Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. August 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/696 zu Drucksache 17/490 08. 08. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia Schellhammer und Daniel Köbler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Drucksache 17/490 – Blutspende-Ausschluss Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/490 – vom 19. Juli 2016 hat folgenden Wortlaut: Nach wie vor sind Männer, die zumindest einmal sexuellen Kontakt mit anderen Männern hatten (MSM), lebenslang von der Blut - spende ausgeschlossen. Dies wird von der betroffenen Gruppe als diskriminierend empfunden. In anderen EU-Ländern dürfen betroffene Männer dagegen aufgrund verbesserter Nachweismethoden von HIV-Infektionen nach einer bestimmten Frist wieder ohne Einschränkung Blut spenden. Der Europäische Gerichtshof hat vor diesem Hintergrund 2015 entschieden, dass der generelle Ausschluss von MSM mit dem Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung in Artikel 21 Abs. 1 und Artikel 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Euro päischen Union nicht vereinbar ist. In Bezug darauf hat die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) in ihrer vergangenen Sitzung einstimmig den Bundesgesundheitsminister aufgefordert, die Auswirkungen des Gerichtsurteils auf die Ausschlusskriterien in Deutschland zu prüfen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung vor dem Hintergrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich der Unvereinbarkeit des generellen Ausschlusses von MSM von der Blutspende mit dem Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung in Artikel 21 Abs. 1 und Artikel 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union? 2. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung vor dem Hintergrund des Beschlusses der Gesundheitsministerkonferenz hinsichtlich der Überprüfung der nationalen Regelung zum Ausschlusses von MSM? 3. Inwiefern unterstützt die Landesregierung deshalb den Ansatz, nicht eine angebliche Risikogruppe generell von der Blutspende auszuschließen, sondern stattdessen individuell ein Risikoverhalten abzufragen? 4. Welche EU-Staaten sind der Landesregierung bekannt, die MSM nicht oder nur zeitlich begrenzt von der Blutspende aus - schließen? 5. Wie sind nach Kenntnis der Landesregierung die Erfahrungen mit der Entwicklung von HIV-Infektionen in Spenderblut in diesen Staaten? 6. Welche weiteren Aktivitäten auf Bundes- und Landesebene gibt es nach Kenntnis der Landesregierung zu diesem Thema? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 8. August 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Landesregierung begrüßt das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-528/13 im Fall des Franzosen Geoffrey Léger vom 29. April 2015, dass Regelungen im Blutspendewesen in den Mitgliedstaaten bei Personengruppen pauschal nicht als Diskriminierung empfunden werden dürfen, gleichzeitig jedoch in der Praxis ein Höchstmaß an Qualität und Patientensicherheit gewährleisten müssen. Zu 2.: Die 89. Gesundheitsministerkonferenz hat Ende Juni 2016 in Rostock mit Unterstützung von Rheinland-Pfalz einstimmig das Bundesministerium für Gesundheit gebeten, die Auswirkungen des obigen EuGH-Urteils auf Änderungen der Spenderausschlusskriterien in bestehenden nationalen Regelungen (Hämotherapierichtlinie) darzulegen. Zu 3.: Die Landesregierung unterstützt mit Nachdruck Bestrebungen, Spender nicht allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von der Blutspende auszuschließen, sondern vielmehr auf das reale Risikoverhalten abzustellen. Eine individuelle Risikobeurteilung ist Drucksache 17/696 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode dabei jedoch schwierig, da nach Erfahrung der beteiligten Blutspendedienste und Transfusionsmediziner die dazu verwendeten Spenderfragebogen häufig nur unvollständig und nicht immer wahrheitsgemäß ausgefüllt werden. Vielmehr sollte nach Auffassung der Landesregierung bei der Risikobewertung auf vorhandene gruppenspezifische und unabhängige Daten der für die Beurteilung von Infektionsrisiken