LANDTAG DES SAARLANDES 14. Wahlperiode Drucksache 14/223 (14/141) 15.06.2010 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Lothar Schnitzler (DIE LINKE.) betr.: Situation jugoslawischer bzw. serbischer bzw. kosovarischer (Roma-) Flüchtlinge im Saarland Vorbemerkung des Fragestellers: „In der Bundesrepublik Deutschland leben zahlreiche Roma-Flüchtlinge, die im Zuge des Kosovobzw . des ehemaligen Jugoslawien-Konflikts in Deutschland Zuflucht gesucht haben. Nach Abschluss eines Übernahmeabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien hat die Bundesregierung im Herbst letzten Jahres angekündigt , in den kommenden Jahren etwa 14.000 Kosovaren aus Deutschland in den Kosovo bzw. das ehemalige Jugoslawien abzuschieben. Bei dem überwiegenden Teil – etwa 10.000 – handelt es sich um Roma-Flüchtlinge, die im Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien mit massiven Diskriminierungen zu rechnen haben. Der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, Thomas Hammarberg, hat im Dezember vergangenen Jahres darauf hingewiesen, dass von einer würdevollen und sicheren Aufnahme von Roma- Flüchtlingen im Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien nicht gesprochen werden könne und die Bundesregierung für ihr Vorgehen kritisiert. Minderheiten wie Roma, Opfer von Menschenhandel sowie Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus dem Kosovo, Serbien sowie dem ehemaligen Jugoslawien geflüchtet seien, müssten als Minderheiten im Kosovo bzw. im ehemaligen Jugoslawien mit Verfolgung rechnen. Insbesondere Roma sind im Kosovo bzw. im ehemaligen Jugoslawien von der Gesundheitsversorgung und vom Bildungssystem ausgeschlossen und leben in elenden Verhältnissen, meist in slumartigen Siedlungen, in denen ein würdevolles Leben nicht möglich ist.“ Ausgegeben: 15.06.2010 (14.04.2010) Drucksache 14/223 (14/141) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung der Landesregierung: Die Landesregierung weist zunächst darauf hin, dass im Ausländerzentralregister nur die Staatsangehörigkeit, nicht jedoch die ethnische Zugehörigkeit sowie die regionale Herkunft registriert wird. Die Bundesregierung erhebt in der Regel einmal jährlich bei den Ländern die Anzahl der ausreisepflichtigen Minderheitsangehörigen aus dem Kosovo. Lediglich für diesen Personenkreis liegen statistische Daten im Datenerfassungssystem der Zentralen Ausländerbehörde des Landesverwaltungsamtes vor. Auf Grund des Kontextes der Vorbemerkung des Fragestellers geht die Landesregierung davon aus, dass, wenn der Fragesteller von Personen aus dem „ehemaligen Jugoslawien“ spricht, die Fragestellung sich ausschließlich auf Personen bezieht, die aus der Provinz Kosovo des ehemaligen Jugoslawien stammen. Kosovarische Staatsangehörige werden zudem erst seit Mai 2008 im Ausländerzentralregister unter der eigenen Staatsangehörigkeit gespeichert. Man kann daher davon ausgehen, dass eine gewisse Zahl kosovarischer Staatsangehöriger, die insbesondere vor diesem Zeitpunkt eingereist sind, gegebenenfalls noch unter früheren Staatsangehörigkeiten (z. B. serbisch oder jugoslawisch) erfasst sind. Eine statistische Identifizierung dieser Personen ist nicht möglich. Wie viele Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien hat das Saarland seit der Aufhebung des Autonomiestatus der damaligen serbischen Provinz Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien im Jahre 1989 aufgenommen bzw. abgeschoben? a) Wie viele Personen wurden im Zeitraum zwischen 1989 und 1998 aus dem ehemaligen Jugoslawien aufgenommen bzw. abgeschoben ? b) Wie viele Personen wurden in den Jahren 1999 und 2000 aufgenommen bzw. abgeschoben? c) Wie viele Personen wurden seit dem Jahr 2000 aufgenommen bzw. abgeschoben? d) Wo und wie wurden/waren diese Personen im Saarland untergebracht? e) Von wie vielen aufgenommenen Personen ist der Aufenthalt im Verlaufe des Verfahrens ohne Information der Behörden verändert worden bzw. nicht mehr bekannt? Zu Frage 1: Zu Buchstabe a) – c): Der Status als Bürgerkriegsflüchtling ist sowohl im Ausländerzentralregister als auch in dem Datensystem des Landesverwaltungsamtes kein Erfassungskriterium. Eine statistische Identifizierung dieser Personen ist daher nicht möglich. Drucksache 14/223 (14/141) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - - 3 - Es ist aber davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge aus dem Kosovo nach erfolgter Einreise einen Asylantrag gestellt hat. Die Angaben zum Zugang an Asylerstantragsteller mit kosovarischer Staatsangehörigkeit und Anzahl der Abschiebungen von Personen aus dem Kosovo bitte ich der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Jahr Zugang an Asyl(erst)antragsteller 1 Abschiebungen 2 1993 k. A. 9 1994 k. A. 5 1995 k. A. 2 1996 k. A. 2 1997 k. A. 18 1998 k. A. 37 1999 k. A. 12 2000 k. A. 125 2001 k. A. 45 2002 204 39 2003 183 63 2004 203 37 2005 141 30 2006 147 48 2007 65 19 2008 15 21 2009 61 21 2010 5 6 Quelle: Landesverwaltungsamt – Stand Mai 2010 1. Über die Anzahl der Zugänge vor dem Jahre 2002 sind beim Landesverwaltungsamt keine Unterlagen mehr vorhanden. Die Zugangszahlen für die Jahre 2002 bis 2007 beziehen sich auf das ehemalige Jugoslawien (siehe Vorbemerkung der Landesregierung). 