Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. Januar 2017 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1880 zu Drucksache 17/1663 19. 12. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gabriele Bublies-Leifert (AfD) – Drucksache 17/1663 – Beschnittene Frauen in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1663 – vom 22. November 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Zahl der von Genitalverstümmelung betroffenen afrikanischen und orientalischen Frauen in Deutschland ist stark gestiegen. Rund 48 000 Frauen seien es im Jahr 2015 gewesen, etwa 9 300 Mädchen seien gefährdet, teilte die Frauenrechtsorganisation Terre des femmes im Juni dieses Jahres unter Berufung auf eigene Hochrechnungen mit. Das sei eine Steigerung um 37 Prozent bei den Betroffenen – und um 57 Prozent bei den Gefährdeten im Vergleich zu 2014. Der Anstieg sei vor allem auf die „verstärkte Migration aus Ländern mit hoher Prävalenzrate“ zurückzuführen, erklärte die Organisation. Insbesondere betreffe dies Eritrea (89 Prozent) und Somalia (98 Prozent). Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Ist der Landesregierung bekannt, wie hoch der Anteil der Genitalverstümmlungen bei den in Rheinland-Pfalz lebenden Migrantinnen ist? 2. In wie vielen Fällen nahmen Frauen diesbezüglich bereits ärztliche Hilfe in Rheinland-Pfalz in Anspruch? 3. Wie hoch sind die Kosten für die gesetzlich Krankenversicherten in Rheinland-Pfalz seit 2014 a) für rekonstruktive Operationen bei beschnittenen Frauen? b) bzgl. Komplikationen bei Geburten (betrifft vor allem Typ-II und Typ-III B Beschnittene)? c) für die Behandlung sonstiger gesundheitlicher Folgen der Beschneidung einschließlich psychischer Beratung und Betreuung? 4. Was unternimmt die Landesregierung, um Genitalverstümmelungen bei Mädchen und Frauen während des Aufenthalts in Rheinland -Pfalz zu verhindern? 5. Welche Anstrengungen hat die Landesregierung bisher unternommen, um afrikanische Familien/Personen aus Eritrea und Somalia, welche seit 2014 nach Deutschland eingereist sind, in ihre Länder oder ihren Kulturkreis zurückzuführen? Ggf. mit welchem Erfolg? Das Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Dazu liegen der Landesregierung keine Zahlen vor. Das Statistische Landesamt erhält einmal jährlich Angaben über stationär versorgte Patientinnen und Patienten von den Krankenhäusern im Rahmen der Krankenhausdiagnosestatistik. Hierbei sind im Jahr 2015 grundsätzlich keine Fälle von weiblicher Genitalverstümmelung in der Eigenanamnese (ICD-Code: Z91.7) gemeldet worden. Im Bereich der ambulanten Versorgung werden diese Angaben nicht erhoben. Zu Frage 2: Nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz wurden im Jahr 2014 bei 162 Patientinnen ohne eine Erfassung der Nationalitäten der ICD-Code N90.8 „sonstige nicht näher bezeichnete nichtentzündliche Krankheiten der Vulva und des Perineums“ abgerechnet. Darunter fällt auch die weibliche Genitalverstümmelung. Im Jahr 2015 waren es 160 Patientinnen und im ersten Halbjahr 2016 wurde bei 375 Patientinnen der ICD-Code N90.8 abgerechnet. Hinter der Formulierung des ICD-Codes N90.8 „sonstige nicht näher bezeichnete nichtentzündliche Krankheiten der Vulva und des Perineums“ können sich neben einer Genitalverstümmelung auch andere Krankheiten verbergen. Aufgrund des Anstiegs in der ersten Jahreshälfte 2016 kann die Kassenärztliche Vereinigung nicht ausschließen, dass der überwiegende Teil der Patientinnen unter einer weiblichen Genitalverstümmelung leidet, ohne aber eine konkrete Zahl oder eine Prozentzahl nennen zu können und ohne dass der Zeitpunkt der Erkrankung erfasst wurde. Drucksache 17/1880 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Zu Frage 3: Die Landesregierung verfügt über keine Zahlen hinsichtlich der Kosten der Krankenkassen für gesetzlich Krankenversicherte in Rheinland-Pfalz für die unter Buchstaben a) bis c) genannten ärztlichen beziehungsweise psychotherapeutischen Leistungen. Hierzu werden keine standardisierten Statistiken geführt, weder bei der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland noch den drei Betriebskrankenkassen , die unter der Rechtsaufsicht des Landes stehen, ebenso nicht bei den übrigen 112 Krankenkassen. Zu Frage 4: In Rheinland-Pfalz gibt es Vereine, die