LANDTAG DES SAARLANDES 14. Wahlperiode Drucksache 14/737 (14/710) 30.03.2012 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Baumfällungen mit Graureiherhorsten im EU-Vogelschutzgebiet Saarschleife Vorbemerkung des Fragestellers: „In der Saarbrücker Zeitung vom 27.02.2012, Ausgabe Merzig-Wadern, kritisiert der Naturschutzbund Deutschland, Landesverband Saarland (NABU), eine nach seiner Meinung flächige „illegale Horstbaumfällung“ im EU-Vogelschutzgebiet Saarschleife (gleichzeitig Schutzstatus nach FFH-Richtlinie). Durch die von der Gemeinde Mettlach veranlasste Baumfällung wurde nach Mitteilung des NABU die größte Brutkolonie mit bis zu 40 Nestern „vernichtet “. Zudem verweist der NABU auf einen landesrechtlichen Verstoß gemäß § 44 Saarländisches Naturschutzgesetz. In der Saarbrücker Zeitung vom 28.02.2012, Ausgabe Merzig-Wadern, rechtfertigt der Bürgermeister der Gemeinde Mettlach den Kahlschlag und begründet diesen mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht, und im Gegensatz zur Feststellung des NABU seien nur zwei Nester durch die Baumfällungen zerstört worden.“ Ausgegeben: 30.03.2012 (06.03.2012) Drucksache 14/737 (14/710) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung Landesregierung: Im Januar 2012 wurden im Gemeindewald Mettlach, Gemarkung Nohn, Flur 1, auf Teilflächen der Flurstücke 4/4, 4/21 und 7643/8 von ca. 2.200 m² Größe durch die Gemeinde Mettlach Bäume (Fichten und Kiefern) gefällt, auf denen nachweislich seit 10 Jahren Graureiher ihre Horste errichten und diese von Mitte Februar bis Ende Juli zur Brut benutzen (Feststellung des LUA - Zentrum für Biodokumentation - vom 15.02.2012). Laut Ornithologischem Beobachterring Saar umfasste die Kolonie 2011 mindestens 29 besetzte Nester. Die Kolonie zählt zu den wenigen großen Graureiherkolonien des Saarlandes. Die Fläche liegt im Naturschutzgebiet Steinbachtal westlich Saarschleife, im Landschaftsschutzgebiet „Saarschleife und Leukbachtal“ sowie im FFH- und Vogelschutzgebiet Steilhänge der Saar (NATURA 2000-Gebiet). Die Maßnahme wird durch die Gemeinde Mettlach mit der Verkehrssicherungspflicht begründet, da die gefällten Bäume nachweislich Borkenkäferbefall aufwiesen. Aus der Aktenlage ergibt sich allerdings nicht, dass bereits eine unmittelbare Gefahrenlage gegeben war, die ein Fällen ohne behördliche Zulassung zwingend erfordert hätte. Es ist jedoch anzumerken, dass die jüngste Rechtsprechung (Urteil „Dillinger Hüttenwald“), die sehr hohen Sorgfaltsanforderungen an die Verkehrssicherungspflicht verdeutlicht, was ein hohes Haftungsrisiko für die vor Ort Verantwortlichen impliziert. Am 24.02.2012 fand eine Ortseinsicht der obersten Forstbehörde (Ref. D/5) statt (Herr Dr. Lehnhausen, Herr Krömer, Herr Lappel) mit dem Ergebnis, dass „forstrechtlich kein Verstoß gegen geltendes Recht im Sinne des Landeswaldgesetzes vorliegt.“ Naturschutzrechtlich greifen die §§ 34 („Verträglichkeit und Unzulässigkeit von Projekten“ in NATURA 2000-Gebieten) und 44 (1) Nr. 3 (Verbot der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten) des Bundesnaturschutzgesetzes. Der Graureiher ist eine bundesgesetzlich besonders geschützte Art. Zudem fällt er unter Artikel 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie. Beide v. g. Regelungen sind auf die Bewahrung der ökologischen Funktionsfähigkeit ausgerichtet. Dies schließt den Schutz selbst dann ein, wenn sich die Tiere nicht an oder in der Fortpflanzungsstätte aufhalten, aber davon auszugehen ist, dass sie diese wieder aufsuchen oder regelmäßig nutzen werden. Im vorliegenden Fall handelt es sich somit eindeutig um eine Fortpflanzungsstätte gemäß § 44 (1) Nr. 3 des Bundesnaturschutzgesetzes. Artikel 5 Buchstabe b) der EU-Vogelschutzrichtlinie enthält den Begriff „Nester“. Lt. Bundestagsdrucksache 16/5100 vom 25.04.2007 werden Nester unter Ruhestätten mit umfasst. Somit handelt es sich auch um eine Ruhestätte im Sinne des § 44 (1) Nr. 3 des Bundesnaturschutzgesetzes. Drucksache 14/737 (14/710) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - - 3 - Eine Ausnahme der Naturschutzbehörde gemäß § 45 (7) des Bundesnaturschutzgesetzes von dem o. a. Verbot des § 44 (1) Nr. 3 war nicht beantragt worden. Die Maßgaben des § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes sind durch den Verursacher/die Verursacherin ebenfalls nicht beachtet worden. Die Maßnahme war somit zumindest formell