Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. Januar 2017 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1823 zu Drucksache 17/1609 12. 12. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gabriele Bublies-Leifert (AfD) – Drucksache 17/1609 – Plastikverpackungen und -müll Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1609 – vom 16. November 2016 hat folgenden Wortlaut: Kunststoffe dienen besonders häufig als Verpackungsmaterial: Schutzfolien, Tüten, Becher und Flaschen verbrauchen über ein Drittel der Gesamtmenge des verwendeten Plastiks – weit mehr als Fahrzeuge, Elektronikgeräte oder Haushaltsprodukte zusammen. Einmal benutzt landen die Verpackungen meist schon im Müll. Allein in Deutschland handelt es sich um etwa fünf Millionen Tonnen an Kunststoffabfällen jährlich, die zu entsorgen sind. Die Rohstoffe für Plastik sind nicht unbegrenzt. Daher frage ich die Landesregierung: 1. Wie schätzt die Landesregierung Gesundheitsrisiken durch Plastikverpackungen von Lebensmitteln ein, insbesondere durch sogenannte Weichmacher? 2. Fördert die Landesregierung Alternativen zu Plastikverpackungen? Falls ja, welche? 3. Ist das Thema der Schädlichkeit von Plastikmüll in der Landschaft, insbesondere in den Gewässern, in den Lehrplänen aller rheinland-pfälzischen Schulen verankert worden? 4. Wie viel Prozent der Plastikabfälle in Rheinland-Pfalz werden aktuell in Müll verbrennungsanlagen und Industrieöfen verfeuert? 5. Wie hat sich die werkstoffliche Recyclingquote bei den Kunststoffabfällen in Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren entwickelt? 6. Aktuell sind der „Gelbe Sack“ beziehungsweise die „Gelbe Tonne“ nur für Leichtverpackungen gedacht. Plant die Landesregierung die flächendeckende Einführung einer Wertstofftonne für alle Sorten Kunststoff? Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 9. Dezember 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Lebensmittelverpackungen bzw. die sog. „Lebensmittelkontaktmaterialien“ sind nach europäischem Recht so herzustellen, dass sie unter normalen oder vorhersehbaren Verwendungsbedingungen keine Bestandteile auf Lebensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu gefährden, eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel herbeizuführen oder eine Beeinträchtigung der organoleptischen Eigenschaften der Lebensmittel herbeizuführen. Für Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff gelten zudem ergänzende europarechtliche Vorgaben. So bedürfen u. a. diejenigen Stoffe, die bei der Herstellung der Kunststoffschichten der Lebensmittelverpackung verwendet werden dürfen, der Zulassung. Die Debatte über Gesundheitsrisiken von Bestandteilen in Kunststoffverpackungen wurde in den vergangenen Jahren besonders lebhaft in Verknüpfung mit Weichmachern und endokrinen Disruptoren, also im Körper hormonell wirksamen Stoffen, geführt. Zu deren Wirkung hat insbesondere das Umweltbundesamt (UBA) umfangreiche Informationen zusammengestellt. Mit der Regelung von endokrinen Disruptoren in Bioziden und Pestiziden befasst sich zurzeit auch die EU-Kommission. Endokrine Disruptoren stehen nach aktuellem Stand der Wissenschaft unter anderem im Zusammenhang mit Unfruchtbarkeit, Krebs, Diabetes und neurologischen Beeinträchtigungen wie bspw. ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Vor allem Föten im Mutterleib, Kleinkinder und Pubertierende sind durch endokrine Disruptoren gefährdet. Synthetisch hergestellte Chemikalien mit hormonähnlicher Wirkung sind u. a. in Pestiziden, Bioziden, Kosmetika, Spielzeug, Kleidung und Verpackungen zu finden. Wie das UBA ausführt, sind einige als Weichmacher eingesetzten Phthalate endokrine Disruptoren. Einige Phthalate können beispielsweise die männliche Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union stuften beispiels- Drucksache 17/1823 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode weise die Phthalate Di(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP), Dibutylphthalat (DBP) und Benzylbutylphthalat (BBP) als fortpflanzungsgefährdend ein. Di(2-propylheptyl)phthalat (DPHP) wirkt im Tierversuch schädigend auf lebenswichtige Hormondrüsen, die Schilddrüse und die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse). Diese steuert wichtige Körperfunktionen und kontrolliert das Hormonsystem des Körpers. Bei Di-isononylphthalat (DINP) und Di-isodecylphthalat (DIDP) steht die lebertoxische Wirkung im Vordergrund . Für die verschiedenen Phthalate gibt es unterschiedliche Grenzwerte, um die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. Bislang beziehen sich die Bewertungen der EU jedoch jeweils auf einzelne Stoffe. Das mögliche Zusammenwirken mehrerer Phthalate wird nicht bewertet. Wie das UBA betont, setzt sich in jüngster Zeit allerdings die Auffassung durch, dass bestimmte Phthalate als Gruppe bewertet werden sollten, weil sich ihre Wirkungen addieren können. Eine Anpassung der Grenzwerte ist deshalb geboten. Nach Untersuchungen des UBA, das die Aufnahme von DEHP, stellvertretend für weitere Phthalate untersucht, wurde festgestellt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher DEHP hauptsächlich oral aufnehmen, Hauptaufnahmequelle sind Lebensmittel. Die in der Untersuchung festgestellte Aufnahme von DEHP war in der