Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 20. September 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/754 zu Drucksache 17/612 19. 08. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Bildung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Joachim Paul (AfD) – Drucksache 17/612 – Islamischer Religionsunterricht an rheinland-pfälzischen Schulen Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/612 – vom 28. Juli 2016 hat folgenden Wortlaut: In Rheinland-Pfalz gibt es seit 2004 Modellversuche, die das Ziel haben, langfristig in allen Schulen Islamischen Religionsunterricht (IRU) einzuführen. Ein Vertragspartner bei der Gestaltung und Durchführung des IRU soll die Türkisch-Islamische Union (DITIB) sein. Aktuell soll die Landesregierung hinsichtlich des IRU auch mit „lokalen Ansprechpartnern“ kooperieren. Ich frage die Landesregierung: 1. Aus welchen Gründen strebt die Landesregierung bei der Gestaltung des IRU eine Partnerschaft mit der DITIB an? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass DITIB ganz wesentlich von der türkischen Religionsbehörde „Diyanet“ kontrolliert bzw. stark beeinflusst wird? 3. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass jüngst in Moscheen, die der DITIB zuzuordnen sind, in einer offenkundig von „Diyanet“ bzw. türkischen Regierungsstellen konzipierten Predigt die Politik des türkischen Staatspräsidenten Erdogans gerechtfertigt und seine Gegner aggressiv kritisiert wurden? 4. Wie schätzt die Landesregierung die Gefahr ein, dass das aktuelle Wirken der DITIB zur Eskalation des Konflikts zwischen Erdogan-Anhängern und -Gegnern in Deutschland beiträgt? 5. Inwieweit wäre die DITIB bei Abschluss eines Vertrags mit dem Land Rheinland-Pfalz an der inhaltlichen Gestaltung (z. B. hinsichtlich Lehrplänen) des IRU und der Lehrerausbildung beteiligt? 6. Wer ist der lokale Ansprechpartner zum islamischen Religionsunterricht in Mainz und nach welchen Kriterien wurde er ausgewählt ? 7. Wie werden die lokalen Ansprechpartner ausgewählt und gibt es Prüfungsmechanismen, denen sich lokale Ansprechpartner unterziehen müssen, um islamistische Bestrebungen zu verhindern? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie sehen diese aus? Das Ministerium für Bildung hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 18. August 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Landesregierung lässt die Verhandlungen mit den islamischen Verbänden über Vereinbarungen zum islamischen Religionsunterricht und über das grundlegende Verhältnis zwischen den islamischen Verbänden und dem Land ruhen. Das Land verschafft sich zunächst ein umfassendes Bild über die neue Situation in der Türkei und die direkten Folgen für das Zusammenleben in Rheinland- Pfalz. Eine zentrale Frage ist die politische Einflussnahme des türkischen Staates auf die islamischen Verbände, die den Charakter als Religionsgemeinschaften gefährden könnte. Insbesondere geht es um die Ausbildung und Entsendung der Imame durch die türkische Religionsbehörde. Die Gutachter, die im vergangenen Jahr den Status der islamischen Verbände begutachtet hatten, werden beauftragt, in einer Zusatz-Stellungnahme die aktuelle Situation sowie die Frage der Staatsferne zu beurteilen. Auf dieser Grundlage wird dann entschieden, wie sich die weiteren Vertragsverhandlungen gestalten. Von den islamischen Religionsgemeinschaften selbst erwartet die Landesregierung eine klare Positionierung zur eigenen Unabhängigkeit und zu ihrem überparteilichen Charakter. Ebenso erwartet die Landesregierung ein konsequentes Einschreiten seitens der Religionsgemeinschaften, sollten ihnen politische Einflussnahmen innerhalb ihres Verbandes oder in den ihnen zugehörigen Moscheegemeinden bekannt werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die bisherigen Verhandlungen beziehen sich nicht in erster Linie auf den Islamischen Religionsunterricht (IRU), sondern auf eine Vereinbarung mit vier islamischen Verbänden, durch die das grundsätzliche Verhältnis zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und den islamischen Organisationen auf eine vertragliche und rechtliche Grundlage gestellt werden soll. Zu diesen Verhandlungen wur- Drucksache 17/754 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode den die Ahmadiyya-Muslim-Jamaat, der DITIB-Landesverband Rheinland-Pfalz, die Schura Rheinland-Pfalz, der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) sowie – zu getrennten Gesprächen – die Alevitische Gemeinde Deutschlands eingeladen. Teil der angestrebten Vereinbarungen sind auch grundlegende Regelungen über den Islamischen Religionsunterricht. Dieser unterliegt wie jeder andere Religionsunterricht