Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 1. August 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/464 zu Drucksache 17/234 14. 07. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Wäschenbach (CDU) – Drucksache 17/234 – Falsche Diagnosen zu Multiple Sklerose (MS) Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/234 – vom 23. Juni 2016 hat folgenden Wortlaut: In einer Fachzeitschrift wurde am 14. Juni über vorschnelle Diagnosen berichtet. Multiple Sklerose wird häufig diagnostiziert, obwohl eine andere Krankheit dahintersteckt, stellten Spezialisten in den USA fest. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landessregierung: 1. Wie viele MS-Fälle wurden in den letzten Jahren im Land zunehmend oder abnehmend diagnostiziert? 2. Über welche Zeiträume verliefen die jeweiligen Diagnoseprozesse? 3. In wie vielen Fällen wurde die Diagnose durch Zweit- oder Drittmeinungen gefestigt? 4. Was kann zur Diagnosesicherung und Vermeidung von Fehlbehandlungen unternommen werden? 5. Welche Forschungseinrichtungen und Spezialkliniken zu MS gibt es in Rheinland-Pfalz? 6. Wie können die Selbsthilfegruppen im Land besser unterstützt und mit Spezialisten vernetzt werden? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 13. Juli 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In den Jahren 2011 bis 2014 wurden im stationären Bereich Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose (MS) als Hauptdiagnose in folgender Häufigkeit behandelt (ICD-10 Code G35) 1): 2011: 3 271 Fälle, 2012: 3 365 Fälle, 2013: 3 355 Fälle, 2014: 3 369 Fälle. Die Anzahl der Patientinnen und Patienten mit einer gesicherten Diagnose Multiple Sklerose aus dem ambulanten Bereich stellt sich wie folgt dar2): 2011: 34 334 Fälle, 2012: 36 071 Fälle, 2013: 38 017 Fälle, 2014: 40 247 Fälle. Zu 2.: Im Prinzip kann die Diagnose einer Multiplen Sklerose relativ schnell und sicher gestellt werden, wenn die Kriterien einer örtlichen und zeitlichen Disseminaton erfüllt sind. Liegt hingegen nur einmalig ein klinischer Schub passend zum Krankheitsbild einer Multiplen Sklerose vor, ist das Kriterium der zeitlichen Dissemination nicht erfüllt und die Diagnose stellt sich schwieriger dar. 1) Quelle: Abrechnungsdaten der Krankenhäuser/INeK. 2) Quelle: Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz. Drucksache 17/464 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Nach einer Studie aus Nordrhein-Westfalen, die nach Auffassung eines ausgewiesenen ärztlichen Experten vergleichbare Rückschlüsse auch in anderen Bundesländern zulässt, dauert es im Mittel noch ca. 2,4 Jahre, bis nach den ersten Symptomen die Diagnose einer Multiplen Sklerose gestellt wird. Bei den 20 bis 29-Jährigen dauert es im Mittel 1,1 Jahre und bei den unter 20-Jährigen im Mittel 0,3 Jahre 3). Eine möglichst frühzeitige Diagnose ist für Patientinnen und Patienten insbesondere von Vorteil, da eine Immuntherapie bei schubförmig verlaufender Multiplen Sklerose mit Krankheitsaktivität so schnell wie möglich beginnen sollte. Zu 3.: Es ist davon auszugehen, dass die meisten Menschen, bei denen eine Multiple Sklerose diagnostiziert wird, eine Zweitmeinung einholen. Nähere Informationen liegen der Landesregierung nicht vor. Zu 4.: Diagnosesicherung und Vermeidung von Fehlbehandlungen können durch gezielten Einsatz fachärztlicher neurologischer Kompetenz erzielt werden. Zu 5.: Grundsätzlich kann Multiple Sklerose an allen rheinland-pfälzischen Krankenhäusern mit neurologischer Expertise stationär behandelt werden. Von diesen Kliniken erfüllten beziehungsweise erfüllen folgende die strengen Kriterien einer Zulassung auch zur ambulanten Diagnose und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose nach § 116 b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung: – DRK-Kamillus-Klinik, Asbach, – Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz, – Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Trier. Neben der Universitätsmedizin in Mainz führen auch andere Kliniken in Rheinland-Pfalz Studien zu Therapien der Multiplen Sklerose durch, unter anderem zur Kognition, Lebensqualität und Hippotherapie. Es ist zu erwähnen, dass alle Kliniken, die das Gütesiegel der Deutschen Multiple Sklerose-Gesellschaft (DMSG) führen, sich verpflichten, anonymisierte Patientendaten an das MS-Register der Deutschen Multiple Sklerose-Gesellschaft zu senden, die unter anderem für Zwecke der Versorgungsforschung verwendet werden. Zu 6.: Die Selbsthilfegruppen der Deutschen Multiple Sklerose-Gesellschaft sind über den ärztlichen Beirat mit MS-Spezialisten vernetzt. Die Deutsche Multiple Sklerose-Gesellschaft betreut über Sozialpädagogen mit regionaler Zuordnung die ehrenamtlichen Selbsthilfegruppen . Fragen der Selbsthilfegruppen werden direkt oder über die Landesgeschäftsstelle an MS-Spezialisten weitergegeben und beantwortet. Die Deutschen Multiple Sklerose-Gesellschaft hat MS-Fachpflegekräfte ausgebildet, die auch ambulant eingesetzt werden können. Für Fragen rund um das Thema „Arbeit“ verfügt die Deutschen Multiple Sklerose-Gesellschaft ebenfalls über Fachkräfte („Job-Coaches“). Der ärztliche Beirat der Deutschen Multiple Sklerose-Gesellschaft bietet für Ärzte einen „Zweitmeinungsservice“ an, bei dem Fragen von diesem konsentiert beantwortet werden. Das MS-Netz Rheinland-Pfalz bringt praktisch alle Akut- und einige Rehakliniken sowie auch niedergelassene Kollegen zusammen. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin 3) Quelle: MS-Register der DMSG.