Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 19. Mai 2017 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/2847 zu Drucksache 17/2682 20. 04. 2017 A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Timo Böhme und Jürgen Klein (AfD) – Drucksache 17/2682 – Zur Dunkelflaute Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/2682 – vom 28. März 2017 hat folgenden Wortlaut: Im Januar 2017 war die Stromerzeugung aus den wetterabhängigen Quellen Windkraft und Fotovoltaik in Rheinland-Pfalz extrem niedrig. Die Versorgung konnte nur durch umfangreiche und vielfältige Importe von Strom aufrechterhalten werden. Wir fragen die Landesregierung: 1. Aus welchen Quellen (Erzeugungsanlagen und Standorten) kam der Strom im Januar 2017? 2. Welchen Anteil hatten die Windkraft und die Fotovoltaik an der Stromversorgung von Rheinland-Pfalz im Januar 2017? An welchen Tagen war die Erzeugung der wetterabhängigen Quellen besonders niedrig? 3. Welchen Anteil hatten die Eigenerzeugungsanlagen an der Versorgung im Januar 2017? 4. Ist der Katastrophenschutz des Landes auf einen großflächigen Stromausfall vorbereitet? Welche Maßnahmen stehen dabei im Vordergrund? 5. Hält die Landesregierung eine Vorwarnung der Bevölkerung bei einem drohenden Stromausfall für sinnvoll und möglich? 6. Wie gedenkt die Landesregierung den Anteil der risikobehafteten, wetterabhängigen Erzeugungstechniken zu begrenzen? 7. Wieso will die Landesregierung angesichts der bleibenden Risiken von Dunkelflauten aus dem Erdgas, dem einzigen zuverlässigen Primärenergieträger in Rheinland-Pfalz, aussteigen. Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 19. April 2017 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Deutschland ist Stromexportland. Seit 2003 sind die Stromexporte in die Nachbarländer von ca. 8 Mrd. kWh auf ca. 55,5 Mrd. kWh in 2016 1) stetig angewachsen. Entsprechend den verfügbaren Daten zur Stromeinspeisung aus Erneuerbaren Energien sowie zum Stromimport und -export auf Bundesebene, z. B. von Agora Energiewende 2) oder Fraunhofer ISE 3), wurde trotz vergleichsweise schwacher Stromeinspeisung aus Windenergie und Photovoltaik im Zeitraum vom 16. Januar 2017 bis 26. Januar 2017 im gesamten Januar 2017 bilanziell Strom aus Deutschland in die Nachbarländer exportiert. Abnehmer der deutschen Stromexporte im Januar 2017 war neben Österreich insbesondere Frankreich. Gerade in den Wintermonaten weisen die Stromexporte nach Frankreich regelmäßig besonders hohe Werte auf, da in Frankreich in weiten Teilen mit Strom geheizt wird. Aufgrund der zahlreichen Stillstände von französischen Atomkraftwerken war unser Nachbarland im vergangenen Winter besonders stark von deutschen Stromexporten abhängig. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Ende 2016 waren in Rheinland-Pfalz im Bereich der regenerativen Stromerzeugung u. a. ca. 94 000 PV-Anlagen, über 1 600 Windenergieanlagen sowie ca. 350 Biomasseanlagen und über 200 Wasserkraftanlagen am Netz. Eine Auflistung aller Erzeugungsanlagen und deren Standorte ist im Rahmen der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. 1) BMWI Energiedaten: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/energiedaten-gesamtausgabe.html 2) https://www.agora-energiewende.de/de/themen/-agothem-/Produkt/produkt/76/Agorameter/ 3) https://www.energy-charts.de/power_de.htm Drucksache 17/2847 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Detaillierte Angaben zu Stromerzeugungsanlagen in Rheinland-Pfalz können auf der Homepage der Bundesnetzagentur 4) in – der Kraftwerksliste (u. a. konventionelle und regenerative Bestandskraftwerke mit einer elektrischen Netto-Nennleistung von mindestens 10 MW), – dem Anlagenregister (Windkraftanlagen an Land, Anlagen zur Stromerzeugung aus Biomasse, Anlagen zur Stromerzeugung aus Geothermie, Anlagen zur Stromerzeugung aus Wasserkraft, PV-Freiflächenanlagen), – sowie dem PV-Melderegister (Dachflächen-PV) entnommen werden. Zu Frage 2: Der Landesregierung liegen keine monatsscharfen Daten zum Anteil der Windkraft und Photovoltaik an der Stromversorgung im Januar 2017 vor, da diese Daten nicht vollständig monatsweise energiestatistisch erfasst werden. Zu Frage 3: Die Eigenerzeugung