Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 28. Juli 2017 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/3427 zu Drucksache 17/3239 03. 07. 2017 A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Drucksache 17/3239 – Windenergieanlagen auf Waldgebieten Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/3239 – vom 7. Juni 2017 hat folgenden Wortlaut: Die Windenergie leistet einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Energieziele von Bund und Ländern. Neue technologische Entwicklungen bei Anlagen ermöglichen die Aus wahl von Standorten, die vor wenigen Jahren noch nicht in Betracht kamen. Dabei haben Flä chen im Wald zunehmend an Bedeutung gewonnen. Zusammen mit Hessen verfügt Rhein land-Pfalz mit 42 Prozent bundesweit über den größten Waldflächenanteil und kann einen Teil dieser Fläche für die Nutzung der Windenergie zur Verfügung stellen. Dabei bleiben Ge biete mit größerem, zusammenhängendem Laubwaldbestand geschützt. Stattdessen sollen vorrangig Nadelwälder und bereits vorbelastete Bereiche genutzt werden. Ebenso wie im Offenland müssen bei Planungen im Wald im Rahmen der immissionsschutz rechtlichen Genehmigung Auswirkun - gen auf die Umwelt geprüft und vermeidbare Eingriffe ausgeglichen werden. Außerdem müssen waldrechtliche Belange Berücksich - tigung finden. Im Landeswaldgesetz sind Vorschriften zu Ersatzaufforstungen oder Ausgleichsmaßnahmen bei der Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsform festgeschrieben. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hat sich die Waldfläche in Rheinland-Pfalz von 2007 bis 2017 verändert? 2. Sollte sich die Gesamtwaldfläche seit 2007 reduziert haben: Welche Ursachen, d. h. konkurrierende Nutzungsformen (beispiels - weise Baugebiete, Gewerbegebiete, Verkehrswege etc.) sind darin begründet? 3. Seit welchem Jahr erfolgt die Windenergienutzung im Wald in Rheinland-Pfalz? 4. Unter welchen Bedingungen darf ein Flächeneingriff (z. B. Straßenbau) in den Wald ausgeführt werden und welche Ausgleichsoder Kompensationsmaßnahmen sind zu leisten? 5. Welchen bundes- und landesrechtlichen Regelungen unterliegt das Genehmigungsverfahren für den Bau und den Betrieb von Windenergieanlagen in Waldgebieten und wie haben diese sich in den letzten Jahren verändert? 6. In welcher Größenordnung gingen Waldflächen durch den Bau und Betrieb von Wind energieanlagen seit Beginn der Windenergienutzung im Wald verloren? 7. Welche Möglichkeiten zur Erhöhung des ökologischen Wertes (Aufwertungsmaßnah men) einer Waldfläche bestehen? Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 30. Juni 2017 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Art und Weise der auf fossilen Energieträgern basierenden Energiegewinnung, wie sie in den letzten Jahrzehnten betrieben wurde und immer noch wird, ist oft Ursache für Umweltzerstörung und ein wesentlicher Treiber für den Klimawandel. Die Folgen der Verbrennung fossiler Energieträger sind bereits seit Langem offenkundig und manifestieren sich auch in einer Destabilisierung von Waldökosystemen – 73 Prozent unserer Bäume sind insbesondere auch durch den Klimawandel geschädigt. Insgesamt wird für die Holzproduktion in Rheinland-Pfalz klimawandelbedingt ein Rückgang der Holzproduktion bis 2100 aufgrund geringerer Niederschläge und zunehmende Wärme (mit Trockenperiode) prognostiziert. Je nach Szenario kann dies zu jährlichen Einnahmenverlusten zwischen 16 bis 21 Mio. Euro führen. Der Klimaschutz und damit verbunden eine Verringerung der Emissionen durch z. B. eine verträgliche Nutzung der Windenergie, auch auf geeigneten Standorten im Wald, dient somit dem Schutz des Waldes und der Biodiversität. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine wie folgt: Zu den Fragen 1 und 2: Für 2017 liegen noch keine aktuellen Daten zum Waldflächenanteil in Rheinland-Pfalz vor. Insgesamt zeigen die Zahlen des Statis - tischen Landesamtes (Stand 2015) ebenso wie die der dritten Bundeswaldinventur (BWI 3, Stand 2012), dass der Waldflächenanteil im Land stabil bei rund 42,3 Prozent liegt. Drucksache 17/3427 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Die Ergebnisse der BWI weisen für den Zeitraum 2002 bis 2012 aus, dass die Waldfläche in Rheinland-Pfalz sich nur sehr geringfügig verändert hat. Einer Neuwaldfläche von 5 276 Hektar stehen für diesen Zeitraum 6 796 Hektar Waldrodungen gegenüber, wobei bei der letzteren Angabe nicht ermittelt wurde, ob diese Flächen wieder aufgeforstet wurden. Einerseits werden Waldflächen durch Erweiterungen von Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie in geringem Umfang für den Ausbau der Windenergienutzung im Wald in Anspruch genommen, andererseits entwickeln sich bspw. Weinbergsbrachen durch Sukzession zu Waldflächen. Zu Frage 3: Abgesehen von einzelnen kleineren Windenergieanlagen bzw. älteren Windparks im Wald, wurde der geregelte Ausbau der Windenergienutzung im Wald in Rheinland-Pfalz in 2011 begonnen. Aufgrund des technischen Fortschritts, insbesondere mit der Entwicklung höherer Windenergieanlagen, deren Rotorblätter deutlich über den Waldkronen drehen, konnte die Waldinanspruch - nahme reduziert und auch windstarke Standorte in den bewaldeten Mittelgebirgslagen waldverträglich und effizienter genutzt werden. Zu Frage 4: Gemäß § 14 Landeswaldgesetz (LWaldG) darf Wald nur mit Genehmigung des Forstamtes gerodet und in eine andere Bodennutzungsart umgewandelt werden. Bei der Entscheidung sind die Rechte, Pflichten und wirtschaftlichen Interessen der Waldbesitzenden sowie die Belange der Allgemeinheit gegeneinander und untereinander abzuwägen. Vor der Genehmigung sind die fachlich berührten Behörden anzuhören. Versagt werden soll die Genehmigung zur Umwandlung, wenn die Erhaltung des Waldes im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt. Grundsätzlich kann der waldrechtliche Ausgleich durch Ersatzaufforstungen, vorlaufende Waldneuanlagen (Waldkonto), die Aufwertung bestehender Waldbestände und mittels Walderhaltungsabgabe erreicht werden. Das Waldkonto wurde im vergangenen Jahr eingerichtet. Vor dem Hintergrund der sich ändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und im Sinne einer neuen Balance der Landnutzung (nachhaltiges Landnutzungsmanagement) in Rheinland-Pfalz, ist mittlerweile in Landkreisen/kreisfreien Städten mit einem Waldanteil unter 35 Prozent grundsätzlich der Nachweis einer Ersatzaufforstung bzw. nachrangig eine Walderhaltungsabgabe und in Landkreisen/kreisfreien Städten mit einem Waldanteil von mindestens 35 Prozent ist grundsätzlich eine Aufwertung vorhandener Waldbestände anstelle einer Ersatzaufforstung zu verlangen. Mit dieser Regelung soll die Erhaltung des derzeitigen Bewaldungsanteils des Landes Rheinland-Pfalz erreicht und gleichzeitig die Zunahme der Waldfläche zulasten des Grünlandes begrenzt werden. Waldrechtlicher und naturschutzrechtlicher Ausgleich können hierbei in einer Maßnahme zusammengefasst werden. Zu Frage 5: Die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von über 50 m bedürfen – im Wald ebenso wie im Offenland – einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Die Genehmigung schließt andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Zulassungen, Erlaubnisse und Bewilligungen auf der Grundlage der einschlägigen bundes- und landesrechtlichen Regelungen ein (Konzentrationswirkung). Im Genehmigungsverfahren sind daher auch die forstlichen Belange zu prüfen und abschließend zu regeln. Landesrechtlich wurde insbesondere mit der ersten Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP IV) in 2013 der Grundsatz formuliert, dass alte Laubholzbestände von der Windenergienutzung freigehalten werden sollen (G 163 c). Mit der dritten Teilfortschreibung wird bei weitgehend unverändertem Regelungsinhalt der bisherige Grundsatz zu einem rechtsverbindlichen Ziel der Raumordnung hochgestuft Weiterhin soll die Vorgabe der Bereitstellung von 2 Prozent der Landesfläche für die Windenergienutzung (G 163 a) insbesondere auch für Waldflächen (G 163 c) beibehalten werden, wobei in allen Fällen das Adjektiv „mindestens“ entfällt. Zu Frage 6: In Rheinland-Pfalz stehen aktuell rund 400 Windenergieanlagen (WEA) im Wald. Für die ersten WEA im Wald wurde eine dauerhafte Waldinanspruchnahme von rund 0,5 bis 0,7 ha/WEA ermittelt. Aktuell ist von einer langfristigen Waldinanspruchnahme von i. d. R. 0,5 bis 1,0 ha auszugehen, sodass sich bei einem Flächenmittel von 0,7 ha/WEA eine Umwandlungsfläche von nicht mehr als 280 ha ergibt. Dies entspricht 0,01 bis 0,02 Prozent der Bodenfläche des Landes insgesamt. Zu Frage 7: Die Aufwertung bestehender Waldbestände erfolgt forstrechtlich durch waldverbessernde Maßnahmen. Forstrechtlich anerkannte Möglichkeiten zur Erhöhung des ökologischen Wertes einer Waldfläche können insbesondere sein: – Beimischung oder Unterbau von Laubholz in Nadelholzreinbeständen, – Beimischung oder Unterbau von Nadelholz (insbesondere Weißtanne) in Laubholzreinbeständen, 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/3427 – Aufbau vorbildlich abgestufter Waldränder, – Bodenschutzkalkung, – Maßnahmen zum Wasserrückhalt in der Fläche, – Maßnahmen zur Erfüllung der Standards der Zertifizierungssysteme. Eine naturschutzfachliche Aufwertung ist im Wesentlichen durch Erhöhung der Alt- und Totholzanteile in bestehenden Wäldern über 120 Jahre erreichbar, ferner durch Entnahme nicht standortheimischer Bestockung und Bestandsumbau hin zu artenreichen, standorttypischen Lauholzbeständen. Ulrike Höfken Staatsministerin 3