Regel allerdings zu gering, um bei Erwachsenen ein gesundheitliches Risiko befürchten zu müssen. Untersuchungen bei Kindern zeigten jedoch, dass bei diesen teilweise eine gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr vollständig ausgeschlossen werden konnte. Es wurde bei diesen Bewertungen jedoch nur die Wirkung des aufgenommenen Phthalats einbezogen, eine additive Wirkung mit weiteren aufgenommenen Phthalaten wurde noch nicht berücksichtigt. Zu Frage 2: Es ist alleine Aufgabe der Wirtschaftsbeteiligten, im Rahmen der gesetzlichen Regelungen geeignete Verpackungen für Lebensmittel zu entwickeln und zu verwenden. Dazu sind spezifische Förderungen des Landes weder vorgesehen noch erforderlich. Aus Sicht der Landesregierung ist es im Sinne der Abfallvermeidung dringend notwendig, dass beim Produkt- und Verpackungsdesign , neben gesundheitlichen Gesichtspunkten, auch der Abfallvermeidung und der Recycelbarkeit deutlich mehr Gewicht beigemessen wird. Unnötige Verpackungen gilt es auch im Sinne des Ressourcen- und Umweltschutzes zu vermeiden. Die Landesregierung führt deshalb Aufklärungskampagnen zur Abfallvermeidung und zur Information der Bürgerinnen und Bürger über mögliche Risiken, die von Abfällen in der Umwelt ausgehen, durch. Unter dem Motto „Umweltschutz im Alltag“ hat das federführende Umweltministerium beispielsweise im November 2016 das Thema „Littering – Müll in der Landschaft vermeiden“, im November 2014 das Thema „Verpackungsabfälle vermeiden“ und im Oktober 2014 das Thema „Mikroplastik“ behandelt. Zudem hat das Landesamt für Umwelt Ende 2014 einen Bericht über Mikrokunststoffe veröffentlicht. Die Themen können auf der Home - page des Landesamts für Umweltschutz abgerufen werden. Darüber hinaus fand eine Veranstaltung in der Reihe „Mittwochs im MUEEF“ zum Thema „Plastik – wie können wir Risiken verringern“ am 7. Dezember 2016 statt. Zu Frage 3: Der verantwortungsvolle Umgang mit Plastikmüll ist in den Lehrplänen verschiedener Fächer und in unterschiedlichen Klassen - stufen verankert. Bereits im Teilrahmenplan Sachunterricht der Grundschule findet eine Erstbegegnung mit den Themen Müllvermeidung und Mülltrennung vor dem Hintergrund eines respektvollen Umgangs mit der Natur und einer ökologischen Nutzung und Gestaltung von Räumen statt. Diese Erstbegegnung setzt sich innerhalb des Faches Naturwissenschaften in der Jahrgangsstufe 6 aller weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz fort. Im Rahmen von Themenfeld 7 „Stoffe im Alltag“ wird im Kontext von Mülltrennung und Stoff-Recycling auch die Schädlichkeit von Plastikmüll in der Landschaft thematisiert. Im Lehrplan Chemie der Klassenstufen 7 bis 9/10 für alle weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz beschäftigt sich eines der insgesamt zwölf Themenfeldern explizit mit Kunststoffen. Im Rahmen dieses Themenfeldes findet unter anderem unter dem Aspekt Umwelt und Verantwortung erneut eine Auseinandersetzung und multiperspektivische Bewertung der Schädlichkeit von zum Beispiel Plastikabfällen in der Landschaft statt. Im Chemie-Unterricht der gymnasialen Oberstufe findet sowohl im Leistungs- als auch im Grundfach eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Schädlichkeit von Plastikmüll innerhalb des Lehrplan-Bausteins „Kunststoffe – Umweltaspekte und Recycling“ statt. Hier werden sowohl die Umweltbelastung durch Herstellung und Anwendung von Kunststoffen als auch das Deponieverhalten von Kunststoffmüll sowie mögliche Ersatzstoffe thematisiert. Darüber hinaus ist das Thema „Schädlichkeit von Plastikmüll“ auch in anderen Fächern Unterrichtsgegenstand. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/1823 Zu Frage 4: Nach der Consultic-Studie „Produktion, Verarbeitung und Verwertung von Kunststoffen in Deutschland 2015“ werden bundesweit 99 Prozent der Kunststoffe verwertet, davon 53 Prozent energetisch. Landesspezifische Daten liegen nicht vor. Zu Frage 5: In dem Zeitraum von 1994 bis 2015 stieg die Kunststoffabfallmenge von 2,80 auf 5,92 Millionen Tonnen an. Nach der Consultic- Studie „Produktion, Verarbeitung und Verwertung von Kunststoffen in Deutschland 2015“ stieg die werkstoffliche Verwertungsmenge der Kunststoffabfälle von 1,25 Millionen Tonnen in 1994 auf 2,667 Millionen Tonnen in 2015 an. Landesspezifische Daten liegen nicht vor. Zu Frage 6: Die Landesregierung hat sich für ein Wertstoffgesetz des Bundes eingesetzt, weil nicht zuletzt aus ökologischen wie aus ökonomischen Gründen einheitliche Rahmenbedingungen für eine Wertstofferfassung und -verwertung sowie deren Finanzierung der Vorzug zu geben ist. Sie hat daher das vorläufige Scheitern einer umfassenden Regelung mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Allerdings sieht der vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) vorgelegte Entwurf eines Verpackungsgesetzes in Fortsetzung des bestehenden Rechts vor, dass sich die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger mit den Systemen über eine Wertstofferfassung auf freiwilliger Basis im Rahmen der Abstimmung verständigen können. Neben der bundesrechtlichen Regelung bleibt kein Raum für Landesrecht. Die Landesregierung wird sich auch weiterhin für ein notwendiges Wertstoffgesetz auf Bundesebene einsetzen. Ulrike Höfken Staatsministerin 3