Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 11. April 2017 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/2671 zu Drucksache 17/2442 28. 03. 2017 A n t w o r t des Ministeriums der Justiz auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) – Drucksache 17/2442 – Ausweitung des beschleunigten Verfahrens gemäß StPO Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/2442 – vom 6. März 2017 hat folgenden Wortlaut: Das beschleunigte Verfahren soll in Fällen, in denen ein einfacher Sachverhalt oder eine klare Beweislage gegeben ist und lediglich eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr in Betracht kommt, eine zeitnahe und effektive Verhandlung und Erledigung ermöglichen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat seit dem 1. März 2015 mit dem bestehenden Pilotprojekt „Kurzer Prozess für Kriminelle“ bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf zur Durchführung besonders be schleunigter Verfahren (§§ 127 b, 417 ff. StPO) gute Erfahrungen gemacht. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie viele beschleunigte Verfahren nach den §§ 417 ff. StPO wurden in den Jahren 2015 und 2016 in Rheinland-Pfalz durchgeführt? 2. Liegt der Landesregierung der Erfahrungsbericht des Pilotprojektes „Kurzer Prozess für Kriminelle“ von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf zur Durchführung besonders beschleunigter Verfahren (§§ 127 b, 417 ff. StPO) vor? Wenn nein, wird sich entsprechend informiert werden? 3. Wird auch in Rheinland-Pfalz ein ähnliches Pilotprojekt wie das der Staatsanwaltschaft Düsseldorf durchgeführt? Wenn nein, warum nicht? 4. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, dass das beschleunigte Verfahren nach den §§ 417 ff. StPO und das Adhäsionsverfahren mehr in Praxis Anwendung findet? 5. Wie viele Anträge im Rahmen eines Strafverfahrens im sogenannten Adhäsionsverfah ren wurden vor den Strafgerichten in Rheinland-Pfalz gestellt bzw. wurden entsprochen (bitte aufgegliedert nach den Jahren 2015 und 2016)? 6. Stellt Rheinland-Pfalz zwischenzeitlich einen Musterantrag bei Gericht für das Adhäsionsverfahren zur Verfügung, wo die Bürger ihren Anspruch bei Gericht einfach und schnell geltend machen können, ähnlich wie das Land Hessen verfährt? Wenn nein, wa rum immer noch nicht? 7. Plant die Landesregierung, zwischenzeitlich die Erweiterung der Nebenklagemöglichkeit im Jugendstrafverfahren bei schweren Vergehen und schwerwiegenden Verletzungsfol gen aufseiten des Opfers im Rahmen einer Bundesratsinitiative zu ermöglichen? Wenn nein, warum immer noch nicht? Das Ministerium der Justiz hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 24. März 2017 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: In den Jahren 2015 und 2016 wurden in Rheinland-Pfalz jeweils 22 beschleunigte Verfahren nach den §§ 417 ff. Strafprozessordnung (StPO) durchgeführt. Zu den Fragen 2 und 3: Die Erfahrungen Nordrhein-Westfalens, Bayerns und Berlins mit dem sogenannten „besonders beschleunigten Verfahren“, d. h. der Kombination von beschleunigtem Verfahren (§§ 417 ff. StPO) und Hauptverhandlungshaft (§ 127 b StPO), waren Gegenstand der Beratungen der Justizministerkonferenz am 1. und 2. Juni 2016 in Brandenburg (dort TOP II.17). Es wurden die Möglichkeiten erörtert , die ein derartiges Vorgehen insbesondere in Ballungszentren bietet. Die diskutierten Erfahrungsberichte stammten ganz überwiegend aus den Großräumen Düsseldorf, Köln und Berlin. Schon aufgrund dieser mit Rheinland-Pfalz nicht vergleichbaren Gegebenheiten drängt sich ein ähnliches Pilotprojekt nicht auf. Drucksache 17/2671 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Zu