten. Eine Umstellung auf EUund arbeitszeitkonforme Modelle ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beamtinnen und Beamten vor allem aus Fürsorgegesichtspunkten sowie dem Gesundheitsschutz erforderlich. Ein sachgerechter Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen des Gesundheitsschutzes sowie EU- und arbeitszeitrechtlicher Regelungen und den erheblichen Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Beibehaltung der langjährigen Praxis kann durch die Gewährung einer angemessenen Übergangszeit sowie eine aktive Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Veränderungsprozess erreicht werden. Aus diesem Grund wurde der Polizei im Jahr 2012 für die Einführung EU- und arbeitszeitrechtskonformer WSD-Modelle eine Übergangszeit von fünf Jahren gewährt. Die Überlegungen zur Umsetzung bestehen somit seit mehreren Jahren und mündeten schließlich im Sommer 2014 in das Projekt Personalplanung, das sich seit dem Frühjahr 2015 auch mit dem „Gesünderen Arbeiten in der Polizei“ befasst. Der WSD mit den dort praktizierten Arbeits- und Einsatzzeiten steht am Beginn dieses Projekts. Seit der Auftaktveranstaltung im September 2015 Drucksache 17/1732 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode arbeitet eine eigens hierfür eingesetzte Arbeitsgruppe (AG GAP) unter Beteiligung aller Behörden und Einrichtungen (BuE), des Hauptpersonalrates der Polizei und den Berufsvertretungen intensiv an dieser Thematik. In allen Präsidialbereichen wurden Informationsveranstaltungen mit Workshops für die Angehörigen des WSD durchgeführt. Ab Januar 2017 ist eine einjährige Pilot- Phase zur Erprobung von EU- und arbeitszeitrechtskonformen WSD-Modellen bei sieben ausgewählten Dienststellen vorgesehen. Für die Teilnahme an der Pilot-Phase haben sich 15 Polizeidienststellen beworben. In allen Fällen haben sich mindestens zwei Drittel der WSD-Angehörigen für die Teilnahme ausgesprochen. Die Dienststellen erproben von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgewählte WSD-Modelle, die den seitens der AG erarbeiteten Parametern entsprechen. Innerhalb dieser Parameter sind die Polizeidienststellen bei der konkreten Gestaltung der Dienstpläne frei und werden von der AG GAP und der Unternehmensberatung ars serendi bei diesem Prozess begleitet. Zu Beginn des Jahres 2018 wird die Evaluation der Pilotphase durchgeführt. Die Ergebnisse sollen in einer Rahmenregelung für die Polizei Rheinland-Pfalz münden. Eine Umstellung auf rechtskonforme und arbeitsmedizinisch gesündere WSD-Modelle ist das Ziel des aufwändigen Verfahrens im Teilprojekt Wechselschichtdienst. Bis dahin können die Dienststellen ihre bisherigen WSD-Modelle beibehalten. Von einer schnellstmöglichen, im Sinne einer vermeintlich über - eilten Umsetzung kann daher keine Rede sein. Zu Frage 2: In Artikel 8 der EU-Arbeitszeitrichtlinie ist die Dauer der Nachtarbeit geregelt. Diese soll für Nachtarbeiter im Durchschnitt acht Stunden pro 24-Stunden Zeitraum nicht überschreiten. Der Nachtdienst ist in § 8 ArbZVO geregelt. Danach ist der besonderen Beanspruchung der Arbeitskraft durch Nacht- und Schichtdienst bei der Dienstgestaltung Rechnung zu tragen. Schicht- und insbesondere Nachtarbeit ist im Vergleich zur Tagarbeit mit einem erhöhten gesundheitlichen Risiko verbunden. Aus arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen und Empfehlungen folgt, dass Nachtdienste grundsätzlich kürzer zu halten sind als Früh- und Spätschichten. Für die Pilot-Phase sind 12-Stunden Dienste an Sonntagen sowie den Oster- und Weihnachtsfeiertagen vorgesehen. Dadurch entstehen längere Freiblöcke für die Beamtinnen und Beamten im WSD, was sich positiv auf deren Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe auswirkt. Weil an den genannten Tagen die Arbeitsbelastung grundsätzlich geringer ist, wird durch die verbesserte soziale Teilhabe ein insgesamt positiver Effekt erwartet. Der Samstag hingegen ist grundsätzlich einer der arbeitsintensivsten Tage für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im WSD. Die längsten Nacht-/Dienstzeiten gerade an diesen Tagen mit hoher Arbeitsbelastung zuzulassen, steht für mich nicht im Einklang mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beamtinnen und Beamten und den Zielen des Projekts. Sofern der planbare Wechselschichtdienst betroffen ist, sind Ausnahmen zur EU-Arbeitszeitrichtlinie im Übrigen nur teilweise und in einem begrenzten Umfang möglich. Ziel der oben genannten Rahmenregelung für den WSD ist es auch, die durch die EU- Arbeitszeitrichtlinie und ArbZVO bestehenden Möglichkeiten bestmöglich zu nutzen und den Beamtinnen und Beamten sowie den Behörden und Einrichtungen innerhalb der rechtlichen Vorgaben größtmögliche Spielräume zu eröffnen. Zu den Fragen 3 und 4: Nein. Im Übrigen wird auf die Antwort der Kleinen Anfrage 17/1058 (Drucksache 17/1302) verwiesen. Zu Frage 5: Wie bereits ausgeführt, ist eine Umstellung auf rechtskonforme und arbeitsmedizinisch gesündere WSD-Modelle das Ziel des Teilprojektes Wechselschichtdienst. Einige der in der Polizei praktizierten WSD-Modelle entsprechen nicht den EU- und arbeitszeitrechtlichen Vorgaben und laufen zudem arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen und Empfehlungen zur Gestaltung von Nachtund Schichtarbeit zuwider. Im Rahmen der in den Behörden und Einrichtungen durchgeführten Workshops haben ein Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die sozialen und gesundheitlichen Probleme als die bedeutendsten Nachteile im WSD benannt. Die gesundheitlichen Auswirkungen von Schicht- und insbesondere Nachtarbeit lassen sich zwar nicht beseitigen, jedoch positiv beeinflussen. Das ist neben den rechtlichen Vorgaben der Grund, warum die derzeit praktizierten WSD-Modelle verändert werden sollen. Dies gebietet auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im WSD. Roger Lewentz Staatsminister