Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 30. Januar 2017 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/1958 zu Drucksache 17/1806 28. 12. 2016 A n t w o r t des Ministeriums des Innern und für Sport auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Ralf Seekatz (CDU) – Drucksache 17/1806– Fehler bei Probealarm über KATWARN Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/1806 – vom 9. Dezember 2016 hat folgenden Wortlaut: Wie der Presse zu entnehmen war, sind bei der Probealarmierung über das Katastrophenwarnsystem KATWARN Fehler insofern aufgetreten, dass nicht alle Smartphone-Benutzer eine Warnung erhalten haben. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie oft ist es seit Einführung von KATWARN zu Fehlern bzw. Problemen gekommen? 2. Was sind die Gründe für die derzeitigen Fehler? 3. Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um solche Fehler dauerhaft abzustellen? 4. Wie kann dauerhaft garantiert werden, dass das Katastrophenwarnsystem zuverlässig funktioniert? 5. Gibt es regelmäßige Überprüfungen auf die Funktionsfähigkeit des Systems? 6. Wenn ja, welche und in welcher Form? Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 27. Dezember 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Das Katastrophenwarnsystem KATWARN wird von den öffentlichen Versicherern – vertreten durch die Firma CombiRisk GmbH – betrieben. Das Land Rheinland-Pfalz hat im Januar 2015 lediglich die Nutzungsrechte für seine landesspezifischen Warnungen erworben . Rheinland-Pfalz hat allen Landkreisen und kreisfreien Städten empfohlen, sich ebenfalls und in eigener Verantwortung die Rechte für KATWARN oder einem ähnlichen System zu sichern. Das Land förderte die Erstinstallation solcher Systeme in 2015 und 2016. Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage wurde die Firma CombiRisk GmbH als Betreiber des Systems um Stellungnahme gebeten. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Bei rund 500 realen Warnereignissen in ganz Deutschland seit Einführung des Warnsystems KATWARN in Rheinland-Pfalz am 21. Mai 2015 gab es außerhalb von Rheinland-Pfalz zwei Fälle mit relevanten Auffälligkeiten: – Brand Hamburger Hafen am 8. August 2016 Gegen 18.00 Uhr gab es im KATWARN-System ein Sicherheits-Update. Hierbei gab es einen Fehler im KATWARN-System, der dazu geführt hat, dass die KATWARN-Warnung in Hamburg (gegen 20.30 Uhr) nicht alle Empfänger erreicht hat. Der Fehler wurde über das Monitoring-System bemerkt und vom KATWARN-Team sogleich behoben. – Amoklage in München am 22. Juli 2016 Durch die Verbindung verschiedener Umstände kam es kurzzeitig zu erhöhten Antwortzeiten der Server für Lageinformationen (bis zu einer Minute). Nutzer, die sich während der Akutlage neu als Nutzer registrieren lassen wollten, erhielten von dem System keine Antwort und haben den download-Vorgang der App abgebrochen. – Ab 20.00 Uhr wurden alle Meldungen in kurzer Zeit an eine viertel Million KATWARN-Nutzer im Großraum München versendet. – Zusätzlich kam es innerhalb weniger Stunden zu rund einer halben Million neuen Downloads der App. Drucksache 17/1958 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode – Parallel gab es eine große deutschlandweite Unwetterlage mit rund zwei Millionen Warnnachrichten, die durch KATWARN versendet wurden. – Zusätzlich gab es eine Überlastung des allgemeinen Mobilfunknetzes. Das Anmeldesystem wurde daraufhin vom Kernsystem weiter entkoppelt. Es traten bis dato keine vergleichbaren Probleme