von Strom wird weder auf der Ebene des Bundes noch des Landes Rheinland-Pfalz energiestatistisch vollumfänglich erfasst. So wird die industrielle Eigenstromerzeugung einschließlich der Erzeugung von Elektrizität und Wärme in Kraft-Wärme-Kopplung in den Betrieben des verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden erst ab einer elektrischen Engpassleistung (brutto) von einem Megawatt (MW) oder mehr statistisch erfasst. Entsprechend den Daten des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz verfügten im Bilanzjahr 2015 insgesamt 26 Betriebe über eine elektrische Nettoengpassleistung von insgesamt 1 293 MW. Die Nettostromerzeugung dieser Anlagen betrug in 2015 ca. 7,6 Mrd. kWh, davon wurden mit 7,242 Mrd. kWh ca. 95,3 Prozent in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt. Die industrielle Eigenstromerzeugung ab einer elektrischen Engpassleistung (brutto) von einem MW hatte in 2014 einen Anteil, bezogen auf den rheinland-pfälzischen Gesamtbruttostromverbrauch, von ca. 26 Prozent sowie an der Gesamtstromerzeugung von ca. 42 Prozent. Zu Frage 4: Die Netzstabilität ist in Deutschland unverändert auf einem sehr hohen Niveau und konnte in den vergangenen zehn Jahren sogar noch verbessert werden. Als Kriterium für die Bewertung der Netzstabilität ist der sogenannte SAIDI-Index (System Average Interruption Duration Index) heranzuziehen, der die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung je angeschlossenen Letztverbraucher innerhalb eines Kalenderjahres widerspiegelt und von der Bundesnetzagentur veröffentlicht wird. Fiel der Strom bei deutschen Endkunden in 2006 noch durchschnittlich 21,53 Minuten aus, konnte dieser Wert bis 2015 auf 12,70 Minuten gesenkt werden 5). Deutschland liegt auch im europäischen Vergleich auf einem Spitzenplatz. Ein Vergleich der SAIDI-Werte des CEER (Council of European Energy Regulators)6) zeigt, dass beispielsweise die Werte in 2013 im Vergleich zu Deutschland im weitgehend von Atomkraft abhängigen Frankreich mehr als viermal und im weitgehend von Kohlestrom abhängigen Polen sogar mehr als 16-Mal höher waren. Unabhängig von dieser hohen Versorgungssicherheit werden für den Ernstfall Vorkehrungen im Rahmen des Katastrophenschutzes getroffen. Die Landkreise und kreisfreien Städte sind für den Katastrophenschutz – und damit auch für den Schutz der Bevölkerung bei Stromausfällen – verantwortlich. Sie erfüllen ihre Aufgabe als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung. Das Land unterstützt die kommunalen Aufgabenträger bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. So hat das Land eine Checkliste für Einsatzmaßnahmen bei Stromausfall herausgegeben . Nach dieser Empfehlung sind als erste Maßnahme bei einem Stromausfall von länger als 30 Minuten, losgelöst von einer Alarmierung, die Feuerwehrhäuser im betroffenen Gebiet zu besetzen. Neben der Schaffung einer zentralen Anlaufstelle bietet dies der Bevölkerung die Möglichkeit, auch Notrufe abzusetzen, die nicht die Feuerwehr betreffen. Das Land empfiehlt den Kommunen, die Bevölkerung in regelmäßigen Abständen zu informieren, dass im Ereignisfall das örtliche Feuerwehrhaus als zentrale Anlaufstelle genutzt werden kann. Darüber hinaus stehen insbesondere folgende Maßnahmen im Vordergrund: – Information der Bevölkerung, z. B. über Warnapp (solange Mobilfunk noch funktionsfähig ist), Lautsprecherdurchsagen, Rundfunk (Autoradios und batteriebetriebene Radios funktionieren auch bei Stromausfall noch), – Ersatzstromversorgung der wichtigsten Versorgungseinrichtungen vorrangig durch Betreiber, – regelmäßige Aktualisierung der Liste aller verfügbaren Stromerzeuger und Prüfung der Einspeisungsmöglichkeiten, z. B. an ausgewählten Tankstellen, – Kontaktaufnahme mit Energie- und Versorgungsunternehmen, – Einrichtung von Sammelstellen und im Winter Aufwärmräumen für die Bevölkerung, – Unterstützung der Bevölkerung etwa bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln. 2 4) www.bundesnetzagentur.de 5) Nähere Informationen zum SAIDI-Index und den Werten für Deutschland können auf folgender Seite abgerufen werden: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit/Stromnetze/ Versorgungsqualitaet/Versorgungsqualitaet-node.html 6) SAIDI-Index ohne geplante Unterbrechungen und ohne Unterbrechungen aufgrund höherer Gewalt. Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/2847 In regelmäßigen Gesprächen mit den in Rheinland-Pfalz tätigen, sogenannten vorgelagerten Stromnetzbetreibern Pfalzwerke Netz AG, Westnetz GmbH und Stadtwerke Mainz Netze GmbH werden Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit auch bei großflächigen und langanhaltenden Stromausfällen und die Meldeverfahren (wie z. B. auch über Satellitentelefon) abgestimmt. Zu Frage 5: Ja. Nach Auffassung der Landesregierung muss die Bevölkerung – in Absprache mit den unter in der Antwort zu Frage 4 genannten vorgelagerten Stromnetzbetreibern in Rheinland-Pfalz – frühestmöglich vor drohendem, lang anhaltendem Stromausfall gewarnt werden. Insoweit wurden auch mit den Stromnetzbetreibern entsprechende Meldewege (sogenanntes Meldeschema Stromausfall) abgesprochen. Das Informationsbedürfnis der Bevölkerung ist gerade bei einem großflächigen Stromausfall besonders hoch. Auch bei Stromausfall ist eine überregionale Weitergabe von Informationen noch möglich, die beispielsweise über batteriebetriebene Radios oder Autoradios noch empfangen werden können. Für die örtliche Information der Bevölkerung kommen neben Lautsprecherdurchsagen oder Aushängen an öffentlichen Gebäuden vor allem improvisierte örtliche Informationszentralen beispielsweise in Feuerwehrhäusern in Betracht. Zu Frage 6: Ein besonders hohes Risiko für Mensch und Umwelt geht von Atomkraftwerken und, insbesondere wegen der Folgen für unser Klima, von Kohlekraftwerken aus. Die Landesregierung zielt mit der Umsetzung der Energiewende und dem damit verbundenen Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung unmittelbar darauf ab, den Einsatz dieser risikobehafteten Erzeugungstechniken gegen Null zu reduzieren. Die Verringerung des Anteils von Strom aus diesen Risikoquellen wird durch die Steigerung des Anteils aus sicheren, regenerativen Quellen aufgefangen und von einem Ausbau von Regel- und Speicherlösungen begleitet. Für die Integration der dargebotsabhängigen Stromerzeugung aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen in sichere Energieversorgungsstrukturen stehen bereits heute verschiedene Flexibilitätsoptionen zu Verfügung. Dazu zählen u. a. die – Stromerzeugung in flexibel steuerbaren KWK-Anlagen auf der Basis von Bioenergie, übergangsweise Erdgas und zukünftig verstärkt regenerativen Brennstoffen aus Power-to-Gas-Anlagen, – Flexibilisierung des Stromverbrauchs insbesondere in Industrie und Gewerbe (Lastmanagement) sowie – Energiespeicherung in Form von Strom, aber auch Wärme oder erneuerbar erzeugtem Gas im Rahmen einer zunehmenden Sektorenkopplung. Mit ca. 46 Mrd. kWh hat allein die Bioenergie bereits in 2016 bundesweit eine Menge an Strom erzeugt, die dem bundesweiten Stromverbrauch eines Monats entspricht. Zu Frage 7: Mit einem Anteil von ca. 35,4 Prozent am Primärenergieverbrauch, von ca. 25,6 Prozent am Endenergieverbrauch sowie von ca. 53 Prozent an der Stromerzeugung (2014) ist Erdgas für die rheinland-pfälzische Energieversorgung derzeit von großer Bedeutung. Gleichzeitig war Erdgas in 2014 aber auch für ca. 41 Prozent der CO2-Emissionen aus dem Primärenergieverbrauch (Quellenbilanz) bzw. ca. 17 Prozent der CO2-Emissionen aus dem Endenergieverbrauch (Verursacherbilanz) verantwortlich. Aus dem im Landesklimaschutzgesetz formulierten Ziel einer Treibhausgasreduktion um mindestens 90 Prozent bis 2050 ergibt sich die Notwendigkeit, Erdgas schrittweise durch regenerativ erzeugte Brennstoffe, wie z. B. Biogas, Biomethan oder Wasserstoff bzw. Methan aus Power-to-Gas-Anlagen, zu ersetzen. Die bereits vorhandene Erdgasinfrastruktur, wie z. B. das Leitungsnetz, Gasspeicher aber auch KWK-Anlagen, soll dabei an die Erfordernisse einer regenerativen Energieversorgung angepasst und auch zukünftig weiter genutzt werden. Ein rascher Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas als Energieträger, der möglicherweise negative Auswirkungen auf die Sicherheit der Energieversorgung des Landes haben könnte, ist von der Landesregierung nicht vorgesehen. In Vertretung: Dr. Thomas Griese Staatssekretär 3