Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 6. September 2016 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/659 zu Drucksache 17/453 04. 08. 2016 A n t w o r t des Ministeriums des Innern und für Sport auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hans Jürgen Noss und Nico Steinbach (SPD) – Drucksache 17/453 – Unwetter im Sommer 2016 und ihre Folgen Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/453 – vom 14. Juli 2016 hat folgenden Wortlaut: Der bisherige Sommer des Jahres 2016 war geprägt durch zahlreiche schwere Unwetter in den Regionen unseres Landes. Starkregenereignisse , Hagel, schwere Gewitter und Blitzeinschläge verursachten dabei zahlreiche Personen- und Sachschäden bis hin zu Zugentgleisungen. Im ganzen Land waren Helferinnen und Helfer der Feuerwehren, der Sanitätsorganisationen, des Technischen Hilfswerks und auch der Polizei im Einsatz, um den Bürgerinnen und Bürgern bei der Bewältigung der Unwetterfolgen beizustehen . Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie stellt sich nach Kenntnis der Landesregierung die Schadensbilanz der diversen Unwetterereignisse dieses Sommers dar? 2. Welche konkreten Vorfälle bildeten nach dem Gesamtbild Schwerpunktereignisse? 3. Welche Bilanz kann zu den Einsätzen der zahlreichen Helferinnen und Helfer gezogen werden? Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 4. August 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Vom 26. Mai bis zum 8. Juni 2016 wurde das Witterungsgeschehen in Deutschland im Wesentlichen von der Großwetterlage „Tief Mitteleuropa“ beherrscht, die auch die Hochwasser 2013 und 2002 ausgelöst hat. Die Witterung war durch wiederholte und verbreitet auftretende Gewitter charakterisiert und wurde von zahlreichen Unwettern begleitet. Außergewöhnlich war die überaus lange Persistenz der Wetterlage über einen Zeitraum von zwei Wochen, die in dieser Zeit zu einer extremen Häufung von Unwetter - und Starkregenereignissen im Süden und Südwesten Deutschlands führte. Im Anschluss an diese Unwetterperiode sorgten ergiebige Regenfälle im Alpenraum für ein langanhaltendes Hochwasser im Oberrhein. Den Abschluss dieser für Juni ungewöhnlichen Witterungsperiode machte ein erneutes, auf eine dreitägige extreme Hitzewelle folgendes Unwetterwochenende vom 24. bis 26. Juni 2016. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Bei Privatgeschädigten beläuft sich nach den vorliegenden Erkenntnissen die Gesamtzahl auf rund 5 000 Schadensobjekte. Im Verkehrsbereich entstand zur Beseitigung der Vielzahl kleinerer Schäden an Autobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen in den Meistereien ein interner Personal- und Geräteaufwand von rund 1,5 Millionen Euro, hinzu kommen noch externe Leistungen von Firmen, die zur Schadensbehebung herangezogen wurden und werden. Die Schadenshöhe für größere Schäden – mit Sanierungs - kosten größer 50 000 Euro und/oder einer teilweise längerfristigen halbseitigen Sperrung bzw. Vollsperrung – beträgt über alle drei Baulastträger voraussichtlich mindestens 5 Millionen Euro. Angaben zu der Schadenshöhe/zu den Kosten zur Schadensbeseitigung an der Schieneninfrastruktur liegen derzeit nicht vor. In der Landwirtschaft einschließlich Wein- und Gartenbau sind neben den primären, direkten Schäden durch Hagel, Starkregen und Überschwemmungen sekundäre Schäden infolge anhaltender Luft- und Bodenfeuchtigkeit, hoher Temperaturen und Staunässe zu verzeichnen. Durch primäre Schäden ist vor allem der Gemüse- und Kartoffelanbau in der Vorderpfalz betroffen. Dort wurde auf rund 3 500 ha Anbaufläche die Ernte teilweise vollständig vernichtet. Als sekundäre Schäden steigt in der Folge der Infektions- und Befallsdruck für verschiedene pilzliche und bakterielle Erkrankungen sowie tierische Schaderreger wie beispielsweise die Kirschessigfliege . Im Kartoffelbau sind schwere Epidemien von Kraut- und Knollenfäule und im Weinbau von Falschem Mehltau zu verzeichnen . Im Gemüse-, Kartoffel- und Obstanbau liegt der geschätzte monetäre Schadensumfang bei 33 Millionen Euro. Drucksache 17/659 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode 2 Darüber hinaus ist die Befahrbarkeit