Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 18. Juli 2017 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/3214 zu Drucksache 17/2967 06. 06. 2017 A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Drucksache 17/2967 – Energieautarke Kläranlagen als Beitrag zum Klimaschutz Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/2967 – vom 4. Mai 2017 hat folgenden Wortlaut: Kläranlagen beanspruchen bis zu 20 Prozent des gesamten Strombedarfs der öffentli chen Gebäude und Anlagen einer Kommune. Die Steigerung der Energieeffizienz durch Einsparmaßnahmen und die Nutzung des auf Kläranlagen vorhandenen Klärschlamms zur Stromerzeugung und Wärmeproduktion sind ein wichtiger Schwerpunkt. Seit 2013 intensi viert die Landesregierung ihre Unterstützung von kommunalen Gebietskörperschaften in diesem Bereich. Der Besuch der Umweltministerin am 22. März 2017 beim Wirtschafts betrieb Mainz verdeutlichte die Gewinne dieser Entwicklung. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie viele energieautarke Kläranlagen bestehen aktuell in Rheinland-Pfalz und wie werden diese gefördert? 2. Welche Effizienzgewinne und Energieoptimierungen konnten durch den Umbau der An lagen bislang erreicht werden? 3. Inwieweit können die Kläranlagen einen Beitrag für den steigenden Bedarf am Regel energiemarkt leisten? 4. Welche Umweltprobleme können durch den energieautarken Umbau von Kläranlagen reduziert werden? Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 2. Juni 2017 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Neben der Verbesserung der Effizienz zur Energieeinsparung ist auch die Erzeugung von Energie eine wichtige umweltpolitische Zielsetzung der Landesregierung. Die Kläranlage Kaiserslautern und das Hauptklärwerk Trier sind die ersten beiden rheinland-pfälzischen Kläranlagen, die das ehrgeizige Ziel Energieneutralität – d. h. innerhalb eines Jahres sind Stromverbrauch und Stromerzeugung bilanziell gleich – erreichen. Viele weitere Anlagen haben bereits hohe Eigenenergieerzeugungsraten und setzen Maßnahmen zur weiteren Verringerung ihres Energieverbrauchs um. Eine weitere Maßnahme ist der Zusammenschluss von mehreren Anlagen in Schlammbehandlungszentren zur Biogasproduktion wie beispielsweise in Selters. Weitere Kläranlagen werden einen energieneutralen Betrieb erreichen oder bei günstigen Voraussetzungen sogar energiepositiv werden können, d. h. mehr Strom produzieren als verbrauchen. Auch wenn nicht für alle Kläranlagen die Energieneutralität erreichbar sein wird, so sind hingegen weitere Verbesserungen noch fast überall möglich. Das größte Potenzial zur Steigerung der Energieerzeugung liegt in der Biogasgewinnung und dem Ersatz veralteter KWK-Anlagen. Auf Kläranlagen entfallen regelmäßig ca. 20 bis 30 Prozent des kommunalen Strombedarfs. Effizienzsteigerungen und Energieneutralität verringern daher die Ausgaben der Kommunen. Maßnahmen zur Energieeinsparung bzw. Energiegewinnung auf Kläranlagen werden zudem durch die Landesregierung gefördert. So erhalten Kommunen beispielsweise für Energieanalysen oder die Erneuerung von Belüftern oder die Umstellung von Anlagen zur Gas- und Stromerzeugung finanzielle Unterstützung nach den Förderrichtlinien des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten (MUEEF)1). Bei der Umsetzung der Ziele arbeitet das Land sehr vertrauensvoll mit dem Städte- und Gemeindebund bzw. dem Städtetag zusammen. Zusätzlich unterstützt die Energieagentur Rheinland-Pfalz die örtlichen Projektträger bei der Erschließung weiterer Fördermöglichkeiten. Zudem wird im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz die Optimierung vorhandener Faulungssysteme durch die TU Kaiserlautern und die Universität Luxemburg in dem Projekt ZEBRAS wissenschaftlich untersucht. Ziel des Projektes ist es, die vielfältigen vorhandenen Erfahrungen 1) Die neuen Förderrichtlinien der Wasserwirtschaftsverwaltung – FöRiWWV, 2013; http://www.wasser.rlp.de/servlet/is/1198/ Foerderrichtlinie_WWV_2013_07_Version_20141029.pdf?command=downloadContent&filename=Foerderrichtlinie_WWV_2013_07_ Version_20141029.pdf Drucksache 17/3214 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode für die jetzt und zukünftig anstehenden Investitionen zu nutzen. Das Verbundvorhaben arrivee als Bestandteil der BMBF-Fördermaßnahme ERWAS untersucht Abwasserreinigungsanlagen als Regelbaustein in intelligenten Verteilnetzen mit erneuerbarer Energieerzeugung. Demgegenüber steht der nachteilige Umstand, dass von Bundesseite die EEG-Umlage auch für alle Neuanlagen zur Gasverwertung von Klärgas eingeführt wurde. Das ist sehr unverständlich und kontraproduktiv, da der Strom ja in der Regel als Eigenstrom zur Abwasserbehandlung genutzt wird. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, diesen Missstand zu beheben. Zu Frage 2: Der Umbau von Anlagen hat maßgeblich dazu beigetragen, dass in Rheinland-Pfalz bereits in 2016 so viel Biogas auf kommunalen Kläranlagen produziert wurde wie noch nie zuvor. Die daraus erzeugte Strommenge in Höhe von 48 Mio. kWh im Jahr entspricht dem durchschnittlichen Verbrauch von 16 000 Haushalten. Der Strom wird aufgrund des hohen Strombedarfs der Kläranlagen zumeist direkt dezentral vor Ort verbraucht und so der externe Strombezug verringert. Der Energieverbrauch der Kläranlagen konnte von 2006 bis 2016 bereits von 260 Mio. kWh auf 185 Mio. kWh pro Jahr reduziert werden. Durch weitere Optimierungsmaßnahmen ist eine Reduktion des Stromverbrauchs um zusätzliche 20 Prozent möglich, sodass der Zielwert für den Gesamtverbrauch aller rheinland-pfälzischen kommunalen Kläranlagen bei ca. 148 Mio. kWh/a liegt. Gleichzeitig soll die Stromproduktion der kommunalen Kläranlagen mit unterschiedlichen Maßnahmen mittelfristig um 22 Mio. kWh/a auf 70 Mio. kWh/a gesteigert werden. Wichtige Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles sind Optimierungsmaßnahmen bei Kläranlagen mit vorhandenen Faultürmen, die Umstellung von bis zu 50 weiteren Kläranlagen auf diese Verfahrensweise , die Teilnahme von kleineren Kläranlagen an der Klärschlammvergärung im Rahmen der Kooperation mit Betreibern größerer Kläranlagen, die thermische Klärschlammverwertung stofflich belasteter Klärschlämme und auch die Einrichtung bzw. der Ausbau der Fotovoltaik. In Einzelfällen kann auch die Wasserkraft genutzt werden. Konkrete Maßnahmen tragen zur individuellen Verbesserung der Energiebilanz der Kläranlagen bei. So konnte beispielsweise der Stromverbrauch des Hauptklärwerks Trier durch die Optimierungen der Schlammbehandlung, den Ersatz der Belüfter für die Abwasserreinigung und weiterer Maßnahmen von 4,1 Mio. kWh im Jahr 2000 auf 2,97 Mio. kWh im Jahr 2016 verringert werden. Dieser wird vollständig durch den selbst erzeugten Strom gedeckt. Die durchschnittliche Eigenversorgungsquote aller rheinland-pfälzischen Kläranlagen soll durch die Optimierungsmaßnahmen der Energieeinsparung und Energieerzeugung von derzeit rund 25 Prozent auf mindestens 50 Prozent gesteigert werden. Der Anteil des Klärschlamms, der zur Energiegewinnung in Faultürmen vergoren wird, soll von derzeit 60 Prozent auf 90 Prozent erhöht werden. Zu Frage 3: Hauptzweck der Stromerzeugung auf kommunalen Kläranlagen ist die Nutzung für den Eigenverbrauch. Aufgabe der Regelenergie als kurzfristig wirkende Systemdienstleistung ist es, die Leistungsbilanz und die Frequenz des Energieversorgungssystems aufrechtzuerhalten. Die dazu notwendige Regelleistung wird in wettbewerblichen Verfahren in Abhängigkeit von der benötigten Regelenergieart von den Übertragungsnetzbetreibern am Primärregel-, Sekundärregel- und Minutenreservemarkt beschafft. Der eigentliche Ausgleich von Strombedarf und Stromerzeugung soll auch zukünftig bei deutlich höheren Anteilen der regenerativen fluktuierenden Stromerzeugung an der Strombörse und im außerbörslichen Stromhandel stattfinden, wo bereits heute im Vergleich zu den Regelenergiemärkten wesentlich höhere Strommengen gehandelt werden. Durch die Speicherfähigkeit des Energieträgers Biogas können Kläranlagen lastgerecht flexibel Strom erzeugen und einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgungssicherheit leisten. Darüber hinaus verfügen Kläranlagen über Potenziale zur Lastverschiebung, die es erlauben, Energie dann abzunehmen, wenn im öffentlichen Stromnetz Überschüsse vorhanden sind, oder den Stromverbrauch bei hohen Lasten im Netz zu reduzieren. Hohe Reinigungsleistung und Energieeffizienzmaßnahmen bis hin zur Bereitstellung von Flexibilitäten für das Stromversorgungssystem lassen sich in aller Regel in einer Kläranlage vereinbaren. Als erste Kläranlage nimmt die Kläranlage Kaiserslautern am Regelenergiemarkt teil. Für die Kläranlage Alzey ist die Teilnahme in Vorbereitung. Zu Frage 4: Durch die Effizienzmaßnahmen kann Energie eingespart und weniger Rohstoffe verbraucht werden. Durch die Erzeugung von Energie aus regenerativen Quellen wie Biogas werden zudem fossile Energieträger eingespart: die Eigenstromerzeugung trägt daher auch zum Klimaschutz bei. Konkret können durch einen um 20 Prozent verringerten Stromverbrauch bei Kläranlagen jährlich in etwa 22 000 t CO2 2) eingespart werden. Mit einer gesteigerten Eigenstromproduktion um 22 Mio. kWh/a können jährlich weitere 13 000 t CO2 eingespart werden. 2 2) Berechnet anhand der aktuellen spezifischen CO2-Emissionen der Stromerzeugung in Deutschland. Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/3214 Im Zuge der Optimierung von Belüftern und der verfahrenstechnischen Abläufe im Klärprozess verbessert sich meist auch die Reinigungsleistung der Kläranlagen, sodass weniger Betriebsmittel verbraucht werden und gleichzeitig aktiver Gewässerschutz geleistet wird. Die Energieeinsparung und die Energiegewinnung im Abwasserbereich sind wichtige Bestandteile des Klimaschutzkonzeptes des Landes Rheinland-Pfalz. In Vertretung: Dr. Thomas Griese Staatssekretär 3