Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 13. März 2017 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/2422 zu Drucksache 17/2197 02. 03. 2017 A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Wäschenbach (CDU) – Drucksache 17/2197 – Energiewende mit Eigenstrom im Industriestandort Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/2197 – vom 2. Februar 2017 hat folgenden Wortlaut: Die Energiewende muss gelingen. Dazu gehört auch die Eigenstromgewinnung und Eigenstromnutzung mit Fotovoltaik, Windkraftanlagen , Kleinwindanlagen, Wasserkraft, Biogas und die Kraft-Wärme-Kopplung-Anlagen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie viele Firmen in Rheinland-Pfalz produzieren eigenen Strom mit welchen Anlagen und welcher Leistung? 2. Wie viele Privathaushalte in Rheinland-Pfalz produzieren eigenen Strom mit welchen Anlagen und welcher Leistung? 3. Wie werden welche Anlagen nach dem EEG (Umlagen) befreit oder auch nicht? 4. Wie kann nach der zu erwartenden neuen EEG-Novellierung die klimafreundliche Eigenstromproduktion für neue Anlagen gestärkt und nicht belastet werden? 5. Welchen Anteil an der Gesamtmenge des Energiebedarfs hat die Eigenerzeugung in Rheinland-Pfalz? Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 1. März 2017 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die rheinland-pfälzische Landesregierung unterstützt den weiteren Ausbau der Eigenstromerzeugung in Industrie, Handwerk und Gewerbe sowie in den privaten Haushalten als wichtige Maßnahme für eine kosteneffiziente Umsetzung der Energiewende sowie als wirksamen Beitrag zum Klimaschutz. So können durch die Nutzung des eigen erzeugten Stroms nicht nur die Kosten des externen Strombezugs reduziert, sondern auch der notwendige Umfang des Netzausbaus insbesondere auf der Ebene der Übertragungsnetze gesenkt werden. Eigenstromerzeugungsanlagen auf der Basis erneuerbarer Energien und hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung tragen zu einer Verminderung energiebedingter Treibhausgasemissionen bei und leisten somit einen wichtigen Beitrag zum Erreichen unserer energieund klimaschutzpolitischen Zielsetzungen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu den Fragen 1, 2 und 5: Die Eigenerzeugung von Energie wird weder auf der Ebene des Bundes noch des Landes Rheinland-Pfalz energiestatistisch vollumfänglich erfasst. Die industrielle Eigenstromerzeugung einschließlich der Erzeugung von Elektrizität und Wärme in Kraft-Wärme-Kopplung wird in den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden erst ab einer elektrischen Engpassleistung (brutto) von einem Megawatt (MW) oder mehr statistisch erfasst. Entsprechend den Daten des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz verfügten im Bilanzjahr 2015 insgesamt 26 Betriebe über eine elektrische Nettoengpassleistung von insgesamt 1 293 MW. Die Nettostromerzeugung dieser Anlagen betrug in 2015 ca. 7,6 Terrawattstunden (TWh), davon wurden mit 7,242 TWh ca. 95,3 Prozent in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt. Allein die industrielle Eigenstromerzeugung ab einer elektrischen Engpassleistung (brutto) von einem MW hatte in 2014 einen Anteil, bezogen auf den rheinland-pfälzischen Gesamtbruttostromverbrauch, von ca. 26 Prozent sowie an der Gesamtstromerzeugung von ca. 42 Prozent. Drucksache 17/2422 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Die industrielle Nettostromerzeugung erfolgte in 2015 zu ca. 90,2 Prozent aus Erdgas, zu ca. 4,1 Prozent aus Prozessdampf, Abwärme und Abhitze in Stromerzeugungsanlagen, zu ca. 2,2 Prozent aus sonstigen hergestellten Gasen und zu ca. 1,1 Prozent aus festen biogenen Stoffen und Klärschlamm. Auf der