auf. Es ist kein anderes System bekannt, bei dem es während dieser Gefahrenlage am 22. Juli 2016 keine Auffälligkeiten gab. Von einer relevanten Auffälligkeit müssen systembedingte Auffälligkeiten unterschieden werden: – Auffälligkeiten durch Bedienfehler/Technikfehler beim Warnempfänger (z. B. Smartphone falsch eingestellt), – Auffälligkeiten durch Standort des Warnempfängers außerhalb des vom Ortungssystem erfassten Warnbereichs oder durch systembedingte Ungenauigkeiten der Ortungssysteme, – Organisatorisch bedingte Auffälligkeiten (z. B. Verzögerung) beim Versand der Meldungen. Des Weiteren müssen Auffälligkeiten während Pilot-, Probe- und Testläufen separat betrachtet werden, da hier das primäre Ziel gerade in der Fehleraufdeckung und -analyse liegt (vgl. hierzu Antwort zu Frage 3). Zu Frage 2: Der Probealarm am 5. Dezember 2016 in Rheinland-Pfalz hat erstmals die Übermittlung von Hochwasserwarnungen für kleine Flüsse getestet, um die für KATWARN neue Datenlage (Hochwasserwarnungen) unter realen Bedingungen zu evaluieren. Das Auffinden von möglichen technischen Schwachstellen war zentrales Anliegen. Alle vorhergehenden nicht öffentlichen Tests haben keine Auffälligkeiten gezeigt. Nachdem der Probealarm ausgelöst worden war, erhielt nur etwa die Hälfte der KATWARN-Nutzer in Rheinland-Pfalz die entsprechenden Push-Meldungen (Warnungen mit akustischem Signal). Bei der Analyse des Probealarms durch das Fraunhofer-Institut FOKUS stellten sich folgende Ursachen heraus: – Datenstau: Bei der informationstechnischen Aufbereitung der Datensätze kam es zu Verzögerungen mit einem teilweisen Verlust von Push-Meldungen. Vom Hochwassermeldedienst wurden gleichzeitig 35 Warnungen (für 35 Flussgebiete) abgesetzt. Die einzelnen Warn-Polygone (Datensätze für geografische Umgrenzungen der zu bewarnenden Gebiete) waren hoch aufgelöst. Der Datenstau wurde durch die Kombination aus einer Vielzahl von Warnungen mit hoch aufgelöster geografischer Abgrenzung verursacht. Das Problem wurde bei mehreren vorherigen nicht öffentlichen Tests nicht als solches erkannt. – Unvollständige Abdeckung: Der Hochwassermeldedienst bewarnt im akuten Hochwasserfall nur Flussgebiete und nicht das ganze Bundesland. Somit wurden für einzelne Abschnitte entlang der Mosel keine Warnungen abgesetzt. Hierdurch wurden maximal fünf Prozent der KATWARN-Nutzer nicht erreicht. – Eingeschränkte Funktionalität von Smartphones bestimmter Anbieter: Auf Smart-Phones bestimmter Anbieter funktioniert die KATWARN-App und insbesondere die Push-Benachrichtigung nur sehr unzuverlässig. Hierdurch wurden etwa zwei Prozent der KATWARN-Nutzer nicht erreicht. Zu Frage 3: Die Durchführung von Probealarmen ist die wichtigste Maßnahme, um neue Funktionalitäten und Datensätze unter Echtbedingung zu überprüfen. Die Landesregierung sieht sich daher bestätigt darin, bereits 2015 gemeinsam mit Verantwortungsträgern von Städten und Landkreisen in Rheinland-Pfalz für KATWARN abgestimmte und feste Probealarm-Termine etabliert zu haben: – Das Land Rheinland-Pfalz löst an jedem ersten Montag im Dezember durch die ADD Trier einen landesweiten Probealarm KATWARN aus. Beim landesweiten Probealarm 2016 wurden zusätzlich die neuen KATWARN-Strukturen in Verbindung mit den Hochwasser-Warnungen beübt und bewarnt. – Die Landkreise und kreisfreien Städte lösen an jedem ersten Montag im April eines Jahres selbstständig KATWARN-Probealarme in ihrem Zuständigkeitsbereich aus. – Die mit der Auslösung von KATWARN beauftragten Integrierten