Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 7. Oktober 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 17. Wahlperiode Drucksache 17/977 zu Drucksache 17/778 14. 09. 2016 A n t w o r t des Ministeriums des Innern und für Sport auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Brandl (CDU) – Drucksache 17/778 – Kennzeichenscharfe Verkehrsüberwachung Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/778 – vom 23. August 2016 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Videoüberwachung des fließenden Verkehrs an besonders gefährlichen Stellen? 2. Warum erfolgt die Videoüberwachung an gefährlichen Stellen nicht kennzeichenscharf, also ohne die Möglichkeit, Gefährdungen des Straßenverkehrs aufgrund der Videoüberwachung zu ahnden? 3. Auf welche Weise will die Landesregierung alternativ Gefährdungen im Straßenverkehr mit dem gleichen Erfolg ahnden? 4. Wieviel Mehrpersonal soll dafür ggf. mit welchen Kosten eingestellt werden? 5. Welche Entscheidungen bzw. Urteile liegen der Landesregierung zur kennzeichenscharfen Videoüberwachung des fließenden Verkehrs an gefährlichen Stellen vor? 6. Wie beurteilt die Landesregierung die kennzeichenscharfe optische Überwachung an Parkplätzen, an denen illegal massiv Müll entsorgt wird? Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 14. September 2016 wie folgt beantwortet: Die automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen darf nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden (BVerfG, 1 BvR 2074/05). Werden Kennzeichen von Kraftfahrzeugen mittels Bild- oder Videoaufnahmen identifizierbar aufgezeichnet , stellt dies einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar, der einer hinreichend bestimmten und verhältnismäßigen gesetzlichen Grundlage bedarf. Die obergerichtliche Rechtsprechung zieht überwiegend § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO in Verbindung mit § 46 OWiG als Befugnisnorm für die Anfertigung von Einzelaufnahmen oder Videoaufzeichnungen im Rahmen von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen heran. Die Anwendbarkeit setzt den Anfangsverdacht eines Verkehrsverstoßes voraus. Die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen, die eine Feststellung des amtlichen Kennzeichens nicht ermöglichen, stellt hingegen keinen Eingriff in das Grundrecht dar. Dies vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die Landesregierung beurteilt eine nach den Vorbemerkungen datenschutzkonforme Videoüberwachung des fließenden Verkehrs an besonders gefährlichen Stellen als bedeutsames Instrument einer wirksamen Verkehrsüberwachung. Zu Frage 2: Eine anlasslose kennzeichenscharfe Überwachung an gefährlichen Stellen durch den Landesbetrieb Mobilität wäre aus den oben angeführten Gründen rechtlich nicht zulässig. Im Rahmen der polizeilichen Verkehrsüberwachung hingegen werden gefährliche Stellen – soweit dies technisch möglich und rechtlich zulässig ist – kennzeichenscharf videoüberwacht. Zu den Fragen 3 und 4: Die Polizei konzentriert ihr Handeln im Bereich der Verkehrssicherheitsarbeit vorrangig auf das schwere Verkehrsunfallgeschehen auf Grundlage orts-, zeit- und zielgruppenbezogener Verkehrsunfallanalysen. Anhand der hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden die personellen und materiellen Ressourcen in erster Linie auf die besonders unfallbelasteten Streckenbereiche sowie auf die im Unfallgeschehen auffälligen Personengruppen konzentriert. Drucksache 17/977 Landtag Rheinland-Pfalz – 17.Wahlperiode Bei vor diesem Hintergrund durchzuführenden Verkehrsüberwachungsmaßnahmen wird auch „kennzeichenscharfe“ Videotechnik eingesetzt, beispielsweise in den mobilen Verkehrsüberwachungsanlagen „Proof Video Data System“ (ProViDa). Mit dieser allen Polizeipräsidien im Land zur Verfügung stehenden Technik lassen sich sowohl im Stand als auch in der Bewegung alle Arten von Verkehrsverstößen aufzeichnen. Zudem wird Videotechnik landesweit in Messanlagen verwendet, um die Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes zu dokumentieren. Zu Frage 5: Zur kennzeichenscharfen Videoüberwachung liegen der Landesregierung beispielhaft die nachfolgenden Entscheidungen bzw. Urteile vor: – Urteil des BVerfG vom 11. März 2008 (1 BvR 2074/05), – Beschluss des BVerfG vom 11. August 2009 (2 BvR 941/08), – Beschluss des BVerfG vom 5. Juli 2010 (2 BvR 759/10), – Beschluss des BVerfG vom 12. August 2010 (2 BvR 1447/10). Zu Frage 6: Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kann nach Auffassung der Landesregierung im Einzelfall eine kennzeichenscharfe optische Überwachung zu Zwecken der Gefahrenabwehr (§ 27 POG) oder der Beweisführung im Strafverfahren (§ 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO) zulässig sein. Roger Lewentz Staatsminister