LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/152 (15/75) 26.09.2012 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Kohlekraftwerk Ensdorf Vorbemerkung des Fragestellers: In der letzten Zeit häufen sich Beschwerden von Anwohnern aus Ensdorf, Bous, Wadgassen und Saarlouis, die durch den veränderten/fluktuierenden Betrieb des Kraftwerkes deutlich zunehmende Luftverschmutzungen feststellen und damit gesundheitliche Belastungen befürchten. Wie mehrfach berichtet wurde, soll jeweils beim wiederholten Anfahren des Kraftwerkes dichter gelber Qualm in die Umwelt gelangen. Nach unseren Informationen ist die Filtertechnik und die damit verbundene Abgasreinigung für einen regulären (mit wenigen Starts) Betrieb ausgelegt und nicht für die sich in der jüngsten Zeit häufenden Starts bzw. das ständige An- und Abfahren des Kraftwerks.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die Feststellung, dass sich Beschwerden im Umfeld des Kraftwerkes Ensdorf in letzter Zeit häufen, können die saarländischen Immissionsschutzbehörden nicht bestätigen. Die Beschwerden sind seit dem 3. Quartal 2011 eher rückläufig. Seit dieser Zeit wird das Kraftwerk Ensdorf wieder überwiegend im Grundlastbetrieb gefahren. Nur am Wochenende wird das Kraftwerk abgefahren. Die Anfahrvorgänge mit erhöhten Schadstoffemissionen beschränken sich somit in der Regel auf den Wochenbeginn. Längere Anlagenstillstände treten nur noch bei größeren Reparaturen oder Revisionen auf. Welche Blöcke des Kraftwerkes verursachen die oben genannte zusätzliche Luftverschmutzung durch veränderte Fahrweise? Zu Frage 1: Beide noch in Betrieb befindlichen Kraftwerksblöcke in Ensdorf (Block 1 und Block 3) verfügen über die gleiche Abgasreinigungstechnik (Entschwefelung und Endstickung in Low-Dust-Anordnung). Bei beiden Blöcken ist der Anfahrbetrieb verfahrensbedingt mit erhöhten Emissionsmassenströmen verbunden. Dies gilt insbesondere für die Emissionen an Schwefel- und Stickstoffoxiden. Ursächlich für die erhöhten Emissionen im Anfahrbetrieb ist die Temperaturabhängigkeit der Rauchgasentschwefelungsanlage (REA) und der Rauchgasentstickungsanlage (DENOX). Bis zum Erreichen der erforderlichen Reaktionstemperaturen erfolgt während des Anfahrens nur eine eingeschränkte Abscheidung der Schwefel- und Stickstoffoxide. Ausgegeben: 26.09.2012 (07.08.2012) Drucksache 15/152 (15/75) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Die gelblich-braune Färbung der Abgasfahne wird dabei durch Stickstoffdioxid verursacht . Alle anderen im Abgas enthaltenen Schadstoffe sind weitestgehend farblos bzw. nur schwach gefärbt. Beide Blöcke kommen somit grundsätzlich als Verursacher für die erhöhten Schadstoffemissionen im Anfahrbetrieb in Betracht. Das Anfahren eines Blockes gliedert sich zeitlich in mehrere Abschnitte. Zunächst wird ein mit leichtem Heizöl befeuerter Hilfsdampfkessel gestartet, der den weiteren Anfahrbetrieb mit der notwendigen Energie versorgt. Der Betrieb des Hilfsdampfkessels ist mit relativ geringen Schadstoffemissionen verbunden. Anschließend erfolgt das Zünden der gemahlenen Steinkohle im Hauptkessel. Zu diesem Zeitpunkt ist nur die Entstaubung mittels Elektrofiltern in Betrieb. Die DENOX-Anlage kann erst dann in Betrieb genommen werden, wenn die REA eine ausreichende Abscheidung der Schwefeloxide gewährleistet. Vor der Stilllegung von mehreren deutschen Atomkraftwerken im Jahr 2011 und der damit verbundenen Absenkung der verfügbaren Grundlastkapazität im Hochspannungsnetz hat der Block 3 mangels Nachfrage in Kaltreserve gestanden (vorübergehende Außerbetriebnahme). Der kleinere Block 1 ist lediglich zur Spitzenlastabdeckung eingesetzt worden, d.h. er ist täglich an- und abgefahren worden. Seit dem 3. Quartal 2011 hat sich die Fahrweise der beiden Blöcke grundlegend geändert. Die erzeugte Energie der Blöcke 1 und 3 kann mittlerweile wochentags gewinnbringend vermarktet werden. An- und Abfahrvorgänge finden somit zurzeit nicht täglich statt. Dies entspricht der üblichen Fahrweise im Zeitraum 2000 bis 2007. Wer ist zur Zeit Pächter, Verpächter, Eigentümer bzw. Betreiber der betroffenen Blöcke? Zu Frage 2: Der Kraftwerksblock Ensdorf 1 ist nicht verpachtet. Pächter des Kraftwerksblockes Ensdorf 3 sind die Saarstahl AG und die Saarschmiede GmbH Freiformschmiede als Teilhaber einer Gemeinschaft nach Bruchteilen. Verpächter des Kraftwerksblockes Ensdorf 3 ist die VSE AG. Eigentümer der Kraftwerksblöcke Ensdorf 1 und 3 ist die VSE AG. Betreiber des Kraftwerksblocks Ensdorf 1 ist die VSE AG. Betreiber des Kraftwerksblockes Ensdorf 3 sind die Saarstahl AG und die Saarschmiede GmbH Freiformschmiede als Teilhaber einer Gemeinschaft nach Bruchteilen. Schließt die Landesregierung