Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 23. Mai 2017 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/2867 zu Drucksache 17/2719 21. 04. 2017 A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Bernhard Braun (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Drucksache 17/2719 – Chlorwasserstoff-Austritt bei der BASF in Ludwigshafen Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/2719 – vom 31. März 2017 hat folgenden Wortlaut: Laut Medienberichterstattung ist am 21. März 2017 bei Wartungsarbeiten Chlorwasserstoff aus einer Anlage des Chemiekonzerns BASF ausgetreten. Die Werksfeuerwehr sei mit Wasser werfern im Einsatz gewesen. Vier Mitarbeiter einer externen Firma und ein BASF-Mitarbeiter seien wegen Schleimhautreizungen untersucht worden. Umweltmessungen hätten keine er höhten Messwerte ergeben. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Ergebnisse liegen der SGD Süd aus ihrer Inspektion zu den Ereignissen vor? 2. Welche Ergebnisse liegen der Landesregierung über die Dauer und Menge des Chlor wasserstoffaustritts und ggf. weiterer Gase oder Säuren vor? 3. Wie beurteilt die Landesregierung die ergriffenen Maßnahmen der BASF zur zukünfti gen Vermeidung solcher oder ähnlicher Vorfälle? 4. Welche weiteren Vorfälle, die der SGD gemeldet wurden, ereigneten sich bei der BASF in Ludwigshafen bislang in diesem Jahr? 5. Wie beurteilt die Landesregierung die im Zuge der Vorfälle vom Jahr 2016 durchge führten Verbesserungen des Sicherheitskonzepts der BASF auch vor dem Hintergrund des aktuellen Vorfalls? Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 19. April 2017 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Am 21. März 2017 kam es in der TDI-Anlage, die zurzeit außer Betrieb ist, bei der Durchführung von Wartungsarbeiten zu einem Austritt von ca. 0,5 m³ Chlorwasserstoffgas über einen Verdichter. Die Untersuchung durch die SGD Süd ergab Folgendes: Für den Austausch eines defekten Ventils sollte ein Leitungssystem von einem Chlorwasserstoff-Kompressor zu einer Reinigungskolonne mit Stickstoff gespült werden. Die Arbeitsschritte für entsprechende Spülarbeiten werden gemäß einer vom Betrieb erstellten Checkliste durchgeführt. Dabei blieb unberücksichtigt, dass sich noch Restdruck auf der Leitung befand. Durch Öffnung von Armaturen in falscher Reihenfolge entspannte das restliche in der Leitung befindliche Chlorwasserstoffgas nicht über die Reinigungskolonne, sondern über die Entlüftung des Ölsystems des Verdichters ins Freie. Das Sperrgas des Verdichters war zuvor aufgrund von Wartungsarbeiten ebenfalls abgestellt worden. Da die Checkliste eine Druckentspannung der Leitung nicht vorsah, wurde dem fehlenden Sperrgas auf dem Verdichter keine Bedeutung beigemessen. Zu Frage 2: Es ist ausschließlich Chlorwasserstoffgas in einer Menge von ca. 0,5 m³ ausgetreten. Aufgrund von Querempfindlichkeiten schlugen die im Umfeld der Anlage verwendeten Gasmelder auch auf Phosgen an, dies hat sich aber schnell als Falschmeldung herausgestellt . Bei Ansprechen der Sensoren auf Phosgen wird automatisch die Werksfeuerwehr alarmiert. Diese hatte nach ca. 30 Minuten ihren Einsatz beendet. Zu Frage 3: Als Konsequenz aus diesem Vorfall hat die BASF eine Reihe von Maßnahmen ergriffen. So darf zukünftig das Sperrgassystem erst nach Freifahren des gesamten zu betrachtenden Systems außer Betrieb genommen werden. Zudem wurden die Betriebsanweisungen für entsprechende Arbeiten unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse überarbeitet und die Mitarbeiter erneut unterwiesen. Noch in Prüfung befindet sich, ob selektive Gassensoren zur Unterscheidung von Chlorwasserstoffgas und Phosgen verfügbar sind und ggf. eingesetzt werden können. Drucksache 17/2867 