Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 20. September 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/755 zu Drucksache 17/610 19. 08. 2016 A n t w o r t des Ministeriums für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Frisch (AfD) – Drucksache 17/610 – Altersbestimmung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/610 – vom 28. Juli 2016 hat folgenden Wortlaut: Nach Auskunft der Landesregierung (Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Frisch zu den Kosten für Unterbringung , Versorgung und Betreuung von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen – Drucksache 17/148) wurden in Rheinland- Pfalz zuletzt (Stichtag 30. April 2016) 2 695 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge von Jugendämtern betreut. In der Mehrzahl handelt es sich dabei um Jugendliche zwischen 14 bis 18 Jahren, einige sollen bereits über 18 Jahre alt sein. Bekanntermaßen sind die Altersangaben unbegleiteter junger Flüchtlinge mit Unsicherheiten behaftet, weil sehr oft amtliche Dokumente aus den Heimatländern fehlen. Die Altersangaben beruhen in der Regel auf Selbstauskünften. Die Akzeptanz dieser Angaben seitens der Behörden ist eine schwerwiegende Entscheidung, da minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen automatisch ein besonderes Schutzbedürfnis zuerkannt wird. Sie werden aus den üblichen asylrechtlichen Verfahren herausgenommen und haben dann Anspruch auf eine Versorgung nach dem Kinder- und Jugendhilferecht. Diese Art der Versorgung, analog zu der von deutschen Kindern und Jugendlichen, ist sehr viel kostspieliger als die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Angesichts des großen Anteils von Flüchtlingen, die nur knapp unter 18 Jahre alt sind, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass häufig falsche Altersangaben gemacht werden, um eine bessere Versorgung zu erhalten. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. In welchem Umfang werden in Rheinland-Pfalz medizinische Verfahren zur Altersbestimmung unbegleiteter Flüchtlinge durchgeführt ? 2. Welche Korrekturen hinsichtlich der Alterseinstufung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge ergeben sich infolge solcher medizinischer Untersuchungen? 3. Falls keine medizinischen Methoden zum Einsatz kommen, wie begründet die Landesregierung diesen Verzicht? 4. Plant die Landesregierung in näherer Zukunft das „Hamburger Modell“ zur Altersbestimmung zu übernehmen oder gegebenenfalls ein ähnliches Modell zu entwickeln? 5. Sollte dies nicht der Fall sein, auf welche Weise soll eine möglichst zuverlässige Alterseinstufung unbegleiteter Flüchtlinge sichergestellt werden? Das Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 19. August 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: § 42 f Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) regelt das behördliche Verfahren zur Altersfeststellung. Klargestellt wird, dass das Jugendamt – sofern keine Ausweispapiere vorliegen – zur Feststellung der Minderjährigkeit eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführt. Das Jugendamt hat nur in Zweifelsfällen eine ärztliche Altersfeststellung zu veranlassen. Bei der qualifizierten Inaugenscheinnahme geht es darum, sich in der Regel unter Beteiligung mehrerer Fachkräfte einen Gesamteindruck von dem jungen Menschen zu verschaffen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter hat hierzu Empfehlungen erarbeitet. Das Landesjugendamt hat darauf aufbauend konkretisierende Prüfpunkte für die Praxis formuliert. Die Landesregierung unterstützt ausdrücklich dieses Vorgehen. Es gibt darüber hinaus keine wissenschaftliche Methode, um das aktuelle Lebensalter eines Menschen verlässlich festzustellen. Unter Bezug auf Artikel 1 Absatz 1 unseres Grundgesetzes lehnt die Landesregierung generell Praktiken zur Altersfeststellung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ab, die die Würde des Menschen verletzen könnten. Drucksache 17/755 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Der 110. Deutsche Ärztetag hatte bereits 2007 in Münster entschieden, dass die Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten an der Altersfeststellung mit dem Berufsrecht nicht vereinbar ist. Der Beschluss wurde auf dem 113. Deutschen Ärztetag 2010 in Dresden nochmals bekräftigt. Dort wird begründet, dass die Altersbestimmung per Röntgenaufnahme des Handskeletts so unsicher sei, dass sie als Methode sogar generell abzulehnen sei. Auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DKGJP) lehnt in ihrer Stellungnahme vom 2. November 2015 eine Altersdiagnostik bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen mittels radiologischer Verfahren und Genitaluntersuchung ab. Dort heißt es ausdrücklich: „Neben den ethischen Bedenken fehlt es auch an wissenschaftlicher Evidenz, dass diese Untersuchungen ausreichend valide sind. Dies entspricht im Übrigen einem Beschluss des 117. Ärztetages der Bundesärztekammer (http://www.bundesaerztekammer.de/arzt2014/ media/applications/EVII45.pdf).“ Dies vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die Jugendämter entscheiden über die Verfahren der Altersfeststellung auf der Grundlage § 42 f SGB VIII. Die Landesregierung geht davon aus, dass in der Regel die qualifizierte Inaugenscheinnahme Grundlage für die Altersfeststellung ist. Zu Frage 2: Der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. Zu den Fragen 3 bis 5: Die Jugendämter entscheiden über die Verfahren der Altersfeststellung auf der Grundlage § 42 f SGB VIII. Die Landesregierung hält die Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die konkretisierenden Eckpunkte des Landesjugendamtes Rheinland-Pfalz für ausreichend und angemessen. In Vertretung: Christiane Rohleder Staatssekretärin