zuständigen Bundesoberbehörden (Paul-Ehrlich-Institut und Robert Koch-Institut) Bezug genommen werden. Eine seriöse Risikobewertung der Sicherheit von Blutpräparaten kann nicht auf Basis von Einzelspenden vorgenommen worden, sondern bedarf eines Kollektivs von Spenderdaten. Diese Datenbasis ist dann für Transfusionsmediziner die Grundlage einer fundierten Entscheidung im Einzelfall. Zu 4.: In der Europäischen Union ergibt sich nach Kenntnis der Landesregierung derzeitig hinsichtlich der Zulassung von Männern, die Sex mit Männer haben beziehungsweise hatten (MSM), bei der Blutspende ein uneinheitliches Bild. Personen, die ein hohes Risiko für den Erwerb von gefährlichen Infektionen haben, dürfen in keinem Land spenden. Im Hinblick auf MSM besteht aktuell in den meisten europäischen Ländern ein lebens langer Ausschluss. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Groß bri tan nien, Niederlande, Schweden und ganz aktuell auch Frankreich, dürfen MSM spenden, wenn ihr letzter Sexualkontakt zu einem anderen Mann ein Jahr beziehungsweise mehr als ein Jahr zurückliegt. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Portugal, Spanien und Italien, hat man sich entschieden, Spender nach individueller Risikobeurteilung durch das ärztliche Personal zur Spende zu zu lassen. MSM mit wechselnden Partnern sind auch hier immer von der Spende ausgeschlossen. Österreich, Belgien, Dänemark und die Schweiz halten derzeit noch wie Deutschland an einem dauerhaften Ausschluss bei MSM fest. Zu 5.: Einen umfassenden Überblick des Einflusses unterschiedlicher Regelungen zur Blutspende von MSM auf die Entwicklung von HIV-Infektionen in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt es vor dem Hintergrund der derzeit komplexen Änderungen in diesem Bereich nicht. Untersuchungen zu den unterschiedlichen Verfahren der Risikominimierung in den einzelnen Mitgliedstaaten laufen noch und können noch nicht endgültig bewertet werden. Eine international anerkannte Studie mehrerer europäischer Experten, die Mitte Juli 2014 in der renommierten Fachzeitschrift Vox sanguinis publiziert wurde, zeigt aber deutlich, dass weniger die einzelnen Verfahren der Risikominimierung erfolgversprechend sind, sondern vielmehr die Aufklärung der Spender über mögliches Risikoverhalten und die entsprechende Ansprache an Spendewillige, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben im Spenderfragebogen zu machen und dadurch die notwendige Adhärenz zum Blutspendeverfahren zu verbessern. Zusätzlich berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im November 2015, dass weltweit Erfolge bei der Bekämpfung von AIDS zu verzeichnen sind, während in Europa die Zahl der HIV-Neuinfektionen auf einem Rekordniveau liegt und die AIDS- Strategien enttäuschend verlaufen sind. Bei näherer Analyse zeigt sich, dass in den osteuropäischen Ländern wechselnde heterosexuelle Kontakte, insbesondere mit drogenabhängigen Sexualpartnern, für diese Entwicklung verantwortlich sind, während in Westeuropa HIV-Diagnosen bei Männern, die Sex mit Männern haben oder hatten (MSM), in den letzten Jahren rasant gestiegen sind. Deshalb bedarf dieser Übertragungsweg der ständigen Beobachtung und aktuellen Bewertung von den zuständigen Behörden (Robert Koch-Institut und Paul-Ehrlich-Institut) im Rahmen ihrer Hämovigilanztätigkeiten. Zu 6.: Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich die Entwicklung, dass neben der einstimmigen politischen Initiative durch die 89. Gesundheitsministerkonferenz aktuell auf Bundesebene auch die Fachgremien wie der Arbeitskreis Blut und die Bundesärztekammer in Kooperation mit dem Paul-Ehrlich-Institut im Rahmen der laufenden Überarbeitung der einschlägigen Hämotherapierichtlinien Fragen der Ausschlusskriterien bei der Blutspende und auch von MSM an zentraler Stelle diskutieren. Für die Landesregierung ist in diesem Abstimmungsprozess entscheidend, dass Regelungen gefunden werden, die ein Höchstmaß an Sicherheit bei Blutprodukten gewährleisten und gleichzeitig von betroffenen Spendern nicht als diskriminierend empfunden werden. In Vertretung: David Langner Staatssekretär