Frage 4: a) Beschleunigtes Verfahren Gemäß § 417 StPO kommt die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens in Betracht, „wenn die Sache aufgrund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist“, also zum Beispiel, wenn der Beschuldigte geständig ist oder andere zum eindeutigen Tatnachweis geeignete Beweismittel zur Verfügung stehen. Die Landesregierung betrachtet das beschleunigte Verfahren als eine Möglichkeit, eine Strafe „auf dem Fuße“ folgen zu lassen. Allerdings dürfen rechtsstaatliche Grundsätze, insbesondere das Recht auf ein faires Verfahren und die Verteidigungsmöglichkeiten für Beschuldigte durch einen beschleunigten Verfahrensablauf nicht beeinträchtigt werden. Die Landesregierung verkennt auch nicht, dass die Durchführung beschleunigter Verfahren im Vergleich zum Strafbefehlsverfahren einen erheblichen organisatorischen und personellen Mehraufwand verursacht. Insofern sind der praktischen Anwendung und einer Intensivierung Grenzen gesetzt. b) Adhäsionsverfahren Die Landesregierung ist sich der Vorteile bewusst, welche die Durchführung eines Adhäsionsverfahrens für die Geschädigten einer Straftat haben kann. In der Praxis des Strafverfahrens kommt ihm – in Rheinland-Pfalz ebenso wie in den übrigen Bundesländern – allerdings eine eher geringe Bedeutung zu. Dies ist vor allem darin begründet, dass sich die Durchführung eines Adhäsionsverfahrens schon aus rechtlichen Gründen nicht für alle Strafverfahren eignet. Um das opferschützende Adhäsionsverfahren zu fördern, stellt das Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz auf seiner Homepage unter der Rubrik „Themen/Opferschutz“ Informationen zum Adhäsionsverfahren in Gestalt von Fragen und Antworten bereit. Auch das im Jahre 2016 vollständig überarbeitete „Merkblatt für Opfer einer Straftat“, das in Rheinland-Pfalz in deutscher sowie in 29 weiteren Sprachen vorliegt, weist Opferzeuginnen und -zeugen auf die Möglichkeit des Adhäsionsverfahrens hin. Zu Frage 5: Anträge auf Durchführung eines Adhäsionsverfahrens sowie Angaben darüber, wie vielen dieser Anträge entsprochen wurde, werden statistisch nicht erhoben. Die vom Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz gemäß der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in Straf- und Bußgeldsachen herausgegebene Zusammenstellung enthält lediglich Angaben über die Anzahl der Urteile sowie der gerichtlich protokollierten Vergleiche in Adhäsionsverfahren, die der nachstehenden Übersicht entnommen werden können. 2 Amtsgerichte 2016 2015 Urteile in Adhäsionsverfahren 232 263 davon Endurteile 223 256 Grundurteile 9 7 gerichtlich protokollierte Vergleiche 24 34 Landgerichte 2016 2015 Urteile in Adhäsionsverfahren 3 7 davon Endurteile 2 6 Grundurteile 1 1 gerichtlich protokollierte Vergleiche 3 4 Oberlandesgerichte 2016 2015 Urteile in Adhäsionsverfahren 0 0 davon Endurteile 0 0 Grundurteile 0 0 gerichtlich protokollierte Vergleiche 0 0 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/2671 Zu Frage 6: Im Juli 2015 hat die Polizei in Rheinland-Pfalz landesweit den Vordruck „Adhäsionsantrag“ eingeführt, der über das polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem oder über die Formular-Webseite der Polizei Rheinland-Pfalz abrufbar ist. Der Vordruck dient insbesondere für Anträge im Zusammenhang mit Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 der Kleinen Anfrage 3487 vom 15. Juli 2015 verwiesen (Landtagsdrucksache 16/5291). Zu Frage 7: Zur Beantwortung wird auf die Antwort zu Frage 6 der Kleinen Anfrage 3487 vom 15. Juli 2015 (Landtagsdrucksache 16/5291) verwiesen. Die Sach- und Rechtslage ist unverändert. Herbert Mertin Staatsminister 3