LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/228 (15/97) 21.11.2012 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Michael Hilberer (PIRATEN) betr.: Heimatschutzeinheiten RSUKr Vorbemerkung des Fragestellers: „Die Verfasser des Grundgesetzes haben aufgrund der historischen Erfahrungen in Deutschland eine strikte Trennung von Polizei und Militär in der Verfassung festgeschrieben. Im Zuge der Ökonomisierung der Gesellschaft scheinen bedeutende Verfassungsgrundsätze zunehmend in den Hintergrund zu geraten und durch reine Kosten-Nutzen-Rechnungen ersetzt zu werden. Besonders kritisch ist in diesem Zusammenhang der mögliche Einsatz von regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräften (RSUKr) mit Reservisten der Bundeswehr für rein polizeiliche Aufgaben im Zuge der Amtshilfe.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Maßstab für Aufstellung und Einsatz der RSUKr sind die Vorgaben des Grundgesetzes , insbesondere Artikel 87a und 35 Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht hat sich im Rahmen seiner Plenarentscheidung vom 3. Juli 2012 (2 PBvU 1/11) intensiv mit den Grenzen des Einsatzes der Streitkräfte im Inneren auseinandergesetzt und hierfür hohe Anforderungen aufgestellt. Ist es der Landesregierung bekannt, ob es im Saarland bereits RSUKr- Einheiten der Bundeswehr gibt? Ausgegeben: 21.11.2012 (23.08.2012) Drucksache 15/228 (15/97) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - a) Wie ist der Stand der Planungen in Bezug auf die Einführung solcher Kräfte bzw. Einheiten? b) Welcher Standort bzw. welcher Truppenteil übernimmt die Paten- schaft für die saarländischen RSUKr-Einheiten? c) Wie hoch ist voraussichtlich die Truppenstärke dieser Einheiten? d) Wird der besonderen Aufgabe dieser Einheiten in ihrer Ausbildung Rechnung getragen; findet etwa ein umfassendes Deeskalationstraining für große Menschenmengen statt? e) Welche Alternativen zur Struktur bzw. zum Einsatz von RSUKr sieht die Landesregierung? Zu Frage 1: Zu Frage 1 [einschließlich der Teilfragen a) bis d)] hat das in die Beantwortung der Anfrage zuständigkeitshalber eingebundene Bundesministerium der Verteidigung Folgendes mitgeteilt: „Im Bundesland Saarland gibt es derzeit (Stand September 2012) noch keine Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte der Bundeswehr.“ Zu 1a): „Die Bundeswehr beabsichtigt, im Jahr 2013 (voraussichtlich April) auch im Saarland eine Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanie aufzustellen . Hierfür werden derzeit die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen.“ Zu 1b): „Das in Saarlouis stationierte Landeskommando Saarland soll die Patenschaft für die Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanie im Bundesland Saarland übernehmen.“ Zu 1c): „Die voraussichtliche Zielgröße beträgt etwa 100 Reservistinnen und Reser- visten. Die tatsächliche Stärke ist jedoch aufkommensabhängig.“ Zu 1d): „Die Ausbildung der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte richtet sich nach ihrem Auftrag. Grundlage für diesen Auftrag sind die den Streitkräften nach Artikel 87a Grundgesetz zugewiesenen Aufgaben. Die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte werden für militärische Wachund Sicherungsaufgaben im Rahmen des Heimatschutzes aufgestellt. Im Grundbetrieb nehmen sie zudem die Funktion als zivil-militärischer Mittler und regionale Multiplikatoren gegenüber den zivilen Stellen und Akteuren, die Unterstützung der Landeskommandos bei der Personalwerbung und der Öffentlichkeitsarbeit, die Unterstützung im Rahmen von Projekten, Großveranstaltungen sowie bei Veranstaltungen von aktiven Truppenteilen und/oder Patenverbänden wahr. Soweit die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte Unterstützungsleistungen im Rahmen der Amtshilfe oder der Hilfeleistung erbringen, erfolgen diese grundsätzlich subsidiär und auf Anfrage. Verfassungsrechtliche Grundlage hierfür sind Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz (Amtshilfe ) sowie Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz (Hilfe bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen). Drucksache 15/228 (15/97) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Die Wachausbildung der Bundeswehr umfasst grundsätzlich auch die Vermittlung von Grundkenntnissen über Maßnahmen zur Deeskalation gegenüber Personen. Ein „umfassendes Deeskalationstraining für große Menschenmengen“ ist in der Ausbildung nicht vorgesehen. Entsprechend der strikten grundsätzlichen Trennung der Zuständigkeiten von Polizei und Bundeswehr gehört ein derartiger Einsatz nicht zu den Aufgaben der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte.“ Zu 1e): Die Organisation der Streitkräfte fällt in die (ausschließliche) Zuständigkeit des Bundes (Artikel 87a Grundgesetz). Gibt es bei der Landespolizei oder dem Innenministerium Pläne oder Verfahrensweisen für Amtshilfegesuche gegenüber der Bundeswehr? a) Wie sehen diese aus? b) Welche Kriterien müssen für ein solches Amtshilfeverfahren erfüllt sein? Zu Frage 2: Bei der saarländischen Vollzugspolizei gibt es keine Pläne oder Verfahrensweisen für Amtshilfegesuche gegenüber der Bundeswehr. Zu dem in der Anfrage verwandten Begriff „Landespolizei“ ist festzustellen: „Polizei“ im Sinne des Saarländischen Polizeigesetzes sind die Polizeiverwaltungsbehörden und die Vollzugspolizei (§ 1 Absatz 1 Saarländisches Polizeigesetz - SPolG). Im Hinblick auf die polizeiliche Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, liegt gemäß § 80 Absatz 1 SPolG die originäre sachliche Zuständigkeit bei den Polizeiverwaltungsbehörden. Die Polizeivollzugsbehörden werden nach § 85 Absatz 2 SPolG im Rahmen der Gefahrenabwehr nur tätig, soweit die Abwehr einer Gefahr durch die originär zuständigen Behörden nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint. Dementsprechend sind auch für die Vorbereitung der Abwehr und die Abwehr von Großschadenslagen und Katastrophen (Katastrophenschutz) die Polizeiverwaltungsbehörden , hier in ihrer Eigenschaft als untere Katastrophenschutzbehörden, originär zuständig. Untere Katastrophenschutzbehörden sind nach § 17 Absatz 2 des Gesetzes über den Brandschutz, die Technische Hilfe und den Katastrophenschutz im Saarland (SBKG) die Landkreise und im Regionalverband Saarbrücken die Landeshauptstadt Saarbrücken. Gemäß § 22 Absatz 4 Satz 2 SBKG nimmt die Vollzugspolizei Aufgaben anstelle der originär zuständigen Behörden nur so lange wahr, bis diese Behörden selbst dazu in der Lage sind. Drucksache 15/228 (15/97) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Auf der Grundlage des Grundgesetzes (Artikel 35 Absatz 2 Satz 2) können zur Hilfe bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen auch Streitkräfte durch ein Bundesland angefordert werden. Regelungen über die Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Bundeswehr sind Teil der vorbereitenden Maßnahmen der unteren Katastrophenschutzbehörden für einen wirksamen Katastrophenschutz (§ 20 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 Buchst. d SBKG). Die Anforderung der Bundeswehr erfolgt nach § 28 Absatz 5 Satz 1 SBKG grundsätzlich durch die oberste Katastrophenschutzbehörde (Ministerium für Inneres und Sport). Im Beschluss des BVerfG vom 3. Juli 2012 betont Verfassungsrichter Gaier in seinem Sondervotum, dass Kampfeinsätze der Streitkräfte - im Gegensatz zur Funktion der Polizei im Rechtsstaat - die Vernichtung des Gegners zum Ziel haben. In welcher Hinsicht und warum geht die Landesregierung davon aus, dass diese Fähigkeit sinnvoll im Rahmen der Amtshilfe und der RSUKr eingesetzt werden könnte? Zu Frage 3: „Kampfeinsätze“ sind typischerweise nicht Gegenstand der Amtshilfe oder des Einsatzes von RSUKr. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen . Wie schätzt die Landesregierung die Rechtmäßigkeit von RSUKr-Einheiten der Bundeswehr im Rahmen des Verfassungsrechtes ein? Zu Frage 4: Es wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Wird sich die Landesregierung im Bundesrat und/ oder mit weiteren Maßnahmen gegen die umstrittene Struktur der RSUKr engagieren? Zu Frage 5: Es wird auf die Antwort zu Frage 1e) wird verwiesen. Ist die Polizei im Saarland ausreichend mit Mitteln ausgestattet, um in Notlagen Bevölkerung und kritische Infrastruktur zu schützen? a) Wenn ja: Warum bedarf es dann RSUKr? Drucksache 15/228 (15/97) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - b) Wenn nein: Wenn die Landespolizei also nicht mit ausreichenden Mitteln ausgestattet ist: Herrscht dann nicht ein verfassungswidriger Zustand vor, der beseitigt werden muss? (Stichwort: Untermaßverbot / Hintergrund: Der Staat hat unzweifelhaft die Pflicht, die Bürger im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu schützen; vgl. etwa Josef Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit. Zu den Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates , Berlin 1983) Zu Frage 6: Die Polizei im Saarland ist gut ausgebildet und so ausgestattet, um die ihr übertragenen Aufgaben bei der Abwehr von Großschadenslagen und Katastrophen grundsätzlich in dem erforderlichen Umfang in eigener Zuständigkeit wahrzunehmen.