Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 19. Juli 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/271 zu Drucksache 17/72 28. 06. 2016 A n t w o r t des Ministeriums des Innern und für Sport auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) – Drucksache 17/72– Kürzel „A.C.A.B.“ Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/72 – vom 6. Juni 2016 hat folgenden Wortlaut: Eine Streife der Polizeiinspektion Wörth traf auf eine Gruppe Heranwachsender. Aus der Gruppe heraus wurden die eingesetzten Polizisten vom Täter gezielt mit den Worten „A.C.A.B.“ (All cops are bastards) angerufen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie oft wurden Polizeibeamte in den letzten fünf Jahren bei der Ausübung ihres Dienstes beleidigt (bitte aufgegliedert nach den einzelnen Jahren)? 2. Klagt das Land Rheinland-Pfalz aus Fürsorgegründen Schmerzensgeld für seine Bediensteten ein, wenn diese bei der Ausübung ihres Dienstes beleidigt werden? Wenn nein, warum nicht? 3. Wird in den Fällen, wo die Polizei mit Sprüchen wie „Fuck the police“ oder mit dem Kürzel „A.C.A.B.“ oder „FCK CPS“ beleidigt  werden, grundsätzlich durch den Dienstvorgesetzen Strafantrag wegen Beleidigung gemäß § 194 Abs. 3 StGB gestellt? Wenn nein, warum nicht? 4. Hat sich die Rechtsprechung des Amtsgerichts Kandel auch bei anderen Amtsgerichten in Rheinland-Pfalz durchgesetzt, dass die Buchstabenkombinationen „A.C.A.B.“ und „FCK CPS“ den Straftatbestand der Beleidigung darstellen? Wenn nein, gibt  es  gesetzgeberischen Verbesserungsbedarf? 5. Stellt das Tragen eines Bekleidungsstücks mit der Abkürzung „A.C.A.B.“ oder „FCK CPS“ in der Öffentlichkeit eine Ordnungswidrigkeit  nach § 118 OWiG dar? 6. Wenn Frage 5 mit ja beantwortet wird, wie viel Ordnungswidrigkeitsanzeigen wurden in den letzten drei Jahren nach § 118 OWiG wegen dem Tragen eines Bekleidungsstücks mit der Abkürzung „A.C.A.B.“ oder „FCK CPS“ in der Öffentlichkeit in Rheinland-Pfalz erstattet? Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 27. Juni 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Fallzahlen der in der Datei „Gewalt gegen Polizeibeamte (G2P)“ erfassten Beleidigungsdelikte zum Nachteil von Polizeibeamtinnen  und Polizeibeamten in Rheinland-Pfalz sind in der nachstehenden Tabelle niedergelegt. Hinweis: Unter Beleidigungen als Begleitdelikt sind Beleidigungen zu verstehen, die in Verbindung mit anderen rechtswidrigen Taten – z. B. einer Körperverletzung  oder einem Widerstandsdelikt – begangen wurden. Jahr Beleidigungen insgesamt reine Beleidigungsdelikte Beleidigungen als Begleitdelikt 2015 1 407 768 639 2014 1 354 798 556 2013 1 089 588 501 2012 930 408 522 2011 419 89 330 Drucksache 17/271 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Zu Frage 2: Nein.  Der  Anspruch  auf  Schmerzensgeld  steht  der  betroffenen  Beamtin  bzw.  dem  betroffenen  Beamten  zu,  sie  bzw.  er  ist  Anspruchsinhaberin bzw. Anspruchsinhaber. Die Landesregierung hat jedoch bereits mit der Verwaltungsvorschrift vom 15. Dezember 2004 (bzw. der Vorgängerregelung von 1991) über den „Rechtsschutz für Landesbedienstete“  (MinBl. 2005, S. 98)  frühzeitig eine Regelung getroffen, wonach Landesbediensteten   u.  a.  „für  ein  sonstiges Zivilverfahren  aus Anlass  einer  dienstlichen Tätigkeit“ Rechtsschutz  in Form  eines  zinslosen  Darlehens gewährt werden kann, wenn besondere Fürsorgegründe dies gebieten. Von dieser Regelung können Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die im Dienst beleidigt wurden und den immateriellen Schaden geltend machen, Gebrauch machen. Überdies bereitet die Landesregierung eine gesetzliche Regelung zur Übernahme titulierter, aber vom Schädiger bzw. der Schädigerin nicht erfüllter Schmerzensgeldansprüche durch das Land vor. Hierdurch entsteht ein weiterer Fürsorgebaustein für Beamtinnen und Beamte, die in Ausübung ihres Dienstes