LANDTAG DES SAARLANDES 14. Wahlperiode Drucksache 14/549 (14/518) 23.08.2011 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Isolde Ries (SPD) und Dr. Magnus Jung (SPD) betr.: Girokonto für jeden Vorbemerkung der Fragesteller: „Vor dem Hintergrund, dass viele Menschen, die von den Kreditinstituten als nicht kreditwürdig eingeschätzt werden, kein Girokonto erhalten, hatten sich 1995 die im Zentralen Kreditausschuss (ZKA) zusammengeschlossenen Verbände einer freiwilligen Selbstverpflichtung unterworfen. Bis heute gibt es aber kein verbrieftes Recht auf ein Girokonto für jeden. Auch nach 16 Jahren Selbstverpflichtung der Kreditinstitute lassen die Beschwerden nicht nach und es werden Bürgerinnen und Bürger vom Wirtschaftsleben weitgehend ausgeschlossen, da sie kein Girokonto haben. Die Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft muss somit als gescheitert angesehen werden.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Das Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft ist zuständige Aufsichtsbehörde für die saarländischen Sparkassen und die saarländische Landesbank. Nach den der Landesregierung vorliegenden Erkenntnissen sowie dem Tätigkeitsbericht des für die saarländischen Sparkassen zuständigen Schlichters beim Sparkassenverband Saar ist die Selbstverpflichtung wirksam und ausreichend, so dass die pauschale Aussage der Fragesteller, dass die Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft generell als gescheitert angesehen werden muss, von der Landesregierung insoweit nicht geteilt wird. Ausgegeben: 23.08.2011 (09.06.2011) Drucksache 14/549 (14/518) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - Für die Kreditinstitute der übrigen Bankengruppen liegen der Landesregierung keine zuverlässigen Zahlen über die in diesem Zusammenhang abgelehnten Kontoeröffnungsanträge und gekündigten Girokonten vor. Die Bundesregierung wird Ende des Jahres dem Bundestag den turnusmäßigen Bericht zur Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann vorlegen, der hierzu konkrete Angaben enthalten wird. Dann wird von den zuständigen staatlichen Stellen auch die Frage beantwortet werden müssen, ob sich die freiwillige Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft - insgesamt betrachtet - bewährt hat oder ob sie verbessert werden muss. Ist der Landesregierung bekannt, dass trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung der Banken und Sparkassen nicht allen saarländischen Bürgerinnen und Bürgern auf Wunsch ein Girokonto zur Verfügung gestellt wird bzw. bereits eingerichtete Girokonten bei Arbeitslosigkeit oder Verschuldung gekündigt werden? Wenn ja, wie bewertet die Landesregierung dieses Problem und was gedenkt sie dagegen zu unternehmen? Zu Frage 1: An das Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft als Sparkassenaufsichtsbehörde sind in den letzten Jahren keine Beschwerden von Verbraucherinnen oder Verbrauchern wegen Ablehnung eines Antrags auf Eröffnung eines Girokontos für jedermann oder wegen Kündigung eines solchen Kontos herangetragen worden. Nach dem Tätigkeitsbericht des Schlichters beim Sparkassenverband Saar gingen im Jahr 2010 bei der Kundenbeschwerdestelle des Verbandes drei Beschwerden über saarländische Sparkassen betreffend ein Girokonto für jedermann ein. Davon wurde eine nicht weiterverfolgt bzw. zurückgezogen. In einem Verfahren wurde das entsprechende Konto eröffnet, in einem weiteren Verfahren war die Kontoeröffnung nicht zumutbar. In diesem Jahr liegt nach Mitteilung der Schlichtungsstelle beim Sparkassenverband Saar noch keine Beschwerde wegen eines Girokontos für jedermann vor; sei es, dass die Kontoeröffnung abgelehnt wurde oder dass ein solches Konto gekündigt wurde. Nach Auskunft der Verbraucherzentrale des Saarlandes fallen hingegen die Genossenschaftsbanken mit zahlreichen Ablehnungen auf, wobei nicht differenziert wird in aus Sicht des Antragstellers bzw. Kunden ungerechtfertigte Ablehnungsfälle und in Fälle, in denen eine Kontoführung nach den Empfehlungen des ZKA zum Girokonto für jedermann für die Bank als unzumutbar einzustufen ist. Generell hat der Antragsteller im Falle der Ablehnung seines Antrags die Möglichkeit, die Entscheidung bei dem jeweils zuständigen Bankenverband im Wege des Ombudsmannverfahrens – kostenfrei – überprüfen zu lassen. Die Schlichtung stellt nach den in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen ein effektives und bewährtes Verfahren dar, bei Ablehnung der Eröffnung oder Kündigung eines Girokontos für jedermann durch ein Kreditinstitut Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Antragsteller bzw. Kunden einerseits und dem Institut andererseits beizulegen. - 2 - Drucksache 14/549 (14/518) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - In Bezug auf die Vermeidung der Kündigung bereits eingerichteter Girokonten wegen Arbeitslosigkeit oder Überschuldung sei in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen , dass durch das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7. Juli 2009 (BGBl. I S. 1707) seit dem 1. Juli 2010 die Möglichkeit besteht, auf Antrag ein Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) umwandeln zu lassen, das einen automatischen Schutz, der bereits vor einer konkreten Pfändung im System der kontoführenden Bank hinterlegt ist, gewährleistet. Saarlandspezifische Erkenntnisse über die Annahme des P-Kontos durch die Verbraucherinnen und Verbraucher liegen der Landesregierung gut ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes jedoch noch nicht vor. Die Landesregierung ist sich der sozialen Bedeutung des Girokontos, das eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme der Menschen am Wirtschaftsleben darstellt, bewusst . Vor diesem Hintergrund setzt sie sich für eine Beibehaltung sowie Optimierung der Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft zum Girokonto für jedermann ein mit dem Ziel, die z.Z. unverbindliche ZKA-Empfehlung zu einer rechtlich verbindlichen Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft weiter zu entwickeln. Dazu bedarf es konkreter Maßnahmen der Kreditwirtschaft, wie z.B. die Aufnahme möglicher Sanktionen für den Fall, dass sich in einem Verband ein Mitgliedsinstitut an die in der Selbstverpflichtung festgelegten Regeln für die Einrichtung eines Girokontos für jedermann nicht hält. Liegen der Landesregierung Anhaltspunkte vor, wie viele Menschen ein Girokonto haben wollen, aber keines erhalten können? Wenn ja, wie sehen diese aus? Zu Frage 2: Nein. Zuverlässige Zahlen über die Anzahl derjenigen Personen, die ein Girokonto haben wollen, aber keines erhalten können, liegen der Landesregierung nicht vor. a) Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über die Zahl der Transferleistungsempfänger vor, die kein Konto besitzen? Wenn ja, welche ? b) Wie wird sichergestellt, dass diese Menschen ihr Geld erhalten? Müssen diese Menschen für Auszahlungen Gebühren zahlen? Zu Frage 3 a): Im Bereich des Arbeitslosengeldes II und des Kurzarbeitergeldes sowie des Transfer- Kurzarbeitergeldes liegen keine entsprechenden Daten vor. Für den Bereich des Arbeitslosengeldes I besitzen laut Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit im Saarland knapp über 1 % der Leistungsempfänger kein Konto bei einer Bank oder haben keines bei der Beantragung ihrer Leistungen angegeben. - 3 - Drucksache 14/549 (14/518) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - Zu Frage 3 b): Laut Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit verweisen die Agenturen für Arbeit Leistungsberechtigte auf die Selbstverpflichtung der Kreditinstitute . Sollte dennoch die Führung eines Kontos verweigert werden, hat der Leistungsberechtigte die Möglichkeit, die Entscheidung von der Kundenbeschwerdestelle des jeweiligen Kreditinstituts unter Einschaltung der Agentur für Arbeit überprüfen zu lassen oder aber eine Kontoeröffnung bei einem anderen Geldinstitut zu beantragen. Die Leistungsberechtigten, die keine Bankverbindung für die Überweisung ihrer Geldleistung angeben können, erhalten ihre Leistungen mittels einer „Zahlungsanweisung zur Verrechnung“, die als Brief an ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort zugestellt wird. Innerhalb eines Monats kann dann mit Einreichen der „Zahlungsanweisung zur Verrechnung“ der entsprechende Betrag bei einem Geldinstitut oder am Postschalter unter Abzug der Auszahlungsgebühr in Empfang genommen werden. Nach § 337 Abs. 1 S. 2 SGB III sind Geldleistungen, die an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten übermittelt werden, unter Abzug der dadurch veranlassten Kosten auszuzahlen. Es entstehen folgende Kosten je Auszahlung (Stand: Januar 2011): Grundentgelt 2,10 Euro Zusätzlich für jede Barauszahlung in einer Postfiliale bis 50 Euro 3,50 Euro über 50 bis 250 Euro 4,00 Euro über 250 bis 500 Euro 5,00 Euro über 500 bis 1.000 Euro 6,00 Euro über 1.000 bis 1.500 Euro 7,50 Euro Dies gilt jedoch nicht, wenn der Leistungsberechtigte nachweist, dass ihm die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne eigenes Verschulden nicht ermöglicht wurde (§ 337 Abs. 1 S. 3 SGB III). Wird also dem Bankkunden nach einer Überprüfung durch die jeweilige Kundenbeschwerdestelle ohne eigenes Verschulden von einem Geldinstitut kein Konto eingerichtet und kann er dies mittels einer entsprechenden Bescheinigung des Geldinstituts gegenüber der Agentur für Arbeit nachweisen, werden ihm die Leistungen durch eine Zahlungsanweisung zur Verrechnung kostenfrei übermittelt, d.h. in diesen Fällen übernimmt die Bundesagentur für Arbeit die Kosten. Im Bereich des ALG II existiert ebenfalls eine solche Vorschrift. Gemäß § 42 SGB II werden Geldleistungen nach dem SGB II grundsätzlich auf ein inländisches Konto bei einem Geldinstitut überwiesen. Werden diese an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort der Leistungsberechtigten übermittelt (Zahlungsanweisung zur Verrechnung mit Kostenabzug gem. § 337 SGB III), sind die dadurch veranlassten Kosten abzuziehen . Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte nachweisen, dass ihnen die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne eigenes Verschulden nicht ermöglicht wurde (Zahlungsanweisungen zur Verrechnung). - 4 - Drucksache 14/549 (14/518) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, ein Girokonto auf Guthabenbasis für jeden sicher zu stellen, um die wirtschaftliche und soziale Ausgrenzung derjenigen zu verhindern, die von einem Ausschluss vom bargeldlosen Zahlungsverkehr betroffen sind? Zu Frage 4: Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Wie steht die Landesregierung zu gesetzlichen Möglichkeiten des Landes oder auf Bundesebene, Banken und Sparkassen dazu zu verpflichten, allen Bürgerinnen und Bürgern zumindest ein Guthabenkonto zu ermöglichen? Zu Frage 5: Die Landesregierung hält eine gesetzliche Regulierung auf Landesebene zur Lösung des Problems nicht für zielführend, da eine solche Regelung nur die Kreditinstitute einseitig belasten würde, die der Regelungskompetenz der Länder unterliegen, nämlich die Sparkassen des Landes. Im Übrigen kommen gerade die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute ihrer besonderen Verantwortung auf diesem Gebiet nach. Wie in der Antwort zu Frage 1 bereits dargelegt, kann die Weiterentwicklung der Selbstverpflichtung auf einem einfacheren Verfahrensweg zu ähnlich positiven Regelungseffekten führen wie bei gesetzlichen Maßnahmen. Sollte sich jedoch nach Vorlage des Berichts der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann Ende dieses Jahres herausstellen, dass hierzu auf Seiten der Banken keine Bereitschaft besteht und Schlichtungssprüche ihrer jeweiligen Schlichtungsstellen nicht als bindend angesehen werden, dürfte sich die Einführung eines gesetzlich verankerten Anspruchs auf ein Girokonto auf Guthabenbasis als unumgänglich erweisen. - 5 - betr.: Girokonto für jeden