Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 24. Juli 2017 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/3329 zu Drucksache 17/3164 21. 06. 2017 A n t w o r t des Ministeriums des Innern und für Sport auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) – Drucksache 17/3164 – Drogenszene Koblenzer Hauptbahnhof Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/3164 – vom 24. Mai 2017 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Ist der Drogenhandel ein Grund für den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt von EU-Staatsangehörigen? Wenn nein, warum nicht? 2. Aus etwa wie vielen Personen setzen sich die Drogensüchtigen am Koblenzer Hauptbahnhof zusammen (bitte aufgegliedert nach Staatsangehörigen)? 3. Wie viele Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz wurden in den letzten drei Jahren am Koblenzer Hauptbahnhof festgestellt (bitte aufgegliedert nach der Poli zeiinspektion Koblenz 1 und dem Bundespolizeirevier Koblenz)? 4. Was unternehmen die Polizei und nach Kenntnis der Landesregierung die Bundespolizei, der Zoll und das Ordnungsamt der Stadt Koblenz gegen die Bekämpfung der Drogenkriminalität am Koblenzer Hauptbahnhof? 5. Welcher genaue Sachverhalt liegt dem Vorfall vom 8. Mai 2017, Drogenkonsument auf öffentlicher Toilette bewusstlos gefunden, zugrunde (bitte Angaben zu Vorstrafen, Wohnort, Alter und Staatsangehörigkeit des Drogenabhängigen)? 6. Ist die Polizeiinspektion Koblenz 1 oder das Bundespolizeirevier Koblenz für die Tiefgarage am Koblenzer Hauptbahnhof örtlich zuständig und erhalten Drogenab hängige Hausverbote für die Tiefgarage? Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 20. Juni 2017 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Ein Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt ist nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gegenüber EU-Staatsangehörigen zugelassen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz/EU). Die Verlustfeststellung des Freizügigkeitsrechts erfordert eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Ob dieses berührt ist, muss von der jeweils zuständigen Ausländerbehörde pflichtgemäß im Einzelfall entschieden und begründet werden. Die strafrechtliche Verurteilung allein ist nicht ausreichend. Ausschlaggebend für eine Verlustfeststellung darf lediglich das persönliche Verhalten des Betroffenen sein, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Unzulässig ist es daher eine Verlustfeststellung, die allein dazu dient, andere Ausländer aus generalpräventiven Gründen von gleichem Verhalten abzuhalten. Zu den Grundinteressen der Gesellschaft gehört beispielsweise die effektive Bekämpfung des Drogenhandels (siehe Nr. 6.2.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU). Hier kann im Rahmen einer Einzelfallprüfung die Verurteilung wegen einer einzigen Tat eine entsprechende Verlustfeststellung begründen, wenn aufgrund des Verhaltens und der Gesamtpersönlichkeit des Täters die konkrete Gefahr erneuter Verstöße gegen Strafvorschriften besteht. Zu Frage 2: Hinsichtlich der Anzahl der Drogenabhängigen, die sich am Koblenzer Hauptbahnhof aufhalten, und deren ethnischer Zugehörigkeit , kann das Polizeipräsidium Koblenz keine verlässlichen Angaben machen. Entsprechende Zahlen werden statistisch nicht erfasst. Die Personenanzahl variiert stark und ist abhängig von den Außentemperaturen, der Jahres- sowie der Tageszeit. Zudem halten sich am Bahnhof erfahrungsgemäß sowohl Drogenkonsumentinnen und -konsumenten auf, die in Koblenz wohnhaft sind, als auch von außerhalb anreisende Personen. Zu Frage 3: Eine Beantwortung der Fragestellung auf Grundlage der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ist nur eingeschränkt möglich, da es für die Tatörtlichkeit „Bahnhof“ im Betrachtungszeitraum noch keinen Erfassungsparameter gab. In der PKS werden Tatorte auf Grundlage des Gemeindekatalogs erfasst. Eine Auswertung nach darüber hinausgehenden