Grundlage der Daten des Berichts „Aktueller Stand der KWK-Erzeugung“1), der vom Öko-Institut e. V. in 2014 für das Bundes - ministerium für Wirtschaft und Energie erstellt wurde, lässt sich für Rheinland-Pfalz eine Nettostromerzeugungsleistung aus KWK- Anlagen mit einer elektrischen Engpassleistung (brutto) kleiner einem MW von ca. 65 MW in 2012 abschätzen. Der Landesregierung liegen keine vollständigen energiestatistischen Daten zur Eigenstromerzeugung und -nutzung in privaten Haushalten vor. Daten für den Verbrauch von selbst erzeugtem Strom liegen ausschließlich für Photovoltaikanlagen vor. Entsprechend den Angaben des Statistischen Landesamts Rheinland-Pfalz betrug der Eigenverbrauch aus Photovoltaik-Anlagen in 2015 ca. 76 Mio. Kilowattstunden (kWh). Eine Aussage über die Anzahl und Struktur der dieser Strommenge zuzuordnenden Produzenten (Anlagen, Betriebe, Privathaushalte etc.) ist damit aber nicht verbunden. Für die Photovoltaik lassen sich jedoch qualifizierte Potenzialabschätzungen zur Eigenstromerzeugung in privaten Haushalten vornehmen . Nach Angaben der Bundesnetzagentur waren in Rheinland-Pfalz zum Ende des Jahres 2016 insgesamt ca. 94 000 Photovoltaikanlagen installiert. Davon haben etwa 58 000 Anlagen bzw. ca. 62 Prozent eine Leistung kleiner gleich 10 Kilowatt Peak (kWp). Diese Anlagen können im Wesentlichen dem privaten Bereich zugeordnet werden. In Summe ergibt sich eine gesamte installierte Leistung dieser Anlagen in Höhe von ca. 368 Megawatt Peak (MWp). Nach Ablauf des jeweiligen Festvergütungszeitraums bei Bestandsanlagen sowie mit zunehmender Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von PV-Batterieanlagen steht dieses Leistungspotenzial zukünftig zunehmend für die Eigenstromversorgung zur Verfügung. Für andere Stromerzeugungsarten liegen keine entsprechend quantifizierbaren Daten vor. Zu den Fragen 3 und 4: Bereits im Rahmen der Novellierung des EEG in 2014 wurde bei Neuanlagen die vollständige Befreiung von eigen erzeugtem und verbrauchtem Strom bedauerlicherweise weitgehend aufgehoben. Bei neuen Eigenstromanlagen sind lediglich Anlagen nach § 61 a EEG 2017 vollständig von der Zahlung der EEG-Umlage befreit, – wenn sie nicht an ein Netz der allgemeinen Versorgung angeschlossen sind (Inselbetrieb), – wenn sich der Eigenversorger selbst vollständig mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt und für den Strom aus seiner Anlage , den er nicht selbst verbraucht, keine Zahlung von EEG-Förderung in Anspruch nimmt oder – wenn Strom aus Stromerzeugungsanlagen mit einer installierten Leistung von höchstens 10 kW erzeugt wird, für höchstens 10 MWh selbst verbrauchten Stroms pro Kalenderjahr und für eine Zeitdauer von 20 Kalenderjahren zuzüglich des Inbetriebnahmejahres . Darüber hinaus ist der Kraftwerkseigenverbrauch vollständig von der EEG-Umlage befreit. Nach § 61 b EEG wird eine teilweise Befreiung von Eigenstrom aus Neuanlagen ausschließlich für Erneuerbare-Energien- und hoch - effiziente KWK-Anlagen (Jahres- bzw. Monatsnutzungsgrad mindestens 70 Prozent) gewährt. Seit dem 1. Januar 2017 betragen die Zahlungen 40 Prozent der EEG-Umlage. Eine Neufassung der gesetzlichen Regelungen zur Belastung von Eigenstrom aus Bestandsanlagen mit der Zahlung der EEG-Umlage erfolgte Ende 2016 durch das Gesetz zur Änderung der Bestimmungen zur Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung und zur Eigenversorgung (KWKG-EEG-Änderungsgesetz). Diese gesetzlichen Regelungen sind zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten. Diese Neuerungen stellen aus Sicht der Landesregierung eine Fehlsteuerung seitens der Bundesregierung dar. Sie benachteiligen den dezentralen Ausbau der Energieerzeugung, insbesondere gegenüber großen Kraftwerken, meist Kohle- und Atomkraftwerken, anstatt ihn zu forcieren. Für Bestandsanlagen verringert sich nach § 61 c EEG die Zahlung der EEG-Umlage auf 0 Prozent, wenn – der Letztverbraucher die Stromerzeugungsanlage als Eigenerzeuger betreibt, – der Letztverbraucher den Strom selbst verbraucht und – der Strom nicht durch ein Netz durchgeleitet wird, es sei denn, der Strom wird im räumlichen Zusammenhang zu der Stromerzeugungsanlage verbraucht. 