LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/81 (15/18) 22.08.2012 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Dr. Simone Peter (B90/Grüne) betr.: Berufshaftpflichtversicherung in nichtärztlichen Gesundheitsberufen Vorbemerkung der Fragestellerin: „Steigende Haftpflichtprämien stellen gerade im Bereich der Geburtshilfe für GeburtshelferInnen und GynäkologInnen ein wachsendes Problem dar. Laut Angaben von Hebammenverbänden verschärfte sich die Situation in den letzten Jahren bundesweit erheblich, da steigende Berufshaftpflichtprämien auf der einen Seite stockenden Honorarverhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen auf der anderen Seite gegenüberstehen . Im Saarland existiert beispielsweise im Bereich der Krankenpflegeberufe eine Berufsordnung für Pflegekräfte, die die Verpflichtung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung im Falle einer selbständigen bzw. freiberuflichen Tätigkeit einschließt.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die Gesundheitsversorgung in Deutschland erfolgt auf einem anerkannt hohen Niveau. Dabei gilt es zu betonen, dass dies an erster Stelle dem hohen Engagement und der ausgezeichneten Qualifikation der im Gesundheitswesen Beschäftigten zu verdanken ist. Für den Bereich der Geburtshilfe sind die Haftpflichtprämien in jüngster Zeit stark gestiegen. Dies liegt zum einen an dem in diesem Berufsstand vergleichsweise kleinen Versichertenkollektiv, zum anderen daran, dass gerade Behandlungsfehler bei Neugeborenen oft hohe Folgebehandlungskosten nach sich ziehen. Von steigenden Haftpflichtprämien in einzelnen Bereichen der Gesundheitsversorgung kann allerdings nicht auf einen Qualitätsverlust bei der medizinischen Versorgung geschlossen werden. Ausgegeben: 24.08.2012 (16.05.2012) Drucksache 15/81 (15/18) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Haftpflichtversicherungen decken das Risiko des Versicherungsnehmers ab, aus einer zivilrechtlich begründeten außervertraglichen Haftung für Schadensfälle in Anspruch genommen zu werden. Ihrem Wesen nach dienen sie daher zunächst dem Schutz des Versicherungsnehmers vor finanzieller Überforderung im Haftungsfall. Die vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien hängen in erster Linie vom Risikopotential der versicherten Tätigkeit und von der Höhe des schlimmstenfalls zu erwartenden Schadens ab. Insbesondere bei solchen beruflichen Tätigkeiten, die aufgrund ihres Gefährdungspotentials geeignet sind, Dritten erheblichen Schaden zuzufügen, kann der Haftpflichtversicherung darüber hinaus die Funktion einer Absicherung des Interesses des Geschädigten an einem Vermögensausgleich für erlittene Schäden erfüllen. Entscheidet sich der Gesetzgeber durch die Einführung einer Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung in die von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit regulierend einzugreifen, so kommt ihm zur Erreichung des vom Gemeinwohl gedeckten Zweckes ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns ist zu beachten. Gerade in Berufen, in denen selbständig und eigenverantwortlich medizinische Dienstleistungen erbracht werden, ist das persönliche Risiko im Einzelfall für einen durch einen schuldhaft verursachten Behandlungsfehler entstandenen Schaden auf Ersatz desselben in Anspruch genommen zu werden, evident. Durch verbesserte Behandlungs- und Therapiemethoden und die damit einhergehende erhöhte Lebenserwartung von Geschädigten steigen die zu zahlenden Summen für die Kompensation von Behandlungskosten und (fiktiv berechneten) Verdienstausfällen immer weiter an. Die neuere Rechtsprechung spricht darüber hinaus höhere Schmerzensgelder zu, als dies noch vor Jahren der Fall war. Da somit die Gefahr der finanziellen Überforderung des Behandlers zugenommen hat, ist auch das Bedürfnis nach einer ausreichenden Haftpflichtversicherung im Interesse der Patientinnen und Patienten gestiegen. Dementsprechend bestehen für sämtliche Berufe, die medizinische Dienstleistungen selbständig erbringen, Regelungen, die eine Verpflichtung zum Abschluss von Berufshaftpflichtversicherungen vorsehen. Auch bei abhängig Beschäftigten kann der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung unter Umständen im eigenen Interesse geboten sein. Allerdings haftet im Außenverhältnis zum Patienten in erster Linie der Arbeitgeber (sowie evtl. dessen Betriebshaftpflichtversicherung) und nicht der als Erfüllungsgehilfe des Behandlungsvertrages tätig gewordene Angestellte. Den Patientinnen und Patienten entsteht daher durch das Fehlen einer eigenen Berufshaftpflichtversicherung des Arbeitnehmers grundsätzlich kein Nachteil. Drucksache 15/81 (15/18) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Für Ärztinnen/Ärzte, Zahnärztinnen/-ärzte, Psychotherapeutinnen/-therapeuten und Apotheker/innen sind im Saarland auf der Grundlage von § 17 Abs. 2 Nr. 17 des Heilberufekammergesetzes in den Berufsordnungen Verpflichtungen zum Abschluss einer ausreichenden Haftpflichtversicherung geregelt worden. Für Heilmittelerbringer /innen, die selbständig medizinische Dienstleistungen erbringen (z. B. Physiotherapeutinnen /-therapeuten, Ergotherapeutinnen/-therapeuten, Logopädinnen/Logopäden , Podologinnen/Podologen) besteht nach den Rahmenempfehlungen des GKV Spitzenverbandes gemäß § 125 Abs. 1 SGB V die Verpflichtung, bei Vertragsschlüssen über die Versorgung mit Heilmitteln gem. § 125 Abs. 2 SGB V eine ausreichende Haftpflichtversicherung als Zulassungsvoraussetzung nachzuweisen. Für Gesundheitsund Krankenpfleger/innen und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/innen sowie Altenpfleger/innen, die vornehmlich als abhängig Beschäftigte tätig werden, wurde in § 7 der Berufsordnung für Pflegefachkräfte im Saarland die Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflicht bei einer selbständigen Tätigkeit als Pflegefachkraft normiert. Für freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger erhebt bereits § 6 des Vertrages nach § 134a SGB V den Abschluss und Nachweis einer ausreichenden Haftpflichtversicherung zur Voraussetzung für die Abrechnung mit den Krankenkassen. Angesichts des Risikos extrem hoher (Folge-)Schäden bei Behandlungsfehlern in der Geburtshilfe wurde die Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen und Entbindungspfleger auch in § 8 Abs. 4 Nr. 5 der Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger im Saarland verankert. Die aufgrund der oben skizzierten Entwicklung der Schadenssummen enorm gestiegenen Haftpflichtprämien stellen in der Tat eine hohe Belastung für die in der Geburtshilfe tätigen Hebammen und Entbindungspfleger dar. Der Bundesgesetzgeber hat indes zum 1. Januar 2012 in § 134a SGB V die Möglichkeit geschaffen, dass die Prämien für die Berufshaftpflichtversicherung in den Vergütungsverhandlungen zwischen Hebammenverbänden und GKV-Spitzenverband angemessen berücksichtigt werden. Derzeit finden Verhandlungen der Vertragspartner gem. § 134a SGB V statt (vgl. Antwort zu Frage 3). Sollten diese scheitern, so hat jede Seite die Möglichkeit, die Schiedsstelle nach § 134a Abs. 4 SGB V anzurufen. Für welche nichtärztlichen Gesundheitsberufe bestehen im Saarland Verpflichtungen zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung? Zu Frage 1 a): Die unter die Regelungskompetenz des Bundes fallenden nichtärztlichen Gesundheitsberufe beinhalten in den jeweiligen berufsrechtlichen Bestimmungen keine Ausführungen zum verpflichtenden Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Die Bundesländer können daher entsprechende Regelungen auf Landesebene vorsehen. Das Saarland hat in Anwendung des § 9 Absatz 2 des Gesetzes über die Weiterbildung in den Gesundheits- und Altenpflegefachberufen und die Ausübung des Berufs der Hebamme und des Entbindungspflegers (WuHG) vom 25. November 1998 (Amtsbl. 1999 S. 142), zuletzt geändert am 15. September 2010 (Amtsbl. I S. 1384), mit der Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger vom 7. November 2000 (Amtsbl. S. 2136), zuletzt geändert am 8. März 2005 (Amtsbl. S. 438), hiervon Gebrauch gemacht. So verpflichtet § 8 Absatz 4 Nr. 5 dieser Berufsordnung die freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungspfleger, sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche aus beruflicher Tätigkeit zu versichern. Drucksache 15/81 (15/18) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Ferner wurde für die Pflegefachkräfte (Altenpfleger/innen, Gesundheits- und Krankenpfleger /innen und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/innen) im Saarland auf der Grundlage des § 16 Absatz 4 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst (Gesundheitsdienstgesetz – ÖGDG) vom 19. Mai 1999 (Amtsbl. S. 844), zuletzt geändert durch das Gesetz Nr. 1728 vom 18. November 2010 (Amtsbl. I S. 1420), eine Berufsordnung erlassen. Die Berufsordnung vom 28. November 2007 (Amtsbl. S. 2466), zuletzt geändert durch das Gesetz Nr. 1728 vom 18. November 2010 (Amtsbl. I S. 1420), schreibt in § 7 eine Berufshaftpflichtversicherung vor. Danach sind selbständig tätige Pflegefachkräfte verpflichtet, sich und ihre abhängig Beschäftigten ausreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Ferner haben Pflegefachkräfte in abhängiger Beschäftigung in Abstimmung mit dem Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass sie ausreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit abgesichert sind. Für welche nichtärztlichen Gesundheitsberufe bestehen im Saarland keine Verpflichtungen zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung? Zu Frage 1 b): Neben Gesundheits- und Krankenpflegern/-Kinderkrankenpflegern/innen, Altenpflegern /innen, Hebammen und Entbindungspflegern, haben alle Heilmittelerbringer /innen, sofern sie selbständig medizinische Dienstleistungen erbringen (z. B. Physiotherapeutinnen/-therapeuten, Ergotherapeutinnen/-therapeuten, Logopädinnen /Logopäden, Podologinnen/Podologen) nach den Rahmenempfehlungen des GKV Spitzenverbandes gemäß § 125 Abs. 1 SGB V die Verpflichtung, bei Vertragsschlüssen über die Versorgung mit Heilmitteln gem. § 125 Abs. 2 SGB V eine ausreichende Haftpflichtversicherung als Zulassungsvoraussetzung nachzuweisen. Wie risikobehaftet schätzt die saarländische Landesregierung die nichtärztlichen Gesundheitsberufe (wie Hebammen, Pflegekräfte, Physiotherapeuten etc.) ein? Zu Frage 2: Hierzu wird auf die vorstehende Antwort zu Frage 1 b) sowie auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Wie hat sich das Aufkommen der Haftpflichtschadensfälle im Bereich Geburtshilfe in den letzten 10 Jahren im Saarland entwickelt? Zu Frage 3: Der Landesregierung liegen keine eigenen Zahlen über die Entwicklung der Anzahl der Haftpflichtschadensfälle im Saarland im Bereich der Geburtshilfe vor. Nach Mitteilung des Deutschen Hebammenverbandes (DHV), dem fast 18.000 Mitglieder aus 16 Landesverbänden angehören, steigen die Kaiserschnittzahlen bei Geburten seit Jahren dramatisch an und liegen mittlerweile bei über 30 %. Drucksache 15/81 (15/18) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - In diesem Zusammenhang wird auf Folgendes hingewiesen: Hebammen und Entbindungspfleger leisten einen wesentlichen und unverzichtbaren Beitrag für die medizinische Versorgung Schwangerer, junger Mütter und Familien. Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Hebammenhilfe, einschließlich der Möglichkeit zur freien Wahl des Geburtsortes, ist daher von besonderer Bedeutung und fordert auch eine angemessene Vergütung. Freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger verfügen über ein nur unterdurchschnittliches Arbeitseinkommen und mussten in den letzten Jahren zudem eine massive Beitragssteigerung ihrer privaten Berufshaftpflicht hinnehmen. Das vom Bundesgesundheitsministerium in Antrag gegebene und am 4. Mai 2012 vorgestellte Gutachten des IGES Instituts weist einen durchschnittlichen Anstieg der Berufshaftpflichtprämien von ca. 15 Prozent pro Jahr aus. Gemäß § 134 a SGB V schließt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Berufsverbänden der Hebammen und Entbindungspfleger Verträge ab, die die Vergütung regeln. Im Rahmen des am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen GKVVersorgungsstrukturgesetzes hat der Gesetzgeber klargestellt, dass in den Vergütungsverträgen auch die die Berufsausübung betreffenden Kostensteigerungen (z. B. Beitragssatzerhöhungen zu den von den Hebammen und Entbindungspflegern abzuschließenden Berufshaftpflichtversicherungen) zu beachten sind. Trotz der vorgeschriebenen Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität können dabei höhere Vergütungen vereinbart werden, wenn dies erforderlich ist, um den Hebammen und Entbindungspflegern eine angemessene Vergütung zu gewähren. Die gemeinsame Konferenz der Gesundheitsministerinnen und –minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GMK) hat sich im Rahmen der Hauptkonferenz 2012 am 27./28. Juni 2012 nachdrücklich dafür ausgesprochen, dass die Krankenkassen zeitnah eine deutliche Erhöhung der Honorare zur Abmilderung der Belastung aus den Haftpflichtprämien in den Verhandlungen akzeptieren sollen. Unter dem Eindruck dieser Empfehlung haben sich die Selbstverwaltungspartner am 6. Juli 2012 auf eine Übernahme der durch die Haftpflichtprämien entstandenen Mehrkosten bei den Hebammen durch die Krankenkassen verständigt. Wie hat sich das Aufkommen der Arzthaftungsprozesse im Bereich Geburtshilfe in den letzten 10 Jahren im Saarland entwickelt? Zu Frage 4: Der Landesregierung liegen keine eigenen Zahlen über die Entwicklung der Anzahl der Arzthaftungsprozesse im Saarland im Bereich der Geburtshilfe vor. Bei welchen nichtärztlichen Berufsgruppen, die keiner Versicherungspflicht unterliegen, hält es die Landesregierung jedoch im Interesse der saarländischen PatientInnen für angebracht, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen? Zu Frage 5: Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 b) sowie auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Drucksache 15/81 (15/18) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Wie hoch beläuft sich im Saarland der Anteil der Beschäftigten in nichtärztlichen Gesundheitsberufen , die über ihren Arbeitgeber berufshaftpflichtversichert sind (bitte Aufschlüsselung nach Berufsgruppe und Tätigkeitsort)? Wie hoch beläuft sich im Saarland der Anteil der Beschäftigten in nichtärztlichen Gesundheitsberufen , die zusätzlich eine private Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen haben (bitte Aufschlüsselung nach Berufsgruppe und Tätigkeitsort )? Wie hoch beläuft sich im Saarland der Anteil der Beschäftigten in nichtärztlichen Gesundheitsberufen , die ausschließlich eine private Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen haben (bitte Aufschlüsselung nach Berufsgruppe und Tätigkeitsort)? Durch welche anderweitigen Versicherungen könnten aus Sicht der saarländischen Landesregierung Gesundheitsschäden an PatientInnen gedeckt werden, die durch Angehörige nichtärztlicher Gesundheitsberufe ohne Berufshaftpflichtversicherung verursacht werden? Zu den Fragen 6 bis 9: Der Landesregierung liegen hierzu keine eigenen Zahlen vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 b) und die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen.