Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 1. August 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/474 zu Drucksache 17/246 14. 07. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) – Drucksache 17/246 – Urteil Bundessozialgericht Hilfe zum Lebensunterhalt für EU-Ausländer Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/246 – vom 24. Juni 2016 hat folgenden Wortlaut: Das Bundessozialgericht hatte geurteilt, dass die Sozialbehörden EU-Ausländern nach sechs Monaten Aufenthalt in Deutschland regelmäßig Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zahlen müssen, obwohl sie nach dem Sozialgesetzbuch II von Hartz IV ausgeschlossen sind. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie wird sich dieses Urteil des Bundessozialgerichts auf die Praxis auswirken? 2. Wie hoch betrugen die Ausgaben der Kommunen in Rheinland-Pfalz bei der Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt für die Jahre 2013, 2014 und 2015? 3. Auf wie hoch werden die Ausgaben der Kommunen in Rheinland-Pfalz bei der Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt für das Jahr 2016 für EU-Ausländer geschätzt? 4. Wie viele EU-Bürger in Rheinland-Pfalz erhalten Hilfe zum Lebensunterhalt? 5. Wie viele Personen in Rheinland-Pfalz werden schätzungsweise nach der neuen Rechtslage zusätzlich Anspruch auf Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt haben? 6. Plant die Landesregierung im Rahmen einer Bundesratsinitiative in der Sozialgesetzgebung festzuschreiben, dass EU-Ausländer, die von Hartz IV ausgeschlossen sind, auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt haben sollen? Wenn nein, warum nicht? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 14. Juli 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass der Ausschluss arbeitsuchender Unionsbürger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) auch für diejenigen Unionsbürger greift („erst-recht”), die über kein Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz oder dem Aufenthaltsgesetz verfügen. Auch bei fehlender Freizügigkeitsberechtigung sind aber zumindest Sozialhilfeleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) im Ermessenswege zu erbringen. Das Bundessozialgericht geht davon aus, dass im Falle eines verfestigten Aufenthalts – über sechs Monate – dieses Ermessen aus Gründen der Systematik des Sozialhilferechts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Weise reduziert ist, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu erbringen ist. Der Landesregierung ist nicht bekannt, ob es bereits zu einer Leistungsgewährung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gekommen ist. Zuständig hierfür wären die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz – aber auch andere Landessozialgerichte – einen Ausschluss von erwerbsfähigen Unionsbürgern auch auf den Leistungsanspruch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erstreckt und festgestellt hat, dass Leistungen der Sozialhilfe allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu 1.: Hierzu können derzeit noch keine Aussagen getroffen werden. Kommt es zu einer Leistungsgewährung, führt dies zu zusätzlichen Belastungen für die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe. Durch die Kostenbeteiligung über die Schlüsselzuweisungen C1 im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs entstehen dann auch zusätzliche Ausgaben für das Land. Drucksache 17/474 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Zu 2.: Nach den Statistischen Berichten „Ausgaben und Einnahmen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch“ des Statistischen Landesamtes beliefen sich die Ausgaben der örtlichen Träger der Sozialhilfe für die „Laufenden Leistungen“ der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) im Jahr 2013 auf 24,08 Mio. Euro und im Jahr 2014 auf 27,04 Mio. Euro. Für das Jahr 2015 liegen noch keine Daten des Statistischen Landesamtes vor. Zu 3.: Eine seriöse Schätzung der Ausgaben für laufende Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für das Jahr 2016 für EU-Ausländer kann nicht vorgenommen werden, da in der „Ausgabenstatistik“ des Statistischen Landesamtes keine Unterscheidung zwischen deutschen und nicht deutschen Leistungsempfängern vorgenommen wird. Zu 4.: Am 31. Dezember 2014 bezogen 203 EU-Ausländer Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Zu 5.: Eine Schätzung, wie viele EU-Ausländer aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zusätzlich Hilfe zum Lebensunterhalt in Anspruch nehmen werden, ist nicht möglich. Zu 6.: Nicht zuletzt aufgrund nachhaltiger Forderungen der Länder und Kommunen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vorgelegt. Die Landesregierung sieht damit ihre Forderungen erfüllt. Darin werden die Leistungsausschlüsse im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ergänzt und damit klargestellt, dass Personen ohne materielles Freizügigkeitsrecht oder Aufenthaltsrecht ebenso wie Personen, die sich mit einem Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten sowie Personen, die ihr Aufenthaltsrecht nur aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 ableiten, von den Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ausgeschlossen sind. Im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch werden die Leistungsausschlüsse denjenigen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch angepasst. Daneben wird im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ein Anspruch für einen Zeitraum von vier Wochen geschaffen, mit der Möglichkeit, darlehensweise die Kosten für ein Rückfahrticket zu übernehmen. Außerdem wird im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ein Leistungsanspruch nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland eingeführt. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin