Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 3. Januar 2017 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1736 zu Drucksache 17/1518 30. 11. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Anna Köbberling (SPD) – Drucksache 17/1518 – Netzausbau „Ultranet“: Betrieb von Hybrid-Masten in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1518 – vom 7. November 2016 hat folgenden Wortlaut: Im Zusammenhang mit dem Netzausbau „Ultranet“ planen die Netzbetreiber Amprion und TransnetBW, bis zum Jahr 2019 eine bereits vorhandene Wechselstromtrasse ebenfalls mit Hochspannungsgleichstromleitungen auszubauen Es handelt sich um das erste Mal, dass Wechselstrom- und Gleichstromleitungen auf denselben Masten verlegt werden. Diese sogenannte „Hybrid-Trasse“ verläuft zwischen Osterath und Philippsburg über 340 km teilweise oberirdisch, davon einen großen Teil durch dicht besiedeltes Gebiet in Rheinland-Pfalz. Der gesetzlich vorgeschriebene 400-Meter-Abstand zur Wohnbebauung (wie im Neubau von Höchstspannungsstromtrassen ) gilt dabei nicht. Nach Auffassung einiger Bürgerinitiativen soll diese Art der Leitungsführung gesundheitsgefährdend sein. Studien zur Unbedenklichkeit von Hybridleitungen existieren leider nicht. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung aus Studien zur Gesundheitsgefährdung von Hybrid-Masten vor? 2. Wie beurteilt die Landesregierung das Risiko, dass es durch die Hybrid-Masten zu Gesundheitsgefährdungen kommt? 3. Wie wird die Landesregierung einen wirksamen Schutz der Bevölkerung vor Strahlungsfolgen durch Hybridleitungen sicherstellen ? 4. Wie ist der aktuelle Planungsstand bei der oben genannten Trasse? Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 29. November 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Bei „Ultranet“ handelt es sich um ein Pilotprojekt für die verlustarme Übertragung hoher Leistungen über weite Entfernungen mittels Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungstechnik (HGÜ). Es zählt zu den Vorhaben, die das Bundesbedarfsplangesetz nicht mit Erdkabelvorrang kennzeichnet. Der Grund hierfür liegt darin, dass in erheblichem Umfang bestehende Leitungsinfrastruktur genutzt werden kann. Für das im Anwendungsbereich des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) angesiedelte bundesländerübergreifende Vorhaben ist die Bundesnetzagentur zuständig. Die Genehmigung erfolgt in zwei Schritten. In der Bundesfachplanung wird von der Bundesnetzagentur ein ein Kilometer breiter Trassenkorridor für den Verlauf der Leitung festgelegt . Erst nach Abschluss der Fachplanung wird der konkrete Verlauf innerhalb dieses Korridors in einem Planfeststellungsverfahren fixiert. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Zur gesundheitlichen Bewertung der elektrischen und magnetischen Felder von Wechselstromleitungen liegen Stellungnahmen sowohl des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) wie auch der Strahlenschutzkommission (SSK) vor, welche jeweils die Ergebnisse der einschlägigen und qualifizierten internationalen wissenschaftlichen Studien berücksichtigen. Neben den Empfehlungen der Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) und europäischen Vorgaben sind sie Grundlage für die Regelungen der 26. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz zum Schutz vor elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern (26. BImSchV). Für HGÜ-Anlagen liegt ebenfalls eine Empfehlung der SSK aus dem Jahre 2013 vor, sowie eine Veröffentlichung des Bundesamts für Strahlenschutz von September 2015. Darüber hinaus hat das Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit der Uniklinik RWTH Aachen im Auftrag der Bundesnetzagentur im März 2013 eine Fachstellungnahme zur gesundheitlichen Wirkung elektrischer und magnetischer Felder von Stromleitungen herausgegeben, die ebenfalls beide Übertragungsarten betrachten. Drucksache 17/1736 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Die genannten Veröffentlichungen thematisieren zum Teil auch Hybridleitungen. Akute gesundheitliche Wirkungen von Wechselfeldern sind gut erforscht und werden durch die Grenzwerte der 26. BImSchV sicher verhindert. Neben akuten gesundheitlichen Wirkungen können bei elektrischen Wechselfeldern unangenehme bzw. belästigende Wahrnehmungen auftreten, wie Hautkribbeln oder Vibrationen von Körperhaaren. Die Wahrnehmungsschwelle ist hierbei von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Auch können sich leitfähige Gegenstände im Umfeld von Leitungen elektrisch aufladen, sodass es bei Berührung zu Entladungen kommen kann. Neben den Grenzwerten gibt die 26. BImSchV vor, dass bei im Einzelfall zulässigen kurzzeitigen und kleinräumigen Grenzwertüberschreitungen keine Belästigungen durch die genannten indirekten Wirkungen hervorgerufen werden dürfen. Magnetische Gleichfelder, wie sie durch HGÜ-Leitungen erzeugt werden, können wie magnetische Wechselfelder im menschlichen Körper zusätzliche elektrische Felder und Körperströme verursachen und damit grundsätzlich gleichartige Wirkungen entfalten. Für Gleichstromanlagen nennt die 26. BImSchV einen Grenzwert für die magnetische Flussdichte des statischen magnetischen Felds. Dieser Grenzwert liegt bei 500 µT und ist so angelegt, dass negative Wirkungen auf die Funktionsfähigkeit von Herzschrittmachern ausgeschlossen sind. Die SSK geht allerdings davon aus, dass die Größe der maximal auftretenden magnetischen Flussdichten bei HGÜ-Leitungen nicht über den Variationsbereich des Erdmagnetfelds hinausgeht und erwartet daher keine gesundheitlichen Wirkungen. Die SSK geht hierbei weiterhin davon aus, dass dies auch für Hybridleitungen gilt. Nach Einschätzung der SSK sind die physikalischen Wirkungen elektrischer Gleichfelder „gut bekannt“. Sie werden nahezu vollständig vom Körper abgeschirmt und können daher nur die Körperoberfläche aufladen. Die SSK geht insgesamt davon aus, dass durch die von HGÜ-Leitungen ausgehenden elektrischen Gleichfelder zwar, wie bei elektrischen Wechselfeldern auch, indirekte Wirkungen in Form von Wahrnehmungen und Belästigungen auftreten können, jedoch keine direkten gesundheitlichen Wirkungen zu erwarten sind. Die SSK empfiehlt, die Netzbetreiber darauf hinzuweisen, „mögliche Sekundäreffekte durch geeignete, primär konstruktive Abhilfemaßnahmen zu unterbinden.“ In der 26. BImSchV gibt es für Gleichstromanlagen die qualitative Maßgabe, dass „Wirkungen wie Funkenentladungen auch zwischen Personen und leitfähigen Objekten, die zu erheblichen Belästigungen oder Schäden führen können, vermieden werden“. Hierbei sind die Immissionen aller Anlagen zu berücksichtigen, d. h. bei Hybridanlagen auch von parallel vorhandenen Wechselstromleitungen . Neben den vorbeschriebenen Wirkungen von Wechsel- und Gleichstromleitungen liegen derzeit keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, dass durch das Zusammenwirken von Gleich- und Wechselfeldern bei Hybridleitungen Synergieeffekte entstehen, die weitere Gesundheitsgefährdungen begründen. Es gibt derzeit lediglich Hinweise, dass es beim Zusammenwirken elektrischer Gleich- und Wechselfelder früher zu belästigenden Wirkungen kommen kann. Dies wird im weiteren Planungsverfahren zu klären sein. Zu Frage 2: Die Landesregierung geht nicht davon aus, dass es durch Hybridleitungen auf bestehenden Masten zu Gesundheitsgefährdungen kommt, die über die unter Frage 1 beschriebenen Risiken hinausgehen. Gleichwohl bleiben bei der Beurteilung der jeweiligen konkreten Planungen im Einzelfall noch offene Fragen, die im jeweiligen Genehmigungsverfahren abzuprüfen und zu bewältigen sind. Dies betrifft eine mögliche belästigende Wirkung durch Entladungsvorgänge, die durch geeignete Maßnahmen sicher zu verhindern ist, wie auch eine mögliche zusätzliche Geräuschentstehung. Zu Frage 3: Das Land wird sich im Genehmigungsverfahren „Ultranet“ für ein hohes Schutzniveau im Interesse der Nachbarschaft einsetzen. Dazu gehört der Nachweis, dass die elektrischen und magnetischen Felder die Schwellen gesundheitlicher Wirkungen unterschreiten und dass eine mögliche belästigende Wirkung bewertet und durch geeignete Maßnahmen vermieden wird. Die Landesregierung wird das Genehmigungsverfahren kritisch begleiten und insbesondere im bebauten Bereich darauf drängen, dass die Erdverkabelung als zu präferierende Alternative realisiert wird. Zu Frage 4: Für den Abschnitt zwischen Weißenthurm und Riedstadt wurde Ende Oktober 2015 die Bundesfachplanung beantragt. Die Bundesnetzagentur hat daraufhin am 23. Februar 2016 eine Antragskonferenz in Mainz durchgeführt. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Antragskonferenz sind im Juni 2016 die vorzulegenden Unterlagen bestimmt worden. Diese betreffen zunächst den Trassenkorridor und mögliche Alternativen. Die Unterlagen muss die Vorhabenträgerin bis zum 24. Februar 2017 bei der Bundesnetzagentur vorlegen. Ulrike Höfken Staatsministerin