Tatörtlichkeiten (hier: Bahnhof) ist erst seit der Einführung des Katalogs „Tatörtlichkeiten“ am 1. Januar 2017 möglich. Drucksache 17/3329 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Die nachfolgende Auswertung erfolgte daher nach folgenden Kriterien: – Erfassungszeitraum 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2016, – Straftat: Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), – Tatort: Stadt Koblenz, – Straße: „Bahnhofsplatz“. Straßen können in der PKS auf der Grundlage des Kataloges „Straßennamen“ nach den darin festgelegten Bezeichnungen erfasst werden. Der Katalog enthält für die Örtlichkeit „Bahnhof“ lediglich den Katalogwert „Bahnhofsplatz“. Eine Differenzierung nach dem Bahnhofsvorplatz, dem Bahnhofsgebäude oder sonstigen bahnhofsbezogenen Tatörtlichkeiten ist nicht möglich. Der Straßenname ist in der PKS nicht zwingend zu erfassen. Es dürfte sich bei dem nachfolgend dargestellten Auswerteergebnis deshalb lediglich um eine Teilmenge der tatsächlich erfassten Betäubungsmittelstraftaten mit Bezug zum Bahnhof handeln. Gemäß den bundeseinheitlich gültigen Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik erfolgt die Erfassung eines Falles mit Abgabe des Ermittlungsvorganges an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht durch die für die Sachbearbeitung zuständige Dienststelle. In Fällen von Rauschgiftkriminalität erfolgen die Feststellung und die Aufnahme der strafbaren Handlung zwar häufig durch die Beamten der Polizeiinspektion oder bei Feststellungen am Koblenzer Bahnhof auch des Bundespolizeireviers, während der Kriminalinspektion des Polizeipräsidiums Koblenz in aller Regel die abschließende Sachbearbeitung und damit auch die Erfassung in der PKS obliegen. Eine Auswertung ist nur nach der sachbearbeitenden, nicht aber der anzeigeaufnehmenden Polizeidienststelle möglich. 2 Delikt 2016 2015 2014 Entwicklung 2016 zu 2014 absolut in Prozent Rauschgiftdelikte gemäß BtMG insgesamt, davon 83 84 200 – 117 – 58,5 Allgemeine Verstöße gemäß §29 BtMG, davon 74 72 184 – 110 – 59,8 Allgemeiner Verstoß mit Heroin 8 9 6 2 33,3 Allgemeiner Verstoß mit Kokain 4 0 5 – 1 – 20,0 Allgemeiner Verstoß mit Amfetamin 27 36 109 – 82 – 75,2 Allgemeiner Verstoß Metamfetamin in kristalliner Form (Crystal) 0 0 2 – 2 – 100,0 Allgemeiner Verstoß mit Cannabisprodukten 32 23 61 – 29 – 47,5 Allgemeiner Verstoß mit sonstigem Betäubungsmittel 3 4 1 2 200,0 Unerlaubter Handel mit und Schmuggel von Rauschgiften gemäß § 29 BtMG, davon 5 7 11 – 6 – 54,5 Unerlaubter Handel mit Heroin 0 3 0 0 – Unerlaubter Handel mit Kokain 1 0 0 1 – Unerlaubter Handel mit Amfetamin 0 3 5 – 5 – 100,0 Schmuggel von Amfetamin in Pulver- oder flüssiger Form 1 0 0 1 – Unerlaubter Handel mit Cannabisprodukten 2 1 4 – 2 – 50,0 Schmuggel von Cannabisprodukten 1 0 1 0 0,0 Unerlaubter Handel mit sonstigem Betäubungsmittel 0 0 1 – 1 – 100,0 Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (in nicht geringer Menge), davon 1 0 0 1 – Unerlaubte Einfuhr in nicht geringer Menge von Heroin 1 0 0 1 – Sonstige Verstöße gegen das BtMG, davon 3 5 5 – 2 -40,0 Unerlaubter Anbau, Handel, unerlaubte Herstellung, Ein-, Ausfuhr von Betäubungsmittel als Mitglied einer Bande ggf. unter Mitführung einer Waffe usw. 2 1 0 2 – Unerlaubte Abgabe oder unerlaubter Besitz in nicht geringer Menge von Kokain oder Crack 0 1 0 0 – Unerlaubte(r) Abgabe und Besitz in nicht geringer Menge von Amfetamin und seiner Derivate 0 0 1 – 1 -100,0 Unerlaubte Abgabe oder unerlaubter Besitz in nicht geringer Menge von Cannabisprodukten 0 0 1 – 1 -100,0 Unerlaubter Handel in nicht geringer Menge von Heroin 1 2 2 – 1 -50,0 Unerlaubter Handel in nicht geringer Menge mit Amfetamin und seiner Derivate 0 1 0 0 – Unerlaubter Handel in nicht geringer Menge von Cannabisprodukten 0 0 1 – 1 – 100 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/3329 Die Polizei hat im Erfassungszeitraum 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2016 