den verfassungsrechtlichen Normen des Artikel 7 Abs. 3 Grundgesetz sowie des Artikel 34 der Landesverfassung (LV). Hiernach ist Religionsunterricht ordentliches Lehrfach und staatliche Aufgabe; diese Aufgabe nimmt der Staat „im Auftrag und in Übereinstimmung mit den Lehren und Satzungen der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft“ (Artikel 34 LV) wahr. Sollte es sich bei DITIB um eine Religionsgemeinschaft handeln, wäre islamischer Religionsunterricht also aus verfassungsrechtlichen Gründen (auch) gemeinsam mit DITIB durchzuführen. Diese formale Feststellung steht für Rheinland- Pfalz noch aus; andere Bundesländer, hier insbesondere Hamburg und Hessen, haben diese Feststellung bereits getroffen. Vor der Entscheidung über diese Feststellung hat die Landesregierung ein staatskirchenrechtliches und ein religionspädagogisches Gutachten erstellen lassen, die im Lichte der aktuellen Ereignisse in der Türkei nunmehr überarbeitet und ergänzt werden sollen. Zu den Fragen 2 bis 4: Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, wird die Landesregierung zur aktuellen Situation sowie der Frage der Staatsferne eine gutachterliche Stellungnahme einholen. Zu Frage 5: Die Beteiligung einer Religionsgemeinschaft am Religionsunterricht ist, wie in der Beantwortung zu Frage 1 dargestellt, verfassungsrechtlich verbürgt. Konkret führt Artikel 34 LV in den Sätzen 3 ff. weiter aus: „Lehrplan und Lehrbücher für den Religionsunterricht sind im Einvernehmen mit der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft zu bestimmen. Kein Lehrer kann gezwungen oder daran gehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen. Zur Erteilung des Religionsunterrichts bedürfen die Lehrer der Bevollmächtigung durch die Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften haben das Recht, im Benehmen mit der staatlichen Aufsichtsbehörde den Religionsunterricht zu beaufsichtigen und Einsicht in seine Erteilung zu nehmen.“ Lehrpläne werden von staatlichen Lehrplankommissionen erstellt. Ihr gehören in erster Linie Schulpraktikerinnen und -praktiker an, d. h. Lehrkräfte, die neben jahrelanger erfolgreicher Schulpraxis durch ihre Tätigkeit in der Aus- und Fortbildung und in der Beratung besondere fachdidaktische und unterrichtspraktische Kompetenzen nachweisen können. Die Lehrkräfte in den Religionslehrplankommissionen gehören der jeweiligen Religion bzw. Konfession an. Die Ausbildungen für islamische Religionslehrerinnen und Religionslehrer in Rheinland-Pfalz finden in Entsprechung zu den Ausbildungen für die anderen Religionsunterrichte an staatlichen Einrichtungen statt: an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe und an Staatlichen Studienseminaren in Rheinland-Pfalz. Über neue Lehrpläne, Lehrbücher und die Ausbildungskonzepte wäre bei Zustandekommen des Vertrages das Einvernehmen mit den islamischen Religionsgemeinschaften herzustellen. Zu den Fragen 6 und 7: Lokaler muslimischer Ansprechpartner für den islamischen Religionsunterricht in Mainz ist der Arbeitskreis Mainzer Muslime (AKMM). Der Sitz des Vereins ist Mainz. Solange es nicht durch einen Vertragsschluss landesweit anerkannte islamische Religionsgemeinschaften gibt, kooperiert das Land bei der modellhaften Erprobung von islamischem Religionsunterricht – wie auch andere Bundesländer – mit lokalen Ansprechpartnern , die zwar selbst keine Religionsgemeinschaft darstellen, aber dennoch Kooperationspartner des Staates für islamischen Religionsunterricht sein können, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Es muss sich um eine Vereinigung handeln, – die religiöse Zwecke verfolgt, – bei der aufgrund der Vereinsentwicklung angenommen werden kann, dass sie für eine gewisse Dauer die Partnerschaft mit dem Staat wahrnehmen wird und die – Strukturen nachweisen kann, mit der die Repräsentation der Vereinigung eindeutig geklärt ist. Diese Kriterien hat der Arbeitskreis Mainzer Muslime erfüllt, als er den Antrag auf islamischen Religionsunterricht in Mainz gestellt hat. Zusätzlich führt er verschiedene Mainzer muslimische Vereine und Gemeinden zusammen und schafft damit eine verbesserte Kommunikation zwischen ihnen. Dies ist für den islamischen Religionsunterricht wünschenswert, da so eine große Bandbreite der muslimischen Eltern und Schülerinnen und Schüler in Mainz vertreten werden, die ebenfalls unterschiedlichen muslimischen Vereinen und Moscheegemeinden angehören. Die Landesregierung hat im Vorfeld der jeweiligen Vereinbarungen mit den lokalen Ansprechpartnern ihr zur Verfügung stehende Erkenntnisquellen ausgeschöpft. Hierbei haben sich keine Anhaltspunkte für islamistische Bestrebungen ergeben. Dr. Stefanie Hubig Staatsministerin