Informationen, Veranstaltungen, Beratungen und Aufklärungsarbeit zum Problem der Genitalverstümmelung anbieten und dafür von der Landesregierung gefördert werden. Ein Beispiel dafür ist der Frauennotruf in Mainz, der wiederholt Veranstaltungen dazu auch für medizinische und sozialpädagogische Fachkräfte in der Frauenklinik der Universitätsmedizin in Mainz angeboten hat. Darüber hinaus gibt es den Verein Mahaliya e. V., der 2014 gegründet wurde und betroffene Frauen und Mädchen unterstützt und begleitet. Er bietet gemeinsame Räume der Begegnung, Infoveranstaltungen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie Beratungen für bestimmte Berufsgruppen an, die mit Betroffenen arbeiten. Auch die Landesministerien haben sich zu dem Thema engagiert, z. B. hat 2011 das Justizministerium in Kooperation mit dem Frauen ministerium und dem Verein „TABU e. V. – Gegen Genitalverstümmelung, für Frauen- und Kinderrechte“ eine Ausstellung mit einer Informationsveranstaltung im Landgericht in Mainz durchgeführt. Es gibt darüber hinaus ein ausgebautes Netz an Zufluchts- und Beratungsstellen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Zwölf Frauen - notrufe, 16 Interventionsstellen, 17 Frauenhäuser und 14 Frauenhaus-Beratungsstellen stehen (auch) von Genitalverstümmelung bedrohten Frauen und Mädchen offen. Auf die Beratung von Frauen mit Migrationshintergrund spezialisiert ist SOLWODI e. V. mit Einrichtungen in Mainz, Boppard, Koblenz und Ludwigshafen. In Mainz gibt es außerdem die Sozialtherapeutische Mädchenberatungsstelle bei FEMMA e. V., der auch die Mädchenzuflucht in Mainz angeschlossen ist. Darüber hinaus ist das Präventionsbüro RONJA in Westerburg eine weitere Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Mädchen. Schließlich stehen auch Migrationsfachdienste in Rheinland-Pfalz sowie Kinderschutzeinrichtungen wie die 17 Kinderschutzdienste zur Verfügung. All diese Einrichtungen werden vom Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz gefördert. Auch Lehrkräfte haben in der Schule Kontakt zu möglicherweise betroffenen und gefährdeten Mädchen und ihren Familien. Um diese Mädchen unterstützen und schützen zu können, benötigen die Lehrkräfte Wissen und Sensibilität für das Thema Genitalverstümmelung . Der rheinland-pfälzische Landtag hat mit Beschluss vom 5. Februar 2010 die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen als „schwere Menschenrechtsverletzung und Diskriminierung der Frau“ verurteilt und gleichzeitig gefordert, u. a. auch Lehrkräfte für dieses Thema verstärkt zu sensibilisieren. Entsprechende Informationen für Lehrkräfte sowie Verweise auf Materialien und Beratungs stellen sind auf dem Bildungsserver bereitgestellt. Betroffene Schülerinnen sollen wissen, dass sie an ihrer Schule Unterstützung und Hilfe erfahren, wenn sie in Bedrängnis geraten. Das rheinland-pfälzische Schulgesetz verpflichtet Schulen in § 3, Anhaltspunkten einer Kindeswohlgefährdung nachzugehen und zu versuchen, diese durch schulische Maßnahmen abzuwenden bzw. auf die Inanspruchnahme erforderlicher weitergehender Hilfen hinzuwirken und ggf. mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten. Sie haben hierzu nach § 4 KKG (Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz) Anspruch auf fachliche Beratung zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft (insoFa). Diese Fachkraft hat besondere Kenntnisse in Fragen der Diagnostik, der Entwicklungspsychologie und der Kinderschutzarbeit. Kontaktdaten der insoweit erfahrenden Fachkräfte sind beim zuständigen Jugendamt erhältlich. Außerdem werden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Rheinland-Pfalz in Aus- und Fortbildung über den Tatbestand des § 226 a StGB (Verstümmelung weiblicher Genitalien) informiert und sind in der in Rede stehenden Thematik sensibilisiert. Dies erfolgt bereits im Bachelorstudium an der Hochschule der Polizei und setzt sich im Kontext unterschiedlicher Fortbildungsveranstaltungen fort. Ferner ist das Thema anlassbezogen Gegenstand im Besprechungswesen der Polizei. Zu Frage 5: Für die Rückführung sind die kommunalen Ausländerbehörden zuständig. Zwangsweise Rückführungen nach Somalia und Eritrea sind nicht möglich, da für Abschiebungen keine Pass- oder Passersatzdokumente ausgestellt werden. Anne Spiegel Staatsministerin