insgesamt mindestens1) 367 Verstöße gegen das BtMG im Bereich der Örtlichkeit „Bahnhofplatz“ in Koblenz registriert. Im Vergleich zu 2014 sind die Fallzahlen in den Jahren 2015 und 2016 deutlich rückläufig. Die allgemeinen Verstöße2) gegen das BtMG haben dabei einen Anteil von 330 Fällen bzw. 89,9 Prozent. In 23 Fällen bzw. 6,3 Prozent handelte es sich um unerlaubten Handel mit oder Schmuggel von Rauschgiften. Zu Frage 4: Der Vorplatz des Koblenzer Hauptbahnhofes ist kein Kriminalitätsschwerpunkt. Betäubungsmitteldelikte, die den größten Teil der Straftaten im „Bahnhofsbereich“ darstellen, finden eher auf abgesetzten Flächen im unmittelbaren Nahbereich statt. Die örtlich zuständige Polizeiinspektion Koblenz 1 sowie die fachlich zuständigen Kommissariate der Kriminaldirektion Koblenz führen dennoch seit dem Frühjahr 2016 zur Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität in diesen Bereichen ein Aufklärungs- und Kontrollkonzept durch. Ziel dieser Maßnahme ist die nachhaltige Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität, die beweissichere Verfolgung von Straftaten nach dem BtMG, die Erhebung von Informationen über Personen und Gruppen, welche einer möglichen Drogenkontaktszene zuzuordnen sind sowie die Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger. Diese gezielten Maßnahmen haben sich bewährt, das Aufklärungs- und Kontrollkonzept wird daher fortgeführt. Die Bekämpfung der Drogenkriminalität obliegt den Strafverfolgungsbehörden, insofern ergibt sich für das Ordnungsamt der Stadt Koblenz diesbezüglich keine Zuständigkeit. Zu den Maßnahmen des Zolls und der Bundespolizei liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Zu Frage 5: Am 8. Mai 2017 meldete die integrierte Leitstelle, dass in der Toilette der Tiefgarage am Hauptbahnhof Koblenz eine bewusstlose und offensichtlich hilflose Person aufgefunden wurde. Polizeibeamte leisteten erste Hilfe bis zum Eintreffen des Notarztes. Die Person konnte zunächst stabilisiert und anschließend stationär im Krankenhaus Kemperhof untergebracht werden. Die Personalien der Person waren zunächst nicht bekannt. Bei ihr konnten Einstiche am Unterarm festgestellt werden, ein Fixerbesteck wurde vor Ort aufgefunden. Beamte der Polizeiinspektion Koblenz 1 stellten vor Ort die Personalien von zwei Begleitpersonen fest. Eine telefonische Rücksprache mit dem behandelnden Arzt im Krankenhaus Kemperhof, Medizinische Intensivstation , ergab, dass der Patient stabil war. Der Vorgang wurde der Kriminaldirektion zur weiteren Bearbeitung übermittelt. Es konnte ermittelt werden, dass es sich bei der Person um einen 37-jährigen deutschen Staatsangehörigen handelte, der in Abaj (Kasachstan) geboren ist. Zur Person bestanden keine polizeilichen Vorerkenntnisse. Sie war ohne festen Wohnsitz. Nach Mitteilung des Krankenhauses Kemperhof verstarb der Mann am 24. Mai 2017 auf der dortigen Intensivstation. Nach weiteren Ermittlungen und Sachvortrag bei der Staatsanwaltschaft Koblenz gab diese den Leichnam am 26. Mai 2017 frei. Zu Frage 6: Für die Tiefgarage am Koblenzer Hauptbahnhof liegt die örtliche Zuständigkeit bei der Polizeiinspektion 1 des Polizeipräsidiums Koblenz. Ob seitens des privaten Betreibers der Tiefgarage Hausverbote ausgesprochen wurden, ist der Landesregierung nicht bekannt. Die Polizei Koblenz hat für den Bereich des Bahnhofvorplatzes, einschließlich des Busbahnhofes und der Tiefgarage, mehrfach Aufenthaltsverbote nach § 13 Abs. 3 POG geprüft, jedoch fallbezogen als rechtlich nicht durchsetzbar bewertet. Roger Lewentz Staatsminister 3 1) Siehe Ausführungen zu den Erfassungsspezifika. 2) Unter den Summenschlüssel des PKS-Straftatenkataloges „Allgemeine Verstöße“ zählen der Erwerb und Besitz, die Abgabe, Herstellung, das Verschaffen oder Mitteilen einer Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln (BtM) gemäß § 29 BtMG, nicht jedoch der unerlaubte Handel mit und Schmuggel von BtM.