Leitstellen in Rheinland-Pfalz lösen an jedem ersten Montag im August eines Jahres Probealarme in ihren Zuständigkeitsbereichen aus. – Alle Probealarme werden an den vereinbarten Terminen jeweils um 11.00 Uhr ausgelöst. Frühestens nach einer Stunde soll entwarnt werden. Es findet zudem ein enger Austausch auf Fachebene mit den Entwicklern des KATWARN-Systems (Fraunhofer-Institut) statt, u. a. auf eigens dafür eingerichteten jährlichen bundesweiten KATWARN-Anwendersymposien sowie weiteren Regionaltreffen. Zu Frage 4: Um die beschriebenen Auffälligkeiten im Kontext Hochwassermeldung RHEINLAND-PFALZ zukünftig auszuschließen, werden bzw. wurden bereits folgende Maßnahmen ergriffen: – Die Auffälligkeiten wurden intensiv auf der internen Entwicklungs- und Teststellung des Fraunhofer-Institut FOKUS durchgespielt und analysiert. Dabei bestätigte sich, dass die Auffälligkeiten nur im Kontext Hochwasserwarnung auftreten. – Das Institut hat daraufhin die gemeinsame Schnittstelle zwischen den Systemen angepasst. Eingehende feingranulare Polygone werden mittlerweile durch das System vereinfacht und können dadurch optimiert und sicher verarbeitet werden. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/1958 Zu den Fragen 5 und 6: Es gibt zwei Arten von regelmäßigen Überprüfungen der Funktionsfähigkeit des Systems: – Synthetische Testalarme ohne Benachrichtigung der Nutzerinnen und Nutzer. Diese internen „Round-Trips“ prüfen etwa fünfminütig die technische Funktionsfähigkeit des Systems. Zudem werden Weiterentwicklungen auf einem Testsystem geprüft, wie es auch für die Datensätze aus dem Hochwassermeldedienst der Fall war. – Probealarme, bei denen Warnungen an die Nutzerinnen und Nutzer versendet werden: Das Ziel der Probealarme liegt darin, erstens Organisationsprozesse und die Systemnutzung in den auslösenden Stellen zu evaluieren, zweitens das technische System selbst und ggf. neue Funktionen und Datenformate zu überprüfen und drittens, die Bevölkerung für die Nutzung zu sensibilisieren. Ob ein Probealarm durchgeführt wird, liegt – ebenso wie die Echt-Warnung selbst – in der Verantwortung der angeschlossenen Gebietskörperschaft, in deren Hand das Warnsystem nach dem formellen Start übergeht. Nahezu alle der an KATWARN angeschlossenen Gebietskörperschaften haben bereits Probealarme durchgeführt oder haben sie in Planung. Es gibt sowohl Probealarme auf Ebene eines Einzelnen (z. B. Hamburg als Stadt) oder abgestimmte Probealarme mehrerer Gebietskörperschaften (z. B. in Rheinland-Pfalz und Bayern als Bundesländer mit ihren zugehörigen Landkreisen und Städten). Jedem Probealarm folgen umfangreiche Analysen der Ergebnisse, die in regelmäßigen und anlassbezogenen Systemerweiterungen und Updates berücksichtigt werden. Die Erfahrungen mit den Überprüfungen werden zudem transparent auf regelmäßigen Symposien und Treffen der KATWARN-Anwender dargestellt und diskutiert sowie in die weitere Forschung des KATWARN- Entwicklers Fraunhofer FOKUS einbezogen. – Zusätzliche werden zweimal pro Woche durch an KATWARN angebundene Industriebetriebe Probealarme auf Ebene der autorisierten Areale (Werksgelände) durchgeführt. – Es besteht für jede Bürgerin und jeden Bürger die Möglichkeit, einen persönlichen Testalarm auf dem eigenen Smartphone auszulösen. Da diese persönlichen Testalarme über die KATWARN-Infrastruktur abgebildet werden, wird damit gleichzeitig die Funktionsfähigkeit für das persönliche Endgerät verifiziert. In Vertreung: Randolf Stich Staatssekretär 3