2. Die Anzahl der Abschiebungen wird erst seit dem Jahre 1993 nach den Herkunftsstaaten aufgeschlüsselt. Die Statistik über vollzogene Abschiebungen orientiert sich nur an der Nationalität bzw. Herkunftsregion des Abgeschobenen. Es wird nicht nach dem Zielort der Abschiebung unterschieden. Insoweit sind in der Zahl der Abschiebungen auch Personen aus dem Kosovo enthalten, die insbesondere in den letzten Jahren in andere EU-Staaten auf Grund des sog. Dubliner Übereinskommens überstellt worden sind. Die Anzahl der Abschiebungen von Personen aus dem Kosovo wird erst ab dem Jahre 2000 gesondert erfasst. Bei den Abschiebungen vor 2000 ist daher davon auszugehen, dass in den Angaben auch Personen enthalten sind, die nicht aus dem Kosovo stammen (siehe Vorbemerkung der Landesregierung). Drucksache 14/223 (14/141) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - - 4 - Zu Buchstabe d): Auf Grund eines Ministerratsbeschlusses aus dem Jahre 1994 erfolgt die Unterbringung von Asylbewerbern in den Gemeinschaftsunterkünften des Landes. In Ausnahmefällen werden Asylbewerber auf die Gemeinden verteilt. Zu Buchstabe e): Hierzu liegen keine statistische Angaben vor. Wie viele Flüchtlinge aus dem Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien leben derzeit im Saarland ? Wie und wo sind diese untergebracht? Zu Frage 2: Im Saarland leben derzeit 179 Personen mit kosovarischer Staatsangehörigkeit, die in Besitz einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung sind. Hinsichtlich der Unterbringung dieses Personenkreises verweise ich auf die Antwort zu Frage 1d). Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Wie viele Mitglieder der ethnischen Minderheit der Roma aus dem Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien leben derzeit im Saarland? Wie und wo sind diese untergebracht? Zu Frage 3: Statische Angaben liegen hier nicht vor. Insoweit wird auf die Vormerkung der Landesregierung verwiesen. Wie stellt sich die soziale Zusammensetzung (Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeiten) der hier lebenden Menschen aus dem Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien dar? Zu Frage 4: Die Angaben zum Alter und Geschlecht der im Saarland lebenden kosovarischen Staatsangehörigen bitte ich der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Hinsichtlich des Merkmals „ethnische Zugehörigkeit“ wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Geschlecht bis 16 17 – 18 19 – 25 26 – 35 36 – 45 46 – 55 56 – 65 älter als 65 männlich 220 38 118 177 132 95 34 14 weiblich 227 33 129 164 119 89 24 13 Quelle: Landesverwaltungsamt – Stand Mai 2010 Drucksache 14/223 (14/141) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - - 5 - Wie viele Personen aus dem Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien leben derzeit im Saarland , a) deren Aufenthalt geduldet wird, b) die im Besitz einer Aufenthaltsgestattung sind, c) die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, d) die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sind, e) wie viele von ihnen haben jeweils die kosovarische , serbische oder eine andere Staatsangehörigkeit , f) wie viele von ihnen sind (vollziehbar) ausreisepflichtig g) und wie lange leben diese Personengruppen jeweils im Durchschnitt bereits im Saarland? zu Frage 5: Die Angabe zu den Buchstaben a) bis e) bitte ich der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen . Anzahl der Personen mit Aufenthaltsstatus kosovarische Staatangehörigkeit serbischer Staatsangehörigkeit anderer Staatsangehörigkeit Duldung 160 108 49 Aufenthaltsgestattung 19 10 0 Aufenthaltserlaubnis 1.116 242 1.783 Niederlassungserlaubnis 318 202 2.315 Quelle: Landesverwaltungsamt – Stand Mai 2010 Zu Buchstabe f): Vollziehbar ausreisepflichtige Personen erhalten nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes eine Duldung. Insoweit wird auf die o.g. Tabelle verwiesen. Zu Buchstabe g): Die durchschnittlichen Aufenthaltszeiten von Personengruppen können im Ausländerzentralregister nicht ermittelt werden. Wurden, bedingt durch die oben erwähnte Abschiebe -Ankündigung der Bundesregierung, seit dem Herbst letzten Jahres Personen jugoslawischer bzw. serbischer bzw. kosovarischer Staatsangehörigkeit