der Wege und Flächen zur Durchführung von Kulturmaßnahmen (Ausbringung von Pflanzen - schutzmitteln, Pflege- und Erntemaßnahmen) teilweise stark eingeschränkt. Werden die wassergesättigten Flächen dennoch befahren , hat dies die Verschlämmung und Verdichtung des Bodens mit negativem Effekt für die Bodenstruktur zur Folge. Die Witterungsereignisse haben außerdem nachteilige Folgen für das Grund- und Oberflächenwasser durch den diffusen Eintrag von Nährstoffen, die über die Verlagerung in tiefere Bodenschichten oder den Zwischenabfluss und Erosion in die Gewässer gelangen . An Liegenschaften des Landes ist überschlägig ein Schaden von 180 000 Euro entstanden. Zu Frage 2: Starkregen, Hagel und heftige Gewitter mit Blitzeinschlägen führten zu Personenschäden, überfluteten Kellern, unterspülten Häusern, gesperrten und unpassierbaren Straßen, Schulschließungen und Räumungen, zahlreichen Überflutungen, Hangrutschen sowie Beeinträchtigungen der Infrastruktur. Menschen und Tiere mussten gerettet werden. Als besonders belastend hat sich hierbei die meteorologische Lage erwiesen, die das Abziehen des Tiefdruckgebietes verhindert hat und dazu führte, dass Kommunen teils mehrmals betroffen waren. Die Ereignisse im Land lassen sich als typische Schadensbilder einer Unwetterlage zusammenfassen , nämlich die Räumung von Campingplätzen, der Schutz von Gebäuden durch Sandsäcke, Auspumpen von Kellern, Bergen oder Sichern von Öl- und Gastanks, Sichern von Gebäuden und Räumen von Straßen nach Hangrutschen. Bei der Gefahrenabwehr zur Bewältigung der Unwetterereignisse wurden insbesondere folgende Einsatzschwerpunkte festgestellt: – Landkreis Ahrweiler: – Schließung von fünf Schulen, – Rettung eines Ehepaares über Drehleiter, – Rettung von mehreren Menschen aus einem Auto zwischen Wirft und Kirmutscheid, – Räumung der Campingplätze Altenburg und Altenahr-Kreuzberg, – Rettung von 22 Personen mittels drei Hubschraubern und mehreren Rettungsbooten, – Sicherung eines aufgeschwemmten Gastanks, – Hochwasser an der Ahr, Menschenrettung durch Hubschrauber, – starke Unwetterschäden durch Starkregen. – Landkreis Alzey-Worms: – Räumung mehrerer Kindergärten wegen Gefahr der Überflutung. – Landkreis Mainz-Bingen: – Totalschaden an Wohngebäude in Niederheimbach. – Landkreis Mayen-Koblenz: – Unwetter bei Großveranstaltung „Rock am Ring“, – mehrere Blitzeinschläge auf dem Festivalgelände, – acht akut vital bedrohte Verletzte, davon eine Reanimation, – 34 Personen schwer verletzt, – über 80 Personen leicht verletzt, – insgesamt 71 Personen wurden in umliegende Krankenhäuser verbracht, – Sperrung der L 207 nach Erdrutsch zwischen Alken und Boppard-Buchholz, – Sperrung der Hunsrückhöhenstraße bei Waldesch wegen Schlamm auf der Fahrbahn, – Sperrung nach Erdrutsch der Bahnstrecke zwischen Hatzenport und Moselkern, – ein Regionalexpress mit 300 Fahrgästen fuhr in den Erdrutsch und entgleiste, – die Fahrgäste wurden durch Kräfte der Schnelleinsatzgruppe Betreuung versorgt, es gab keine verletzten Personen, – mittels Ersatzverkehr wurden die Fahrgäste nach Koblenz verbracht. – Rhein-Lahn-Kreis: – Zahlreiche Überflutungen und mehrere Hangrutsche, – Sperrung der B 42 im Bereich Kestert, – Freispülung einer Gasleitung in Verbindung mit Gasaustritt, – mehrere Häuser in der VG Loreley von Hangrutsch bedroht, – Überflutung eines Tennisplatzes in Sankt Goarshausen, Vereinsheim ist einsturzgefährdet, – B 42 ist gesperrt und wird durch LBM geräumt, – Grundschule Dahlheim beschädigt, – Evakuierung eines einsturzgefährdeten Gebäudes in Kamp-Bornhofen. Neun Asylbegehrende betroffen, – drohender Dammbruch eines Regenrückhaltebeckens bei Kaub. – Landkreis Cochem-Zell: – Hangrutsch mit Entgleisung eines Zuges. Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Drucksache 17/659 – Landkreis Kusel: – Blitzeinschlag in Sportgelände bei Jugendfußballspiel in Hoppstädten, – 24 Verletzte (davon 21 Kinder), darunter drei Schwerverletzte, – eine Person wurde vor Ort reanimiert. – Vulkaneifelkreis: – Sperrung nach Erdrutsch der Bahnstrecke zwischen Gerolstein und Blankenheim, – Sicherungsmaßnahmen der Kirche und alten Mühle in Neroth, – Sperrung der B 257 wegen eines unterspülten und nicht mehr standsicheren Baukrans, – Dorfgemeinschaftshaus und Feuerwehrhaus in Nertlen von Überflutung betroffen. – Stadt Kaiserslautern: – Sicherungsmaßnahmen an mehreren Transformatoren im Stadtgebiet. – Landkreis Südliche Weinstraße: – Extremhochwasser in Annweiler, – Überflutung des Kellergeschosses im Klinikum, – Hangrutsch am Klingelberg. – Landkreis Bad Kreuznach: – Mehrere Wohngebäude durch Unterspülung stark beschädigt, – B 41 und Bahnlinie bei Monzingen gesperrt, – Menschenrettung in der Stadt Stromberg aus Kellern und mit Booten aus oberen Stockwerken. – Rhein-Hunsrück-Kreis: – Sicherungsmaßnahmen an mehreren Gastanks, – Schutz einer Tankstelle, – Menschenrettung in der VG Simmern aus Kellern und mit Booten aus oberen Stockwerken, – extreme Überflutungen, – Entgleisung einer Regionalbahn durch Hangrutsch. – Ludwigshafen/Rhein-Pfalz-Kreis: – Dammrutschung an der A 6 im Bereich der Baustelle zur grundhaften Erneuerung, Sperrung der rechten Fahrspur in Fahrt - richtung Saarbrücken auf rund 1 100 Metern. Hochwasser – an einigen Pegeln bis in den Bereich 100-jährlicher Abflüsse – gab es u. a. an – der Ahr und ihren Zuflüssen, – Alsenz, – Nette, – Appelbach und – Oberlauf der Lieser und der Nims, – Simmerbach. Darüber hinaus führten viele kleine Flüsse und Bäche Hochwasser. Besonders schwere Starkregen traten an den in der nachfolgenden Tabelle aufgelisteten Orten auf: Tabelle 1: Niederschlagsereignisse mit besonders hohen Intensitäten während der Unwetterperiode vom 27. Mai bis 8. Juni 2016 in Rheinland-Pfalz 3 Drucksache 17/659 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Zu Frage 3: Die Einsätze wurden zum überwiegenden Teil auf der Gemeindeebene erfolgreich bewältigt. Neben den Feuerwehren waren auch Kräfte des Rettungsdienstes, der Sanitätsorganisationen sowie der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) im Einsatz. Das Land hat die betroffenen Landkreise, Städte und Gemeinden unter anderem durch landeseigene Einsatzmittel wie Großraumrettungswagen , Pumpencontainer und Sandsäcke unterstützt. Die Koordinierungsstelle der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) war über den gesamten Zeitraum im Dienst. Eine Verbindungsperson des Landes war an allen Festivaltagen von „Rock am Ring“ in der Technischen Einsatzleitung vor Ort. Aufgrund der erwarteten Unwetterlage am 04. Juni erfolgte die erste Bewährungsprobe des Unterstützungskonzeptes des Landes im Brand- und Katastrophenschutz. Das Konzept ermöglichte, vordefinierte Einheiten aus nicht betroffenen Leitstellenbereichen schnell zu alarmieren und in festgelegte Bereitstellungsräume zu entsenden, um von dort bei Bedarf in den Einsatz gehen zu können. Bei den Unwettereinsätzen kamen bis zum 8. Juni rund 18 500 Einsatzkräfte der Feuerwehren, des Rettungsdienstes, der Sanitätsorgani - sationen und des THW zum Einsatz. Sie leisteten zusammen etwa 127 600 Einsatzstunden, das heißt im Durchschnitt entfielen etwa sieben Stunden auf die einzelne Einsatzkraft. Zum Einsatz gelangten in diesem Zeitraum etwa 3500 Fahrzeuge. Die Daten teilen sich wie folgt auf in: Sowohl Einsatzkräfte als auch Einsatzfahrzeuge leisteten in diesem Zeitraum teilweise mehrfach Hilfe und sind somit auch mehrfach erfasst worden. Als Fazit der Unwettereinsätze kann festgestellt werden: In Rheinland-Pfalz wird der Brand- und Katastrophenschutz von den Gemeinden, Landkreisen und Städten als Verbundsystem im Rahmen der Selbstverwaltung wahrgenommen. Die Vernetzung der Gefahrenabwehrkräfte geht über Verwaltungsgrenzen hinweg, sie stellen keine Einsatzgrenzen dar. Das Verbundsystem der Gefahrenabwehr hat sich bei der Bewältigung der Unwetterschäden in den vergangenen Wochen bewährt. Die überwiegend freiwillig -ehrenamtlichen Einsatzkräfte der Feuerwehren, der Sanitätsorganisationen und des THW haben vertrauensvoll und erfolgreich zusammengearbeitet. Regelungs- und Vollzugsdefizite bei der Gefahrenabwehr sind derzeit nicht festzustellen. Roger Lewentz Staatsminister 4 Organisation Einsatzkräfte Fahrzeuge Einsatzstunden Feuerwehr 16 099 2 829 112 305 Sanitätsorganisationen 1 331 290 6 410 THW 1 053 278 8 839 Rettungsdienst 28 13 36