illegal. Das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (FB 1.2) prüft derzeit die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens. Zudem prüft das LKA, ob ein Straftatbestand gemäß § 329 (4) StGB gegeben ist. Das Zentrum für Biodokumentation geht nach einer ersten Einschätzung davon aus, dass die Brutsaison der Graureiher an der Saarschleife 2012 ausfällt und mit einem Abwandern der Graureiher aus dem Gebiet zu rechnen ist. Der „Totalverlust“ der Graureiherkolonie an der Saarschleife stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der lokalen Population dar und „führt zu dem Ergebnis, die Art Graureiher in der Roten Liste der bedrohten Vogelarten des Saarlandes wieder neu aufzunehmen“. Die Verortung der betroffenen Fläche ist aus den beigefügten topographischen Karten und Luftbildern ersichtlich. Trifft die Feststellung des NABU zu, dass es sich um eine illegale, d. h. durch die zuständige Naturschutzbehörde nicht genehmigte Maßnahme handelt? Zu Frage 1: Es trifft zu, dass die Maßnahme ohne die erforderliche Zulassung einer Ausnahme gem. § 45 (7) des Bundesnaturschutzgesetzes und ohne Beachtung der Maßgaben des § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes („Verträglichkeit und Unzulässigkeit von Projekten“ in NATURA 2000-Gebieten) durchgeführt worden ist. Trifft es zu, dass sich an dieser Stelle ein für das Saarland bedeutender Graureiherbrutplatz befand? Zu Frage 2: Es trifft zu, dass der Gemeindewald Mettlach (Gemarkung Nohn, Flur 1, auf Teilflächen der Flurstücke 4/4, 4/21 und 7643/8) als ein für das Saarland bedeutender Graureiherbrutplatz anzusehen ist, beziehungsweise anzusehen war, falls die Graureiher im Umfeld keine Ersatzhorste anlegen werden. Drucksache 14/737 (14/710) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - - 4 - War der Kahlschlag in der Ausdehnung erforderlich, um eine Gefährdung von Wanderern auszuschließen, oder hätte es genügt, im unmittelbaren Bereich des Weges der Verkehrssicherungspflicht Genüge zu tun? Zu Frage 3: Nach Durchführung der Maßnahme ist nicht mehr mit hinreichender Aussageschärfe feststellbar, ob das Fällen der Bäume, das forstrechtlich keinen Kahlschlag darstellt, in der erfolgten Ausdehnung (ca. 2.200 m²) erforderlich war, um eine Gefährdung von Wanderern auszuschließen, oder ob es genügt hätte, im unmittelbaren Bereich des Weges Verkehrssicherungsmaßnahmen durchzuführen. Diese Prüfung wäre Gegenstand des erforderlichen behördlichen Zulassungsverfahrens vor Durchführung der Maßnahme gewesen. Die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen wären durch den Verursacher/die Verursacherin vorzulegen gewesen. Was beabsichtigt die Landesregierung zu tun, um den Schutz z. B. von Horstbäumen zu verbessern, und was veranlasst die Landesregierung für den Fall, dass es sich um eine nicht genehmigte Zerstörung eines Brutplatzes in einem besonderen EU-Schutzgebiet handelt? Zu Frage 4: Das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz prüft derzeit die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens. Zudem hat das Landeskriminalamt Ermittlungen aufgenommen. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Artenschutz werden grundsätzlich als ausreichend angesehen. Im Hinblick auf landesgesetzliche Regelungsmöglichkeiten wird darauf hingewiesen, dass nach der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes die für den vorliegenden Fall maßgeblichen artenschutzrechtlichen Regelungen abweichungsfest und Abweichungen in Landesnaturschutzgesetzen somit nicht zulässig sind. Im vorliegenden Fall waren nicht fehlende oder suboptimale gesetzliche Regelungen der Grund für die erhebliche Beeinträchtigung der Fortpflanzungsstätte der Graureiher, sondern ein naturschutzrechtliches Fehlverhalten trotz Kenntnis über den Brutplatz der Graureiher. Im Staatsforst ist es Standard, dass gemäß Waldbaurichtlinie Horstbäume als solche betrachtet, behandelt und gekennzeichnet werden. Drucksache 14/737 (14/710) Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - - 5 - Wurde die zuständige EU-Kommission über den Vorgang unterrichtet, wenn ja: in welcher Form; wenn nein: warum nicht? Zu Frage 5: Eine Informationspflicht gegenüber der EU-Kommission besteht lediglich auf Grund des § 34 (4), (5) und (7) des Bundesnaturschutzgesetzes in Fällen, in denen die Projekte vor ihrer Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines NATURA 2000-Gebietes überprüft werden.