aus dem Saarland in den Kosovo bzw. das ehemalige Jugoslawien abgeschoben ? Wenn ja, wie viele? Drucksache 14/223 (14/141) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - - 6 - Wurden, bedingt durch das oben erwähnte Übernahmeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien, Personen jugoslawischer bzw. serbischer bzw. kosovarischer Staatsangehörigkeit von der ethnischen Minderheit der Roma aus dem Saarland in den Kosovo bzw. das ehemalige Jugoslawien abgeschoben? Wenn ja, wie viele? Zu den Fragen 6 und 7: Das Rückübernahmeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kosovo ist am 14.04.2010 von Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière und seinem kosovarischen Amtskollegen Bajram Rexhepi unterzeichnet worden. Das Abkommen ist noch nicht in Kraft getreten. Das Abkommen enthält keine spezifischen Regelungen für Minderheitenangehörige. Im Rahmen der Verhandlungen über das Abkommen hat sich die kosovarische Seite damit einverstanden erklärt, Rückübernahmeersuchen für alle Personen, d.h. auch Angehörige der Minderheitengruppe der Roma, bereits vor Inkrafttreten des Rückübernahmeabkommens zu prüfen. Im Gegenzug hat die deutsche Seite zugesagt, dass bei der Stellung der Rückübernahmeersuchen auf ein angemessenes Verhältnis der verschiedenen ethnischen Zugehörigkeiten geachtet wird. Hierdurch wird gewährleistet , dass sich die von den deutschen Behörden gestellten Rückübernahmeersuchen nicht ausschließlich auf Angehörige einer Ethnie, z. B. auf die Roma, konzentrieren. Seit Oktober 2009 wurden sechs Personen aus dem Saarland in das Kosovo abgeschoben , davon gehörten zwei Personen der Volksgruppe der Roma an. Welche Planungen hat die Landesregierung, bedingt durch das oben erwähnte Übernahmeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien, Flüchtlinge aus dem Saarland in den Kosovo bzw. das ehemalige Jugoslawien abzuschieben ? Sind entsprechende Abschiebungen geplant und wenn ja, in welchem Umfang? Zu Frage 8: Spezielle Planungen im Hinblick auf die Unterzeichnung des Rückübernahmeabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kosovo bestehen nicht. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 6 und 7 verwiesen. Drucksache 14/223 (14/141) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - - 7 - Wie beurteilt die Landesregierung die aktuelle humanitäre Situation im Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien, insbesondere im Hinblick auf die ethnische Minderheit der Roma? Zu Frage 9: Die Bewertung der Verhältnisse im Rückkehrland liegt nach der gesetzlichen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern in der alleinigen Zuständigkeit des Bundes. Das Landesverwaltungsamt ist an die Entscheidungen und Einschätzungen des mit besonderer Sachkunde ausgestatteten Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gebunden (vgl. §§ 4, 24 Abs. 2, 42 AsylVfG und 72 Abs. 2 AufenthG). Hinsichtlich der Haltung der Bundesregierung wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE (Bundestagsdrucksachen 16/14129 und Bundestagsdrucksachen 17/423) verwiesen. Wie beurteilt die Landesregierung das oben erwähnte Übernahmeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kosovo bzw. dem ehemaligen Jugoslawien unter humanitären Gesichtspunkten? Hält es die Landesregierung unter humanitären Gesichtspunkten derzeit für vertretbar, (Roma-)Flüchtlinge in den Kosovo bzw. das ehemalige Jugoslawien abzuschieben? Zu Frage 10: Das Rückübernahmeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kosovo entspricht den modernen europäischen Standards, wie sie auch in den von der Europäischen Union mit Drittstaaten geschlossenen Abkommen dieser Art festgelegt werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. Teilt die Landesregierung die Ansicht, dass hier geborenen bzw. aufgewachsenen Kindern jugoslawischer bzw. serbischer bzw. kosovarischer Staatsangehörigkeit im Rahmen des humanitären Aufenthaltsrechts ein Aufenthaltstitel verliehen werden kann/soll/muss? Wenn nein, warum nicht? Zu Frage 11: Die Landesregierung ist der Auffassung, dass mit den in den letzten Jahren getroffenen Altfallregelungen eine humanitäre Lösung der Aufenthaltsproblematik für langjährig geduldete Personen gefunden wurde, mit der die Perspektive eines dauerhaften Aufenthalts in Deutschland eröffnet worden ist. Hiervon können auch Roma aus dem Kosovo profitieren, wenn sie die darin benannten Voraussetzungen erfüllen. Im Übrigen können hier geborene bzw. aufgewachsene Kinder jugoslawischer bzw. serbischer bzw. kosovarischer Staatsangehörigkeit je nach den Umständen des Einzelfalls einen Aufenthaltstitel erhalten. betr.: Situation jugoslawischer bzw. serbischer bzw. kosovarischer (Roma-) Flücht linge im Saarland