für die Allgemeinheit angegriffen und verletzt werden. Zu Frage 3: Bereits die Rechtsnatur des Strafantrages als Recht der Verletzten (§ 77 StGB) bzw. der Dienstvorgesetzten (§ 77 a StGB) verdeutlicht , dass es grundsätzlich in der Hand der bzw. des Antragsberechtigten liegen muss, ob Strafantrag gestellt oder ob darauf verzichtet  wird. Soweit sich Sprüche oder Kürzel mit beleidigendem Inhalt gegen einen individualisierbaren Personenkreis von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten richten und somit eine Strafbarkeit im Sinne des § 185 StGB (Beleidigung) gegeben sein kann, entscheidet  die oder der Dienstvorgesetzte  in eigener Zuständigkeit über die Stellung eines Strafantrages  im Sinne des § 194 Abs. 3 StGB.  Insoweit tritt diese oder dieser selbstständig neben die Verletzte bzw. den Verletzten, um die Interessen der Behörde, aber auch die seiner nachgeordneten Amtsträgerinnen oder Amtsträger zu wahren. Die Entscheidung der oder des Dienstvorgesetzten stellt sich als Ermessensentscheidung dar, die  individuelle Aspekte des Einzelfalles berücksichtigt und maßgeblich durch seine bzw.  ihre  beamtenrechtliche Fürsorgepflicht und durch Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte bestimmt wird. Zu Frage 4: Das fachlich zuständige Ministerium der Justiz führt zu dieser Frage wie folgt aus: Die Gerichte entscheiden nach Maßgabe des geltenden Rechts (Artikel 20 Abs. 3 GG) in Würdigung sämtlicher Umstände des  Einzelfalls. Nach Art. 97 GG sind Richterinnen und Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Das bedeutet, dass  Entscheidungen grundsätzlich nur im Rahmen der geltenden Gesetze angefochten und – sofern gesetzlich zulässig – durch übergeordnete  Gerichte überprüft werden können. Urteile entfalten daher grundsätzlich nur Bindungswirkung im konkreten Einzelfall.  Eine Überprüfung oder Abänderung gerichtlicher Entscheidungen durch das Ministerium der Justiz ist nicht zulässig; dies umfasst auch  die  Tatsachenfeststellung  sowie  die  Beweiswürdigung  der  Gerichte.  Dem  Ministerium  der  Justiz  sind  auf  Berichtsebene  (vgl. Rundschreiben des Ministeriums der Justiz vom 6. Dezember 2010 – 4107 – 4 – 1 – über Berichtspflichten in Strafsachen) keine Gerichtsurteile betreffend Beleidigungsdelikte zum Nachteil von Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen bekannt geworden. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf ist – auch unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten verfassungsrechtlichen Prämissen und höchstrichterlichen Rechtsprechung – zumindest derzeit nicht ersichtlich. Zu Frage 5: Das fachlich zuständige Ministerium der Justiz führt zu dieser Frage wie folgt aus: Erkenntnisse zu dem konkret geschilderten Vorfall bei der Polizeiinspektion Wörth  sowie zur allgemeinen Rechtsprechungspraxis  im Zusammenhang mit dem Darstellen der Abkürzungen „A.C.A.B.“ oder „FCK CPS“ liegen dem Ministerium der Justiz nicht vor. Für das Ministerium des Innern und für Sport ist zu ergänzen: Das Tragen eines Bekleidungsstücks mit der Abkürzung „A.C.A.B“ oder „FCK CPS“ kann wegen der aus § 118 Abs. 2 OWiG  folgenden Nachrangigkeit nur dann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann. Folglich scheidet § 118 OWiG aus, wenn eine individualisierte Beleidigung nach § 185 StGB vorliegt. Zu Frage 6: Aufgrund  datenschutzrechtlicher  Bestimmungen  unterliegen  Vorgänge  wie  Ordnungswidrigkeiten  nach  §  118  OWiG  im  polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem POLADIS Löschungsfristen, die sich an den Verjährungsfristen des Delikts – hier sechs Monate – orientieren. Eine valide Darstellung der Fallzahlen über einen Zeitraum der letzten drei Jahre ist deshalb nicht möglich. Zum Zeitpunkt der landesweiten Abfrage zur Beantwortung dieser Kleinen Anfrage waren landesweit elf Ordnungswidrigkeitenanzeigen  registriert. Roger Lewentz Staatsminister