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Die Landesregierung hält diese Maßnahmen insgesamt für geeignet, um entsprechende Vorfälle zukünftig zu vermeiden. Die Erfahrungen zeigen, dass Fehleinschätzungen bei der Erstellung von Handlungshilfen durch – wie im vorliegenden Fall – erfahrene Mitarbeiter sehr selten sind. Das bei solchen Arbeiten zur Anwendung kommende „4-Augen-Prinzip“, also die gegenseitige Kontrolle durch mehrere Mitarbeiter, hat sich in der Vergangenheit bewährt, eine hundertprozentige Sicherheit kann aber auch damit nicht gewährleistet werden. Zu Frage 4: Über folgende weitere Vorfälle auf dem Betriebsgelände der BASF wurde die SGD Süd in diesem Jahr unterrichtet: – Am 10. Februar 2017 kam es in der TBA-Anlage (tertiär-Butylamin) zu einem Temperaturanstieg in einem Behälter mit Acrylsäure , Schwefelsäure und Stabilisatoren. – Am 11. Februar 2017 wurde an einem 20 kV-Zuleitungskabel zur Spannungsversorgung eines Verdichtermotors der Methanol- Anlage ein Erdschluss an einer Phase festgestellt. Infolgedessen wurde die Anlage heruntergefahren, überschüssiges Abgas musste mehrstündig über eine Fackel der Acetylenanlage verbrannt werden. – Am 23. Februar 2017 kam es im Steamcracker 2 wegen der Spülung eines Behälters für Pyrolysebenzin zu einer Fackeltätigkeit. Die Spülung wurde zur Vermeidung von Geruchsemissionen über die Hochfackel durchgeführt. – Am 25. Februar 2017 führte der Ausfall eines Zündgebläses in der Styrol-Fabrik zu Fackeltätigkeit. – Am 10. März 2017 kam es zu einem kleineren Brand in einem Schaltraum der Citral-Fabrik an einem Kondensator/Frequenzumrichter . – Am 2. April 2017 ereignete sich ein Brand in einer Abgasleitung eines Venturiwäschers der Luran-S-Fabrik der Firma Ineos Styrolution Ludwigshafen GmbH (keine BASF-Anlage). – Am 4. April 2017 wurden in der Acetylenanlage aufgrund einer Behälterreaktion ca. 12 bis 13 Tonnen Abfallschwefelsäure in die Kanalisation für besonders behandlungsbedürftiges Abwasser freigesetzt. – Am 9. April 2017 kam es zu einem Brand in einem Eisenpulver-Reaktor der Eisenrot-Fabrik der Firma BASF Colors & Effects. Bei allen Vorfällen handelte es sich nicht um meldepflichtige Ereignisse nach der Störfall-Verordnung. Zu Frage 5: Unabhängige Untersuchungen von Betriebsstörungen haben gezeigt, dass in der Ursachenkette organisatorische, managementspezifische und menschliche Fehler einen großen Anteil haben. Dies belegten auch mehrere Vorfälle im vergangenen Jahr am BASF- Standort Ludwigshafen, nicht zuletzt der Störfall am Landeshafen Nord am 17. Oktober 2016. Wesentlicher Bestandteil der im Rahmen der Ursachenanalyse zum Störfall beauftragten sicherheitstechnischen Prüfung nach § 29 a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist deshalb auch die Prüfung des Sicherheitskonzeptes. Das Ergebnis dieser gutachterlichen Untersuchung liegt den zuständigen Behörden allerdings noch nicht vor, was auch darauf zurückzuführen ist, dass die strafrechtlichen Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sind. Die BASF hat sich aber bereits jetzt verpflichtet, die Empfehlungen der gutachterlichen Untersuchung umzusetzen. Angesichts des noch ausstehenden Gutachtens kann die Landesregierung eine Bewertung ggf. erforderlicher Verbesserungsmaßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vornehmen. Unabhängig davon hat der aktuelle Vorgang gezeigt, dass die Sensibilität bei der Meldung von Ereignissen gegenüber den zuständigen Behörden bei der BASF deutlich größer geworden ist. Bei der SGD Süd ging bereits zwei Minuten nach Eingang der Phosgen- Alarmierung bei der Feuerwehr eine Meldung ein, obwohl der Betrieb sicher wusste, dass keine Phosgen-Quelle vorhanden sein kann. In Vertretung: Dr. Thomas Griese Staatssekretär