Belastungen für Umwelt und Mensch während der Zeit des Hochund Herunterfahrens des Kraftwerkes aus? Zu Frage 3: Der Anfahrvorgang mit eingeschränkter Abgasreinigungsleistung zum Wochenbeginn hat normalerweise eine Dauer von vier bis fünf Stunden. Die in dieser Zeit emittierte Menge an Luftschadstoffen ist in der Summe deutlich geringer als die Menge, die bei einem durchgehenden Anlagenbetrieb am Wochenende emittiert wird. Unter der konservativen Annahme, dass der Abgasvolumenstrom im Anfahrbetrieb genau so groß ist wie im Volllastbetrieb (faktisch ist er kleiner), ist die während eines fünfstündigen Anfahrvorgangs emittierte Fracht an Schwefel- und Stickstoffoxiden nur etwa halb so groß wie im Volllastbetrieb von samstags 0:00 Uhr bis montags 04:00 Uhr (52 Stunden). Drucksache 15/152 (15/75) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Aufgrund der Abgasableitung über einen ausreichend hohen Kamin und der zeitlichen Befristung der erhöhten Schadstoffkonzentrationen im Abgas gibt es keine Anhaltspunkte für eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch die Emissionsspitzen beim Anfahren. Werden die erkennbaren Emissionen (schwefelfarbener Rauch) beim Hoch und Herunterfahren des Kraftwerkes gesondert analysiert bzw. quantifiziert ? Zu Frage 4: Die eingebauten kontinuierlichen Messeinrichtungen für Staub, Kohlenmonoxid, Schwefeloxide und Stickstoffoxide sind unabhängig vom Fahrzustand der Blöcke immer in Betrieb. Bereits die Schadstoffemissionen beim Anfeuern des Hilfskessels mit Heizöl EL werden von den Messgeräten registriert und quantifiziert. Die während der An- und Abfahrphase ermittelten Messwerte werden entsprechend den gesetzlichen Regelungen (13. und 17. BImSchV sowie die bundeseinheitliche Praxis bei der Überwachung von Emissionen) ermittelt, ausgewertet und in einer Sonderklasse gespeichert. Sie werden somit dokumentiert, jedoch nicht zur Bildung der Halbstunden- und Tagesmittelwerte , welche mit Grenzwerten belegt sind, herangezogen. Welche chemischen Bestandteile enthält dieser schwefelfarbene Rauch und welche Auswirkungen für die Umwelt und die Anwohner sind damit verbunden ? Zu Frage 5: Die gelblich-braune Färbung der Abgasfahne beim Anfahren ergibt sich im Wesentlichen durch Stickstoffdioxid. Weitere Hauptbestandteile sind neben Wasserdampf, Schwefeloxide und Kohlenstoffdioxid. In geringer Menge kann auch Kohlenstoffmonoxid enthalten sein. Die Schadstoffkonzentration beträgt während der Anfahrphase für Stickstoffoxide 1000-1100 mg/m³ und für Schwefeloxide 1200-1400 mg/m³. Da sowohl die gesetzlichen Vorsorgeanforderungen der zugrunde liegenden Immissionsschutzverordnungen (13. und 17. BImSchV) als auch die Auflagen der immissionsschutzrechtlichen Betriebsgenehmigung eingehalten werden, gibt es derzeit keine Anhaltspunkte , die auf eine Beeinträchtigung der Umwelt schließen lassen. Auch an den nächstgelegenen Messstationen des saarländischen Immissionsmessnetzes IMMESA in Überherrn und Saarlouis werden die Immissionsgrenzwerte für Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid nach der 39. BImSchV deutlich unterschritten. Drucksache 15/152 (15/75) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Wurden die Abgasgrenzwerte für den Dauerbetrieb festgesetzt und gibt es besondere Grenzwerte , Forderungen oder Auflagen für die Phase des Hoch- und Herunterfahrens des Kraftwerkes? Zu Frage 6: Die festgelegten Emissionsbegrenzungen beziehen sich auf den Normalbetrieb und schließen An- und Abfahrvorgänge nicht mit ein. Für An- und Abfahrvorgänge, bei denen ein Überschreiten der festgelegten Emissionsbegrenzungen nicht verhindert werden kann, sind aber Sonderregelungen getroffen worden. Die immissionsschutzrechtliche Betriebsgenehmigung enthält entsprechende Regelungen für die maximale Dauer der An- und Abfahrvorgänge bzw. für die Dauer bis zur Inbetriebnahme der Abluftreinigungseinrichtungen (REA und DENOX). Ebenfalls festgelegt ist die Verarbeitung der kontinuierlich ermittelten Messwerte in der erwähnten Sonderklasse. Wurde die jetzige Fahrweise mit dem gehäuften Hoch- und Herunterfahren beim ursprünglichen Genehmigungsverfahren gesondert berücksichtigt ? Zu Frage 7: Das Kraftwerk Ensdorf ist vor Inkrafttreten des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genehmigt worden. Die Ursprungsgenehmigung enthält daher keine gesonderten immissionsschutzrechtlichen Regelungen zum An- und Abfahren. Die Sonderregelungen zum An- und Abfahren sind erst nachträglich festgelegt worden. Die aktuell gültigen Ausnahmen für das An- und Abfahren der Kraftwerksblöcke sind mit Zulassungsbescheid des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz vom 22.12.2005 festgelegt worden. betr.: Kohlekraftwerk Ensdorf