2 1) https://www.oeko.de/oekodoc/2118/2014-674-de.pdf Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/2422 Anlagen gelten dabei als Bestandsanlagen, wenn – der Letztverbraucher die Anlage vor dem 1. August 2014 als Eigenerzeuger betrieben hat, – die Anlage vor dem 23. Januar 2014 genehmigt wurde, vor dem 1. August 2014 Strom erzeugt hat und vor dem 1. Januar 2015 genutzt wurde, – die Anlage nicht nach dem 31. Dezember 2017 erneuert, erweitert oder ersetzt wurde und – die Anlage vor dem 1. Januar 2018 ohne Erhöhung der installierten Leistung um mehr als 30 Prozent erneuert, erweitert oder ersetzt wurde. Bei älteren Bestandsanlagen entfällt das Kriterium des räumlichen Zusammenhangs von Stromerzeugung und Stromverbrauch. Ältere Bestandsanlagen sind Stromerzeugungsanlagen, die der Letztverbraucher vor dem 1. September 2011 als Eigenerzeuger betrieben hat und die nicht in dem Zeitraum vom 31. Juli 2014 bis zum 1. Januar 2018 mit einer Leistungssteigerung größer 30 Prozent erneuert, erweitert oder ersetzt worden sind. Nach § 61 e Abs. 1 EEG sind bei Erneuerung oder Ersetzen von Bestandsanlagen sowie älteren Bestandsanlagen auch ohne Erweiterung der Anlagenleistung nach dem 31. Dezember 2017 für den eigen erzeugten und verbrauchten Strom 20 Prozent der EEG- Umlage zu zahlen. Das gilt nicht für ältere Bestandsanlagen, wenn die gesamte Stromerzeugungsanlage schon vor dem 1. Januar 2011 von dem Letztverbraucher, der die Verringerung in Anspruch nimmt, unabhängig vom Eigentum und unter der Tragung des vollen wirtschaftlichen Risikos für die Erzeugung von Strom genutzt und auf dem Betriebsgrundstück des Letztverbrauchers errichtet wurde. Die EEG-Umlage verringert sich auch bei Erneuerungen und Ersetzungen auf 0 Prozent, wenn – die Bestandsanlage oder die ältere Bestandsanlage noch der handelsrechtlichen Abschreibung oder der EEG-Förderung unterliegt oder – die Stromerzeugungsanlage, die die Bestandsanlage oder die ältere Bestandsanlage erneuert oder ersetzt, nicht vollständig handelsrechtlich abgeschrieben worden ist, – durch die Erneuerung oder Ersetzung die Erzeugung von Strom auf Basis von Stein- oder Braunkohle zugunsten einer Erzeugung von Strom auf Basis von Erdgas oder erneuerbaren Energien an demselben Standort abgelöst wird. Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat sich bereits sehr frühzeitig bei der Bundesregierung und der EU-Kommission dafür eingesetzt, dass auch weiterhin sowohl neue als auch bestehende Eigenstromerzeugungsanlagen auf der Basis von erneuerbaren Energien sowie von hocheffizienten Erdgas-KWK-Anlagen von der Zahlung der EEG-Umlage befreit bleiben. Als Beispiele hierfür werden aufgezählt: – Eigenstromgipfel für Industriebetriebe am 17. Februar 2014 und 10. März 2014, – „Mainzer Erklärung zu den Plänen der Bundesregierung für eine Neuregelung der Eigenstromerzeugung in der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)“ vom 20. März 2014, – Gespräch mit EU-Kommission sowie industriepolitische Veranstaltung des damaligen Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung (MWKEL) am 10. November 2015 in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Brüssel, – Eigenstromgipfel des MWKEL am 15. Dezember 2015 in Mainz, – Bundesratsinitiative zum „Erhalt des Vertrauensschutzes bei bestehenden Anlagen zur industriellen Erzeugung von Eigenstrom“ vom 20. Januar 2016, behandelt im Bundesrat am 29. Januar 2016. In dieser Bundesratsinitiative forderte das Land Rheinland-Pfalz gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen die Bundesregierung auf, den Fortbestand der Befreiung der Eigenstrombestandsanlagen sicherzustellen und sich im Sinne des Vertrauensschutzes bei der Euro - päischen Kommission dafür einzusetzen, dass bestehende Eigenstrom-Anlagen im Rahmen des geltenden Beihilferechts auch über das Jahr 2017 hinaus von der EEG-Umlage befreit werden können. Im Rahmen der Bundesratsbefassung mit dem KWKG-EEG-Änderungsgesetz hat sich das Land Rheinland-Pfalz durch Änderungsanträge dafür eingesetzt, dass der im EEG 2014 enthaltene Bestandsschutz bei der vollständigen Befreiung von Strom aus Eigenerzeugungsanlagen von der Zahlung der EEG-Umlage im Falle einer Erweiterung der Anlagenleistung um bis zu 30 Prozent beibehalten werden soll und Betreiber kleiner Eigenstromerzeugungsanlagen und hier insbesondere PV-Anlagenbetreiber nicht mit neuen unangemessenen bürokratischen Verpflichtungen belastet werden. Um auch Mietern in Mehrfamilienhäusern an einer wirtschaftlich vorteilhaften Nutzung von Eigenstrom teilhaben zu lassen, unter - stützt das Land die Einführung von angemessenen und praxistauglichen Mieterstrommodellen. Das aktuelle EEG enthält in § 95 Nr. 2 eine Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung, die es ermöglichen soll, Mieter, die Strom aus der auf dem Wohngebäude angebrachten Solaranlage beziehen, mit Eigenversorgern gleichzustellen. Mieter müssten dann eine auf 40 Prozent reduzierte EEG-Umlage zahlen. Hierfür wird sich die Landesregierung einsetzen. 3 Drucksache 17/2422 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Durch den Einsatz von Stromspeichern, wie beispielsweise PV-Batterien, kann eigene Erzeugung und Nutzung von Strom weiter ausgebaut werden. Um die Wirtschaftlichkeit der Stromspeicherung zu verbessern, unterstützt die rheinland-pfälzische Landesregierung die Befreiung der Stromspeicherung von Letztverbraucherabgaben und -umlagen. Durch die Neufassung der Regelungen zur Befreiung von eigen erzeugtem und genutztem Strom von der EEG-Umlage im Rahmen des EEG 2014 und 2017 hat die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für den Neubau sowie für die Modernisierung und Erweiterung bestehender Eigenstromerzeugungsanlagen erheblich verschlechtert. Dabei verkennt die Bundesregierung die zahlreichen positiven Effekte, die mit einem weiteren Ausbau der Eigenstromerzeugung verbunden sind. Hierzu zählen u. a. die Verminderung des Netzausbaubedarfs, die höhere Kosteneffizienz bei der Umsetzung der Energiewende, aber auch die Verbesserung der Versorgungssicherheit . Wie auch in der Beantwortung der Fragen 3 und 4 detailliert ausgeführt wird, hat sich die rheinland-pfälzische Landesregierung in den zurückliegenden Jahren bereits wiederholt auf der Ebene des Bundes, aber auch in Gesprächen mit hochrangigen Vertretern der Europäischen Union gegen die Einführung rechtlicher Regelungen eingesetzt, die den weiteren Ausbau der Eigenstromerzeugung, aber auch Investitionen in effizienzsteigernde Maßnahmen in Bestandsanlagen behindern. Die Landesregierung wird sich auch zukünftig für eine vollständige Befreiung des eigen erzeugten und verbrauchten Stroms von der EEG-Umlage sowohl bei neuen als auch bei bestehenden Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie hocheffizienten KWK-Anlagen auf der Basis von Bioenergie, regenerativ erzeugten Brennstoffen oder Erdgas einsetzen. Ulrike Höfken Staatsministerin 4