Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 19. April 2017 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/2699 zu Drucksache 17/2460 30. 03. 2017 A n t w o r t des Ministeriums für Bildung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Sylvia Groß (AfD) – Drucksache 17/2460 – Sexualpädagogik in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/2460 – vom 7. März 2017 hat folgenden Wortlaut: Die Sexualpädagogik unserer Zeit wird von einem starken Wunsch nach Vielfalt geprägt und bringt fortwährend neue Hilfsmittel zur Schulverwendung auf den Markt. Ich frage die Landesregierung: 1. Plant die Landesregierung eine Änderung des Landesschulgesetzes Rheinland-Pfalz in Bezug auf die Stärkung der Akzeptanz sexueller Vielfalt? 2. Wie sehen die verschiedenen Lehrpläne in Rheinland-Pfalz die Stärkung der Akzeptanz sexueller Vielfalt vor? 3. An welchen Schulen in Rheinland-Pfalz werden Unterrichtseinheiten aus „Sexualpädagogik der Vielfalt“, Untertitel „Praxismethoden zu Identitäten, Beziehungen, Körper und Prävention für Schule und Jugendarbeit“, der Autoren E. Tuider, M. Müller, S. Timmermanns, P. Bruns-Bachmann, C. Koppermann verwendet? 4. An welchen Schulen in Rheinland-Pfalz findet die Unterrichtseinheit der Bundeszentrale für politische Bildung „Coming-out im Klassenzimmer“ Anwendung? 5. Welche anderen Materialien welcher Organisationen finden an rheinland-pfälzischen Schulen Verwendung zur Stärkung der Akzeptanz sexueller Vielfalt? Das Ministerium für Bildung hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 29. März 2017 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Zum Bildungsauftrag gehört es, die wertschätzende Gestaltung von Gemeinschaft, Beziehungen und Kommunikation zu fördern. Dazu gehört nach § 1 Abs. 3 Schulgesetz (SchulG) auch die Sexualerziehung. Sexualerziehung ist als Erziehung zu verantwortungsbewusstem geschlechtlichem Verhalten Teil der Gesamterziehung und wird fächerübergreifend durchgeführt. Sie soll die Schülerinnen und Schüler ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechend in gebotener Zurückhaltung mit den Fragen der Sexualität vertraut machen sowie zu menschlicher, sozialer und gleichberechtigter Partnerschaft befähigen. Die Sexualerziehung hat die vom Grundgesetz und von der Verfassung für Rheinland-Pfalz vorgegebenen Wertentscheidungen für Ehe und Familie zu achten und dem Gebot der Toleranz Rechnung zu tragen. Eine Änderung der entsprechenden Regelungen des Schulgesetzes ist nicht geplant. Zu Frage 2: Die Richtlinien zur Sexualerziehung konkretisieren die o. g. Vorgaben des Schulgesetzes. Sie setzen den Akzent auf die Unterstützung der Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung eines verantwortungsvollen und selbstbestimmten Umgangs mit Sexualität. Dabei werden Sexualität und Partnerschaft als wesentliche Bestandteile der menschlichen Existenz verstanden, auf die in der Regel das Wertesystem der Herkunftskultur nachhaltig einwirkt. Sexualerziehung muss daher die vielfältigen Beziehungsaspekte, Lebensstile, Lebenssituationen, Werthaltungen und ethischen Aspekte altersgemäß berücksichtigen. Die Zuordnung der Inhalte zu einzelnen Fächern und Jahrgangsstufen erfolgt in den Rahmenplänen bzw. den Rahmenlehrplänen der jeweiligen Fächer oder der Lernbereiche. Die Lehrpläne geben dabei einen verbindlichen Rahmen mit einer Auswahl an Inhalten vor, anhand derer Schulen eigenverantwortlich schuleigene Arbeitspläne entwickeln. Information und Aufklärung über Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit ungeborener Kinder finden sich in unterschiedlichen Lehrplänen verschiedener Schularten und Schulstufen wieder. Drucksache 17/2699 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Anknüpfungspunkte gibt es im Lehrplan Gesellschaftslehre an Integrierten Gesamtschulen für die Klassenstufen 7 bzw. 8 bei den Themen „Mädchen und Jungen“, „Recht und Gerechtigkeit“ sowie „Gesellschaft der Zukunft“ (dort im Inhaltsbereich „Werte und Normen im Wandel“). Im Lehrplan Sozialkunde (an Realschulen plus und Gymnasien) sind die Themen „Familie in Gesellschaft und Staat“ sowie „Recht und Rechtsprechung – Vielfalt familiärer Lebensformen in unserer Gesellschaft“ (Sekundarstufe I) von Bedeutung. Entsprechendes gilt für „Gesellschaft im Wandel“ (Sekundarstufe II). Der Lehrplan für die naturwissenschaftlichen Fächer der weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz (Biologie-Physik-Chemie 7 bis 10) ermöglicht eine Behandlung in den Themenfeldern 6: „Erwachsen werden“ und 10 „Individualität und Entwicklung“. Im Fach Biologie (Sekundarstufe II) gehört der Inhaltsbaustein „Der Mensch als Liebender“ zum Thema „Entstehung & Veränderung lebender Systeme“. Im Lehrplan Ethik für die Sekundarstufe I wird konkret im Kapitel „Sexual- und Partnerschaftserziehung im Ethikunterricht“ auf die Thematik Bezug genommen. Von Bedeutung sind hier insbesondere die Lernziele „die Bereitschaft wecken, fundierte Kenntnisse zu erwerben, die zur sachlichen Aufklärung der vielfältigen Aspekte menschlicher Sexualität und Partnerschaft beitragen können“ sowie „zur Duldsamkeit und Achtung gegenüber den von eigenen Vorstellungen und Einstellungen abweichenden, wenngleich sozial tolerierbaren Lebensentwürfen und Lebensformen erziehen“. Der Lehrplan Evangelische Religionslehre (Sekundarstufe I) verortet das Thema im anthropologisch-ethischen Bereich, dort im Themenfeld „Liebe, Partnerschaft, Sexualität“. In der Sekundarstufe II soll beim Thema „Wer bin ich? – Nachdenken über den Menschen “ die Kompetenz „Die Schülerinnen und Schüler können eigene Erfahrungen des Menschseins und der Sinnsuche auf dem Hintergrund gesellschaftlich prägender Vorstellungen reflektieren“ gefördert werden. Im Lehrplan Katholische Religionslehre (Sekundarstufe I) gibt es Anknüpfungspunkte im Oberthema „Beziehungen gestalten: Freundschaft – Liebe – Partnerschaft“. In der Sekundarstufe II findet im Thema „Was ist der Mensch“ eine Auseinandersetzung über das „Verständnis von Freundschaft, Liebe, Sexualität“ statt. Dabei steht das ethisch verantwortete Umgehen mit der eigenen Sexualität und Respekt gegenüber der Sexualität anderer und sich mit gesellschaftlich akzeptierten und gesellschaftlich diskriminierten Formen der Sexualität und des Zusammenlebens im Vordergrund. Zu den Fragen 3 bis 5: Nach § 25 Abs. 1 SchulG gestalten die Lehrkräfte Erziehung und Unterricht der Schülerinnen und Schüler frei und in eigener pädagogischer Verantwortung im Rahmen der für die Schule geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, der Anordnungen der Schulaufsicht und der Beschlüsse der Konferenzen. Die für die Sexualerziehung im Unterricht gewählten Schwerpunkte sowie eingesetzten Materialien und Methoden müssen mit den Vorgaben der Richtlinie zur Sexualerziehung aus dem Jahr 2009 übereinstimmen. Konkrete Literaturhinweise sind in den Richtlinien nicht enthalten. Vor diesem Hintergrund prüft die jeweilige Lehrkraft, inwieweit Ansätze und konkrete Methoden zur Lerngruppe, das heißt zum Alter, zum Entwicklungsstand und zur Gruppenzusammensetzung passen. Das Bildungsministerium hat daher keine Kenntnis über den konkreten Einsatz bestimmter Unterrichtsmaterialien und einzelner Methoden. Es ist auch keine Aussage darüber möglich, an welchen Schulen das integrierte Lernkonzept für den Politikunterricht „Coming-out im Klassenzimmer“ der Bundeszentrale für politische Bildung oder einzelne Methoden aus dem Methodenbuch „Sexualpädagogik der Vielfalt“ an rheinland-pfälzischen Schulen Anwendung finden. In der Lehrerfortbildungsreihe zur Sexualerziehung, die in Kooperation mit der Landeszentrale für Gesundheitsförderung auf Basis der Richtlinie zur Sexualerziehung angeboten wird, erfolgt eine differenzierte Methodenschulung anhand einer breiten Auswahl aus der gängigen Fachliteratur. Dabei werden u. a. auch Methoden aus dem Methodenbuch „Sexualpädagogik der Vielfalt“ von Tuider, Timmermanns, Müller, Bruns-Bachmann, Koppermann sehr kritisch reflektiert. In diesem Kontext wird deutlich hervorgehoben , dass Methodenvorschläge nicht rezeptartig umgesetzt werden können und gegebenenfalls auch nicht für den Einsatz in der Klasse geeignet sind. Auswahl und Anpassung der Methoden müssen anhand der bestehenden Rahmenvorgaben, des Entwicklungsstands der Kinder und Jugendlichen sowie der Achtung der Persönlichkeitsrechte erfolgen. Werden außerschulische Fachkräfte für einzelne Themenbereiche in die Arbeit eingebunden, ist im Vorfeld zu klären, ob Inhalte und Akzentsetzungen mit den Zielen schulischer Sexualerziehung übereinstimmen und ob die geplanten Methoden kompatibel sind mit den schulischen Vorgaben und Rahmenbedingungen. Die Verantwortung für eine Maßnahme, die von der Schule angeboten wird, trägt immer die Schule beziehungsweise die einzelne Lehrkraft. Dr. Stefanie Hubig Staatsministerin